Volleyball:Der verschwundene Vorsprung

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Während Libero Lucas Provenzano de Deus (Foto) und Rudy Verhoeff die Alpenvolleys verlassen, sucht Herrschings Außenangreifer Tom Strohbach sein Glück wohl im Ausland. Libero Ferdinand Tille bleibt voraussichtlich beim TSV. (Foto: Bernd König/imago)

Die Alpenvolleys verspielen bei Meister Berlin einen möglichen Punkt. Vor 5500 Zuschauern müssen sie einmal mehr erkennen, dass ihre neuen Gegner jedes Geschenk hemmungslos annehmen.

Von Katrin Freiburghaus, Berlin/Unterhaching

Wer derzeit einen Supermarkt betritt oder auch nur das Haus verlässt, kommt nicht umhin zu bemerken, dass Weihnachten naht. Auch die Hypo Tirol Alpenvolleys Haching waren am vergangenen Mittwoch bei Meister Berlin offenbar vorzeitig in Weihnachtsstimmung, denn sie machten dem Gegner artig Geschenke - und brachten sich damit um einen möglichen Punkt. Dabei verkaufte sich der Liga-Neuling insgesamt gut. Das 1:3 (20:25, 25:21, 16:25, 23:25) war mit Ausnahme des dritten Satzes ein ausgeglichenes und hoch unterhaltsames Spiel mit vielen langen Ballwechseln. Auch vor der beeindruckenden Kulisse von mehr als 5500 Zuschauern sind andere Mannschaften bei ihrem Debüt in der Max-Schmeling-Halle schon heftiger erschrocken.

Die Alpenvolleys schienen keine Akklimatisierungsprobleme zu haben, stießen im Verlauf des Spiels aber vor allem im Angriff an ihre Grenzen. "Die Durchschlagskraft unserer Angreifer war heute das Problem, Berlin hat in der Abwehr aber auch seine Klasse gezeigt", sagte Trainer Stefan Chrtiansky. Auf der anderen Netzseite lieferten Paul Carroll und Robert Kromm, die beim überraschenden Pokalaus gegen Herrsching große Teile des Spiels auf der Bank verbracht hatten, mit 29 respektive 17 Punkten das Kontrastprogramm ab.

An die Leistungsdichte müssen sie sich erst gewöhnen: "Das hatten wir in Österreich so nicht."

Der Hauptkritikpunkt war ein anderer. Nach einem Blackout im dritten Durchgang lagen die Alpenvolleys im vierten Satz komfortabel mit 8:3 Punkten vorn. "Da hätten wir konsequenter sein und den Vorsprung ins Ziel bringen müssen", sagte Manager Hannes Kronthaler. Es war nicht das erste Mal in dieser Saison, dass sich die Alpenvolleys eine gute Ausgangsposition erarbeiteten und sie anschließend nicht nutzten. Am ersten Spieltag hatten sie in Friedrichshafen im ersten Satz 19:14 geführt und ihn noch abgegeben. "Nicht clever genug", lautete damals das Urteil von Chrtiansky. "Wir waren gut, aber nicht immer clever", sagte er diesmal.

Es sind diese Spielphasen, in denen sich zeigt, dass die Alpenvolleys zwar kein klassischer Aufsteiger, wohl aber ein Liganeuling sind. Ihre Sonderrolle beginnt beim Prozedere der Wildcard und hört bei Heimspielen im österreichischen Innsbruck längst nicht auf. Auf dem Feld ist der Mannschaft ihre Champions-League-Erfahrung aus den vergangenen Jahren anzumerken. Niemand verfiel in Berlin angesichts des hoch verlorenen dritten Satzes in Panik. Anders als reguläre Aufsteiger hat der Kader zudem eine Tiefe, die es Chrtiansky ermöglichte, seine Angreifer ohne Qualitätsverlust durchzuwechseln, um vielleicht auf diesem Weg Löcher in die nervtötend stabile Berliner Abwehr zu reißen.

Die Leistungsdichte der deutschen Liga dagegen bereitet den Spielern des Kooperationsprojekts aus Innsbruck und Unterhaching noch Schwierigkeiten. "Es sind sechs Mannschaften ganz nah beieinander, da muss man lernen, dass das Spiel erst aus ist, wenn es wirklich aus ist und nicht, wenn man vier Punkte vorn liegt", sagte Kronthaler: "Das hatten wir in der Vergangenheit in Österreich so nicht, darauf müssen wir uns einstellen."

Das sollte möglichst schnell geschehen, denn obwohl sich Kronthaler über den vergebenen Punkt in der Hauptstadt ärgerte, war die Niederlage mit dem Saisonziel Platz fünf durchaus vereinbar; Berlin und Tabellenführer Friedrichshafen sind nicht der Maßstab. Die Alpenvolleys sind derzeit Achter. Vom Neunten Königs Wusterhausen trennen sie drei Punkte - genauso viele wie von Platz drei. Entsprechend wichtig wird der Dezember mit den Partien gegen den Fünften Lüneburg, den Dritten Frankfurt und beim Vorletzten Rottenburg. "Wenn wir unser Ziel schaffen wollen, haben wir jetzt ein paar Spiele, die wir nach der Papierform gewinnen müssen", sagt Kronthaler. Entscheidend ist für Chrtiansky ohnehin dies: "Wir verteilen keine Geschenke mehr an die Gegner." Die gab es schließlich schon im November.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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