Volleyball:Der Primus crasht die Party

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Eine Woche nach dem sensationellen Pokal-Coup gegen Berlin werden Herrschings Volleyballern von Tabellenführer Friedrichshafen die Grenzen aufgezeigt.

Von Katrin Freiburghaus, Herrsching

Auf Hochzeiten gilt für Gäste die ungeschriebene Regel, dass sie die Party durch ansprechende Optik bereichern dürfen, aber bitte nicht besser aussehen sollten als das Brautpaar. In Herrsching wurde am vergangenen Samstag zwar nicht geheiratet, ein bisschen hätten die Bundesliga-Volleyballer des TSV ihren spektakulären Einzug ins Pokalhalbfinale vor Wochenfrist in Berlin jedoch schon gerne mit ihren Fans gefeiert. Allein: Ihr Liga-Gast VfB Friedrichshafen machte nicht mit und stahl dem Team vor ausverkauften Rängen die Show.

Herrsching und der Ligaprimus lieferten sich einen munteren Schlagabtausch, das Ergebnis fiel mit 0:3 (22:25, 19:25, 21:25) aus Herrschinger Sicht trotzdem deutlich aus. Dabei führten die Gastgeber im ersten (19:16) und dritten Satz (18:13) sogar deutlich. Wie nah sie dem Satzgewinn in diesen Phasen waren, ließ sich am Verhalten von VfB-Trainer Vital Heynen ablesen, der dazu neigt, lange die Contenance zu wahren. Der Belgier war zeitweise außer sich - und hatte mit seinen emotionalen Ausbrüchen an der Linie offenbar Erfolg. Herrsching verlor in beiden Fällen abrupt den Faden, und Friedrichshafen glich von 19:16 auf 20:20 beziehungsweise von 18:13 auf 19:19 aus.

"Wir haben es in diesem Jahr schon öfter nicht geschafft, den Sack zuzumachen", monierte TSV-Libero Ferdinand Tille, der sich stark erkältet durch die Partie quälte. "Friedrichshafen hat nicht plötzlich besser gespielt, wir haben nur mehr Fehler gemacht." Neun Eigenfehler im ersten sowie je acht in den beiden anderen Durchgängen waren insgesamt elf mehr, als dem VfB unterliefen - das entsprach fast exakt der Anzahl an Punkten, die der VfB in der Endabrechnung besser war. Mittelblocker Wilhelm Nilsson erklärte die Einbrüche damit, "dass wir den Fokus verloren und uns davon frustrieren lassen haben, wenn etwas nicht perfekt geklappt hat".

Sein Coach Max Hauser sah es ähnlich. "Wir haben nicht verloren, weil Friedrichshafen unschlagbar war", sagte er, und verwies darauf, dass Gäste-Coach Heynen nicht nur auf den verletzten Diagonalangreifer Daniel Malescha verzichten musste, sondern auch seinen zweiten Zuspieler Tomas Kocian aufgeboten hatte. Die Mannschaft habe die Gäste in der Annahme erfolgreich unter Druck gesetzt, "es aber mental nicht auf die Reihe gekriegt und in den schwierigen Phasen kein Selbstvertrauen gehabt", kritisierte Hauser, und fügte hinzu: "Wir haben in der Woche nicht gut trainiert - und das war die Quittung."

Lernen vom ehemaligen Bundestrainer: Max Hauser will bei Vital Heynen hospitieren

So sehr ihn die die klare Niederlage wurmte, ganz unglücklich war er über den Tiefschlag in Anbetracht der Hochstimmung nach dem 3:2 im Pokal-Viertelfinale in Berlin nicht. "Ich bin sehr froh, dass wir heute gegen Friedrichshafen gespielt haben und nicht gegen Solingen", sagte er. Denn der punktlose Tabellenletzte wäre eher keine Hilfe dabei gewesen, neue Konzentration einzufordern. "Nach himmelhoch jauchzend geht es meistens erst mal nach unten", das sei ganz normal.

Hauser saß nachdenklich in der Kabine, aber keineswegs frustriert. Bereits kurz nach dem Spiel hatte er Friedrichshafen über das Hallenmikrofon in allen Elementen die reifere Spielanlage bescheinigt, womöglich auch, um beim eigenen Anhang den Maßstab zu korrigieren, den die jüngsten Pokalerfolge verschoben hatten. Denn obgleich sich einige in Herrsching Hoffnung auf eine Sensation gemacht hatten, spiegelte das Ergebnis die Relationen realistisch wider: Herrsching ist aktuell Siebter, der VfB hat in bisher sieben Ligaspielen zwei Sätze abgegeben. "Die Liga ist momentan sehr gut. Und Friedrichshafen ist besser", fasste Hauser zusammen. Von Platz vier bis zehn halte er in dieser Saison jede Abschlussplatzierung für möglich, also hinter dem VfB, Frankfurt und Berlin.

Sollte Friedrichshafen in der Schlussphase der Meisterschaft länger spielen als Herrsching, wovon auszugehen ist, will Hauser bei Heynen hospitieren. Für den 33-Jährigen verstößt das nicht gegen den Wettbewerbsgedanken, in anderen europäischen Ligen sei das längst Usus. Laut Hauser hospitierten in Herrsching in diesem Jahr bereits acht Trainer. "Zu mir gehen halt Drittligatrainer, und ich geh zu Vital Heynen", sagte er. Vor der Partie hatte er sich mit dem ehemaligen deutschen Nationalcoach zum Kaffee getroffen und nach eigenem Bekunden mit Gewinn "sehr viel zugehört"; gemäß den aktuellen Kräfteverhältnissen.

In den beiden Spielen beim punktgleichen Tabellennachbarn Bühl in Liga (9.12.) und im Pokalhalbfinale (13.12.) sind diese weniger eindeutig. Auf "50:50" bezifferte Hauser die Chancen. Zwei Siege wären der nächste gute Anlass, um mit den Fans zu feiern, zumal der VfB diesmal als Partycrasher ausfallen würde. Ohnehin wünschte sich Heynen in dieser Saison kein Wiedersehen mehr in Herrsching, "sondern in Mannheim". Dort findet am 4. März das Pokalfinale statt.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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