Volleyball:Blumen aus Amerika

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Erstligist Herrsching muss erneut ohne Artem Sushko planen. Diesmal fehlt dem vermeintlichen Königstransfer das Visum. Trotzdem wähnt sich der Klub gut aufgestellt - spielerisch wie stilistisch.

Von Katrin Freiburghaus, Herrsching

Die Volleyballer der WWK Volleys Herrsching haben ihren Kader seit Anfang der Woche nahezu komplett beisammen und sind in die heiße Phase der Saisonvorbereitung eingestiegen. Wie es sich für einen Erstligisten gehört, der bundesweit ein gewisses Renommee in Sachen Eigenvermarktung genießt, kursieren davon allerlei Beweisbilder und -videos in den sozialen Netzwerken: vom Krafttraining, vom Team-Essen, vom obligatorischen Bad im nahen Ammersee.

Beim Durchzählen fiel jedoch spätestens auf den Schwimmfotos auf, dass ein Dauerbader der vergangenen Saison fehlte: Artem Sushko. Der Außenangreifer hatte zwar bereits zu Jahresbeginn einen Vertrag für zwei weitere Jahre unterschrieben und war fest eingeplant. Er wird aber trotzdem weiterhin fehlen "und uns wirklich abgehen", wie Teammanager Fritz Frömming bestätigt. Denn der gebürtige Ukrainer mit russischem Pass hat von der Botschaft kein Visum erhalten; die Ursachen dafür lägen ausschließlich beim Spieler, betont Frömming, der nicht weiter ins Detail gehen will, die Behörden aber ausdrücklich in Schutz nimmt. Somit fehlt den Herrschingern kurzfristig ein dritter Außenangreifer neben Tim Peter und dem neu verpflichteten Kanadier Jori Mantha.

Artem Sushko wird nicht nach Herrsching zurückkehren. (Foto: Oryk Haist/imago)

Vor allem aber ist die Enttäuschung über die quasi zum zweiten Mal im Spätsommer geplatzte Zusammenarbeit groß. Die Verbindung zwischen Sushko und Herrsching nimmt mit dieser vorläufigen Schlussepisode beinahe tragische Züge an. Vor einem Jahr hatte Trainer Max Hauser den Außenangreifer in der kasachischen Liga entdeckt, er galt als Königstransfer, der die Mannschaft aufgrund seiner Athletik und Durchschlagskraft am Netz auf eine neue Stufe heben sollte. Beides kam allerdings nie so richtig zum Tragen, da Sushko zunächst kurz vor Saisonbeginn von einem südkoreanischen Klub aus seinem Vertrag gekauft wurde.

Kurz vor Weihnachten kehrte er dann zwar ausgemustert und angeschlagen zurück, die körperlichen Folgen seines Abenteuers in Fernost waren ihm aber bis zuletzt anzumerken; von etwa 50 Prozent seines Leistungsvermögens sprachen Herrschings Verantwortliche am Ende, die ihm dennoch - oder gerade deshalb - einen langfristigen Vertrag anboten. Selbiger ist nun obsolet. "Was nützt uns ein Vertrag, wenn der Spieler nicht da ist?", fragt Frömming ein wenig bitter. Immerhin seien bislang keine Gelder geflossen, so dass nicht nur im Kader, sondern auch im Etat noch Platz für einen Sushko-Ersatz ist.

Flower-Power: Dafür begrüßte Trainer Max Hauser (Mitte) am Ammersee Jalen Penrose (li.) und Djordje Ilic. (Foto: oh)

Die Stimmung ist dennoch weniger gedrückt als noch vor Jahresfrist, als der kurzfristige Wechsel von Sushko den Ambitionen der Herrschinger einen gehörigen Dämpfer verpasst hatte. "Wir denken schon, dass wir einen recht starken Kader zusammenhaben", sagt Frömming, "und außen brauchen wir jetzt eben noch jemanden, aber das kann ganz schnell gehen." Mit der Besetzung der Diagonalposition ist Frömming dagegen sehr zufrieden. Zugang Jalen Penrose sei "ein richtig Guter", sagt Frömming, "locker, gut drauf, einer, der immer fragt: ,Wo ist der Ball? Wo kann ich draufhauen?'"

Auch in Sachen Kleiderordnung setzte der 24-Jährige mit einem geblümten Zweiteiler am Strand bereits das erste Ausrufezeichen. Einige Fans forderten die Klubführung umgehend auf, das Blumenhemd des US-Amerikaners mit dem schillernden Instagram-Account als Vorlage für runderneuerte Trikots zu verwenden. Penrose wäre nicht abgeneigt. "Ich fände es großartig, die Blumen als Trikot zu tragen", sagt er, aber wenn nicht, sei es "auch okay". Penrose kann das beurteilen, er kennt Herrschings aktuelle Trikots bereits aus einem Vorbereitungsspiel im vergangenen Jahr, das er in Diensten des tschechischen Erstligisten VK CEZ Karlovarsko absolvierte. Der 2,02-Meter-Mann schätzt die deutsche Liga stärker ein als die tschechische, verfügt aus seinem Jahr dort aber bereits über Erfahrung in der Champions League.

Libero Ferdinand Tille attestiert ihm, "dass er brutal hoch springt, aber manchmal noch ein bisschen wild". Dieses und weitere Themen werden die Herrschinger ab Anfang nächster Woche im Trainingslager behandeln, ehe mit einem Doppeltest gegen den ambitionierten Aufsteiger aus Eltmann in Herrsching und Bamberg sowie einem Freundschaftsspiel beim VfB Friedrichshafen Ende September erste Standortbestimmungen anstehen. Bezüglich der Kräfteverhältnisse in der Liga sei bisher lediglich zu konstatieren, "dass die Liga wieder stärker geworden ist", sagt Frömming. Einen Playoff-Platz zwischen fünf und sieben hält er dennoch für realistisch - ob in Blumen oder in Lederhosen.

© SZ vom 28.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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