Volleyball:Der Kapitän gibt den Kurs vor

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Nach der Weihnachtspause braucht Herrsching einen Satz lang, um die Festtagsgemütlichkeit abzuschütteln. Danach führt Zuspieler Michal Sladecek den TSV zum 3:1 gegen den Tabellennachbarn Rottenburg.

Von Jonas Kraus, Herrsching

Wenn beim Volleyball das Team mit dem aktiveren Trainer gewinnen würde, wäre der TSV Herrsching am Samstagabend gegen den TV Rottenburg chancenlos gewesen. Gäste-Trainer Peter Müller-Angstenberger veranstalte am Spielfeldrand eine wahre Ein-Mann-Show. Nach jedem Punktgewinn ballte er demonstrativ die Faust, ließ sich bei strittigen Entscheidungen auf die Knie fallen und animierte zudem immer wieder das Herrschinger Publikum. Nur: Geholfen hat ihm sein Einsatz nichts. Der erste Satz ging an die Gäste aus Rottenburg, danach aber kämpfte sich Herrsching eindrucksvoll zurück und siegte verdient 3:1 (13:25, 25:21, 25:23, 25:21). Der TSV steht damit auf Platz sechs der Bundesliga.

Vor dem Duell gegen den Tabellennachbarn wurde es ungewöhnlich besinnlich in der mit mehr als 1000 Zuschauern ausverkauften Nikolaushalle. Hallensprecher Alexander Tropschug, der wie immer als König auftrat, hatte sich am Dreikönigstag Unterstützung aus dem Morgenland geholt. Das royale Quartett verkündete vor Spielbeginn die Frohe Botschaft und sorgten wohl dafür, dass Herrschings Spieler zurück in Feiertagsstimmung verfielen. Der TSV jedenfalls verschlief den ersten Satz völlig.

"Achtzig Prozent reichen in dieser Liga nicht", sagt Trainer Max Hauser

Max Hauser suchte die Erklärung für den schwachen Beginn nicht im Auftritt der Sternsinger. Vielmehr machte er die Trainingspause verantwortlich. "Wir haben über die Feiertage fünf Tage pausiert, so waren einige Spieler zu Beginn nicht auf der Höhe des Geschehens", erklärte Herrschings Trainer und ergänzte: "Achtzig Prozent reichen in dieser Liga nicht."

Schiedsrichter, können wir ein bisschen schneller machen? Herrschings MVP Michal Sladecek hatte es nach der Partie gegen den TSV Rottenburg eilig, zum Flughafen zu kommen. Seine Frau erwartet zu Hause in Bratislava das zweite gemeinsame Kind. (Foto: Georgine Treybal)

Einige Zuschauer wurden bereits unruhig, einen derart schwachen ersten Satz hatten sie von ihrer Mannschaft lange nicht gesehen. Herrschinger ließ sich aber nicht nervös machen und kämpfte sich zurück, was auch dem Trainer imponierte: "Mir ist die schlechte Leistung egal. Wichtig ist nur, dass wir uns nicht lange darüber ärgern", sagte Hauser.

Auch im zweiten Satz lief nicht alles perfekt, Herrsching geriet früh in Rückstand und hatte vor allem mit dem starken Block der Rottenburger große Probleme. Aber anders als im ersten Satz ließen sie den Gegner diesmal nicht davonziehen. Das lag auch an den guten Leistungen der eingewechselten Jose Gomes und Nicolai Grabmüller, die zuletzt ein bisschen außen vor waren. "Beide haben gut trainiert und sich ihre Chance verdient", sagte Hauser. Außenangreifer Gomes sorgte zweimal für den Anschluss, Mittelblocker Grabmüller punktete zum 16:15. Die Führung sollte Herrsching nicht mehr abgeben.

In zwei Wochen kommt Berlin. Bis dahin lässt Hauser an Block und Angriff arbeiten

Ein ähnliches Bild bot sich den Fans im dritten Durchgang. Es entwickelte sich ein Kampfspiel, in dem lange Ballwechsel die Ausnahme blieben. Herrsching lag abermals zurück, konnte aber durch drei Rückraum-Kracher von Christoph Marks zum 19:19 ausgleichen; Marks war mit 16 Punkten bester Scorer des TSV. Gäste-Trainer Müller-Angstenberger war zu diesem Zeitpunkt mit seinen Nerven schon am Ende. Sichtlich angefressen entledigte er sich seines Sakkos und coachte hemdsärmelig weiter. Nach einem Ass von Michal Sladecek ging Herrsching jedoch mit 20:19 in Führung und lag bald auch nach Sätzen vorn. Hauser war anschließend voll des Lobes für den Slowaken: "Er kommt immer als Erster ins Training, er ist immer fleißig."

So war es keine Überraschung, dass es wieder Sladecek war, der auch den vierten Satz zu Gunsten der Volleyballer vom Ammersee entschied. Beim Stand von 24:21 übernahm der Kapitän Verantwortung und verwandelte den Matchball mit einem starken Service. Alles in allem ein gerechtes Ergebnis, wie auch Müller-Angstenberger nach dem Spiel zugeben musste: "Wir waren die ersten drei Sätze auf Augenhöhe, haben aber zu viele Fehler gemacht. Deshalb haben wir verdient verloren."

Für den TSV Herrsching bricht nun eine zweiwöchige Pause an, bevor am 20. Januar der Tabellenzweite Berlin zu Gast ist. Frei haben die Profis deshalb aber nicht. Vielmehr lässt Hauser seine Spieler eine Woche lang im individuellen Bereich schuften: "Im Angriff und im Block waren wir vor allem zu Beginn sehr schwach, daran müssen wir arbeiten." In der zweiten Woche folgt dann die Vorbereitung auf den Gegner, an den Herrsching gute Erinnerungen hat: Vor eineinhalb Monaten besiegte der TSV den großen Favoriten im Pokal-Viertelfinale 3:2. "Natürlich wollen wir auch dieses Mal punkten", sagte Hauser.

Mit dabei sein wird dann auch wieder Michal Sladecek, dem es am Samstag nach seiner Ehrung zum wertvollsten Spieler gar nicht schnell genug gehen konnte. Als die meisten Herrschinger gemütlich aus der Kabine schlenderten, war der 37-Jährige schon auf dem Weg zum Flughafen, Richtung Bratislava: Seine Frau erwartet das zweite gemeinsame Kind.

© SZ vom 08.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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