Volleyball:Diesseits der Stille

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Herrsching kassiert im dritten Spiel die zweite Niederlage. Gegen den VfB Friedrichshafen vergibt die Mannschaft zu viele Chancen - und vermisst in der entscheidenden Phase die Emotionen von den Rängen.

Von Katrin Freiburghaus, Herrsching

Am 30. November 2019 hatte Max Hauser den VfB Friedrichshafen in seiner persönlichen Liste als letzten aktuellen Volleyball-Bundesligisten abgehakt, gegen den er noch nicht gewonnen hatte. Mit 3:2 rangen seine WWK Volleys Herrsching den VfB damals in einer rappelvollen Halle nieder, die Ohren klingelten noch am nächsten Morgen. Ein knappes Jahr später, am vergangenen Samstagabend, hatte die Neuauflage der Partie wenig mit diesem denkwürdigen Kapitel der Herrschinger Vereinshistorie gemein: Bis auf Herrschings Start-Sechs, die sich auf einer Position verändert hatte, war so ziemlich alles anders. Vor alllem die Geräuschkulisse.

Jeder Fluch von Libero Ferdinand Tille, jede spitze Bemerkung des Hallensprechers in Richtung Schiedsrichter und jeder Jubelschrei hingen sekundenlang ungestört im Raum. Dann wurden sie vom geschäftigen Quietschen der Schuhsohlen abgelöst, bis der Ball auf den Boden klatschte. Zwar gaben sich die Organisatoren beim ersten Heimspiel der Saison alle Mühe, zwischen den Ballwechseln mit lauter Musik und zwei Hallensprechern Atmosphäre zu erzeugen. Dass die Wörter Hall und Halle auch etymologisch eng verwandt sind, konnten sie damit jedoch nicht überspielen.

Ooooooo... oh, oh: Herrschings Trainer Max Hauser hebt beim 1:3 gegen Friedrichshafen resignativ die Arme – oder versucht er, eine Ein-Mann-Welle zu initiieren? (Foto: Georgine Treybal)

Das zuschauerfreie Pandemie-Ambiente hielt mit der hitzigen Stimmung auf dem Spielfeld nicht Schritt. Für Mannschaften wie Herrsching, deren sportliche Leistung stark von ihrer emotionalen Verfassung abhängt, ist das mehr als eine Randnotiz. Hauser fand das 1:3 (25:19, 23:25, 16:25, 20:25) "gerechtfertigt", es war allerdings knapper, als es Ergebnis und Statistik aussagten, denn das Spiel hatte zwei sehr unterschiedliche Hälften. Im ersten Durchgang gelang Herrsching im Angriff viel bis alles, allein Diagonalangreifer Jalen Penrose versenkte den Ball achtmal im Feld, was einer starken Quote von über 70 Prozent entsprach. Der zweite Satz begann ähnlich, ehe eine strittige Schiedsrichterentscheidung die Herrschinger nachhaltig frustrierte. Über diese Phase sagte Hauser: "Ich weiß nicht, wie das mit Zuschauern ausgegangen wäre."

Ohne Zuschauer ließ Herrsching seine Gäste vom Haken, die von 11:11 auf 14:20 davonzogen. Die Herrschinger trafen vorübergehend fast ausnahmslos den gegnerischen Block. Angesichts der Aufholjagd, die sie noch einmal auf 22:23 heranbrachte, durfte man diese Schwächeperiode durchaus als spielentscheidend einstufen. "Ich weiß nicht, ob wir nicht auch noch 2:3 verloren hätten, wenn wir sie nicht so weit weggelassen und den Satz gewonnen hätten", sagte Hauser. Sein Team hätte sich jedoch zumindest jenen Punkt gesichert, der aus Hausers Sicht möglich gewesen wäre. In den Durchgängen drei und vier war dagegen nichts zu holen: Herrschings Angriffseffizienz sackte auf 52 respektive 38 Prozent, während der VfB im dritten Satz 70, im vierten immerhin noch 48 Prozent seiner Versuche auf den Boden brachte. "Die haben extrem gut abgewehrt, und dann ist auch irgendwann das Selbstvertrauen weg", sagte Hauser.

Anders als beim 2:3 in Frankfurt vor einer Woche habe der Gegner "besser gespielt als wir", sagte er. Sinnvoller, als mit dem Ergebnis zu hadern, sei deshalb, "zu schauen, warum". Auf einen wesentlichen Faktor hatte Hauser kaum Einfluss. VfB-Trainer Michael Warm ließ Diagonalangreifer Linus Weber überraschend auf der Bank und stattdessen Lukas Maase spielen, der mit 21 Punkten nicht nur Friedrichshafens fleißigster Punktesammler war, sondern zudem 2,12 Meter misst. Mit dieser Reichhöhe entnervte er Herrschings Außenangreifer Tim Peter und Jori Mantha so sehr, dass sie zusammen auf lediglich 14 Angriffspunkte kamen. Zugang David Wieczorek saß wegen anhaltender Probleme mit der Bauchmuskulatur abermals nur auf der Bank. "Der hätte uns mit seinen 2,04 Metern gegen Maase geholfen", sagte Hauser. Dass Penrose mit 23 Punkten Topscorer der Partie war, rettete die Bilanz nicht. "Unter 50 Prozent im Angriff sind für uns als Team zu wenig, daran müssen wir arbeiten", sagte Hauser.

Das Zwischenfazit nach den ersten drei Saisonspielen falle "jetzt nicht mehr ganz so gut" aus, sagte der 36-Jährige angesichts von vier Punkten. Allerdings trauerte er eher den zwei in Frankfurt verlorenen Zählern hinterher als der verpassten Chance gegen Friedrichshafen. "Es ist halt selten gut, wenn der VfB mit einer Klatsche herkommt", sagte er, "die Woche davor hatten wir dasselbe in Frankfurt." Beide Gegner hatten vor dem Duell mit Herrsching jeweils 0:3 verloren, "und waren entsprechend unter Druck, abzuliefern". Am nächsten Samstag wird zumindest das nicht passieren: Dann empfängt Herrsching Lüneburg, das - abgesehen von einem 3:0 gegen den VC Olympia - ebenfalls vier Punkte aus drei Spielen geholt hat.

© SZ vom 09.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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