Volleyball:Der alte Schlachtruf wird vom Staub befreit

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Gegen Friedrichshafen kaum zu stoppen: Mittelblocker Konstantin Schmid (li.) und der zum MVP gewählte Zuspieler Fabian Wagner harmonieren. (Foto: J. Simon)

Zweitligist Grafing wirkt schwungvoll wie seit Jahren nicht mehr

Von Andreas Liebmann, Grafing

Die Grafinger Jahnsporthalle wird gerade wieder zu einer Art kleiner Festung, zumindest wenn dort die heimischen Zweitliga-Volleyballer antreten und von ihren üblicherweise 300 Fans angefeuert werden. Dabei sind seit Jahren entscheidende Mängel dieser Spielstätte bekannt: Sie ist zwei Meter zu niedrig. Und ihr fehlen 200 Sitzplätze. Beides bezieht sich zwar auf Anforderungen für die erste Liga, von der der Klub aus der 13 000 Einwohner kleinen Nachbarstadt Ebersbergs etwa so weit entfernt ist wie Hollands Fußballer von einer EM-Teilnahme, und die er auch gar nicht zum Ziel hat, nicht einmal mittelfristig. Dennoch ist es ein günstiger Zeitpunkt, um einmal daran zu erinnern: Es ist gar nicht so lange her, dass sich die damaligen TSV-Verantwortlichen ernsthaft mit Faktoren wie Deckenhöhe und Zuschauerkapazität befasst haben; dass die euphorischen Aufsteiger punktgleich mit dem damaligen Meister Mendig Dritte waren und über eine Erstliga-Lizenz nachdachten.

2011 war das. Doch die nächsten Jahre wurden schwierig. In der folgenden Saison wendete das mit ehemaligen Profis verstärkte Team als Elfter den Abstieg ab, es folgten die trostlosen Ränge zehn, neun und zehn, allmählich verbunden mit einer Rückbesinnung auf junge Talente.

Vor diesem Hintergrund ist es noch viel erstaunlicher, was dieser Tage beim TSV geschieht, der auch in die aktuelle Saison mit drei Niederlagen gestartet war. Nach Tabellenführer Leipzig vor Wochenfrist bezwang Grafing am vergangenen Samstag auch den Tabellendritten VC Eltmann und tags darauf die VYS Friedrichshafen. Nach fünf Siegen in Serie steht das Team auf dem fünften Tabellenplatz und hat jetzt, nach acht Spieltagen, schon fast so viele Punkte wie nach Abschluss der Vorsaison.

"Wir haben einen guten Lauf", sagt Trainer Alexander Hezareh. Mit 0:5 und 3:8 Punkten lag sein Team im ersten Satz gegen Eltmann zurück, doch es gewann den Durchgang. "Dadurch haben wir Grafing aufgebaut", haderte Eltmanns Kapitän Sebastian Richter. Danach hätten die Gastgeber gezeigt, wie stark sie zu Hause seien. Am Ende stand ein Grafinger 3:1-Sieg (25:21, 25:23, 17:25, 25:20). Auch die Partie gegen Friedrichshafen am Sonntag endete 3:1 (25:23, 25:15, 23:25, 25:17). Wegen der Favoritenrolle sei dieses zweite Duell das schwierigere gewesen, fand Hezareh, auch die Internatsschüler hatten zuletzt dreimal in Serie gewonnen. Grafings Trainer war wie schon gegen Eltmann von Annahmespieler Benno Voggenreiter angetan. Auch Mittelblocker Richard Hesse stand in der Anfangsaufstellung und zeigte einige starke Blocks - er zählt eher zur zweiten Reihe Grafings. "Ich habe bisher noch keinen Wechsel bereut", schwärmte Hezareh über seinen Kader, auch seine Ergänzungsspieler überzeugen ihn nicht nur, wenn sie die Kollegen von der Bank aus anfeuern.

Zwei kleine Geschichten verdeutlichen, woher das aktuelle Team kommt: Als der Verein vor dieser Saison um ihn als neuen Trainer warb, erzählt Hezareh, da habe ihm Mittelblocker Konstantin Schmid versichert, dass im Kader mehr stecke, als der Tabellenplatz aussagte. Das Team sei verunsichert, es hatte fast jeden knappen Satz verloren. Schmid, 29, ist schon lange in Grafing, er kommt aus dem eigenen Nachwuchs. Und an diesem Wochenende, erzählt Hezareh, habe ihm dann Michael Zierhut gestanden, dass er nach dem missratenen Saisonstart akut am gemeinsamen Ziel (Platz sieben) gezweifelt habe: Er wisse überhaupt nicht, wie sie je auf diese Idee gekommen seien, habe der Diagonalangreifer gedacht. Zierhut kam 2014, viel Euphorie hat er in Grafing noch nicht erlebt.

Hezareh aber führte den holprigen Start auf schwere Gegner zurück und auf "Nachwirkungen der Vorsaison". Die Leistung zu Beginn sei gar nicht schlecht gewesen, der 3:0-Sieg gegen Stuttgart im vierten Spiel dann entscheidend. Sie haben viel am Mentalen gearbeitet in der Vorbereitung, und seit sie dann gegen Schwaig und Leipzig 0:2-Satzrückstände gedreht haben, "ist die psychische Stärke in uns drin", glaubt Hezareh. Auch die Gegner wüssten das. Das Motto "Fighting bayrisch" wird wieder gelebt in Grafing. Auch dieser Slogan wirkte lange wie ein verstaubtes Relikt aus besseren Tagen.

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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