Volleyball:Bereit für die nächste Etage

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Als Hachings Volleyballer ihre Profis abmelden, beginnt ihr Neuaufbau in der Landesliga. Seither steigen sie pausenlos auf

Von .Max Ferstl, Unterhaching

Einsam schlurft Dejan Stankovic Richtung Ausgang. Sein Schritt wirkt eckig, fast wie bei einem Roboter. Auf halbem Weg hält er inne und lehnt sich gegen die Bank. "Ich bin ein alter Mann", kommentiert er stöhnend. Stankovic ist 45. Einen Großteil seiner Jahre hat er in Volleyball investiert. Anlaufen, Abstoppen, Springen, Landen, alles auf stumpfen Hallenböden. Sein Körper steckt die Belastungen nicht mehr so einfach weg. Am Sonntagabend zwickt mal wieder der Rücken.

Trotzdem ist Stankovic, der Spielertrainer des TSV Unterhaching, kurz zuvor auf dem Feld gestanden. Er konnte nicht so hoch springen und den Ball so beeindruckend hart schlagen wie die Jüngeren auf dem Feld. Stankovic hat sich gequält und ungewohnt viele Fehler gemacht. Doch am Ende hat er das Spitzenspiel gegen Deggendorf entschieden: Als die Partie im dritten Satz hin und her wogte und beide Teams abwechselnd punkteten, liefen zwei Angriffe über ihn. Stankovic sprang nicht besonders hoch, er schlug nicht besonders hart, aber doch genau richtig. Der Ball sprang jeweils von der äußeren Hand des Deggendorfer Blocks ins Aus. Einmal zum Satzball, dann zum Satzgewinn. Dieser dritte Durchgang brach die Gegenwehr der bis dahin unbezwungenen Deggendorfer, Haching gewann 3:1 (25:19, 24:26, 25:23, 25:14). "Das war Erfahrung", sagt Stankovic. Das Alter bringe nicht nur Schmerzen, es habe auch Vorzüge. "Man weiß, was alles passieren kann im Volleyball." In Unterhaching wissen das wenige besser als er.

Das Alter bringt auch Vorteile mit sich: Dejan Stankovic, 45, spielt gegen Deggendorf seine Erfahrung aus. (Foto: Claus Schunk)

Stankovic hat hier alles miterlebt; als Profi die Glanzzeiten, als Co-Trainer den Absturz, als Spielertrainer den Wiederaufbau. Der gebürtige Serbe gewann mit Haching 2009 zum ersten Mal den Pokalwettbewerb, "vor 10 000 Leuten gegen Moers - das war Wahnsinn". Als er "zu alt" wurde, spielte er eine Zeit lang "zum Spaß" für Zweitligist Grafing. 2013 kehrte er als Co-Trainer von Mihai Paduretu nach Haching zurück. Es war die letzte Saison, ehe Hauptsponsor Generali die Zahlungen einstellte und das Erstligateam abgemeldet wurde. "Ein schöne Geschichte" ging da zu Ende, findet Paduretu, der damals auch Trainer war. Heute leitet er den Verein als Geschäftsführer. Der Rückzug sei kein Knock-out gewesen, wie mancherorts behauptet wird: "Es gibt hier keine verbrannte Erde. Wir haben etwas Neues aufgebaut."

Den Job des Baumeisters übernahm Stankovic. Er wohnt 200 Meter von der Halle entfernt, war damals "Spielertrainer, Kapitän und Manager - alles in einer Person" (Stankovic). Als das Profi-Team zerfiel, war Hachings zweite Mannschaft gerade von der Landes- in die Bayernliga aufgestiegen, ohne Pause kletterte der Klub über die Regionalliga in die dritte Liga. Dort belegt Haching nach fünf Spieltagen Platz zwei und gilt als seriöser Anwärter auf die Meisterschaft. "Vor der Partie war unser Ziel, unter die Top drei zu kommen", sagt Stankovic. "Jetzt haben wir Appetit auf mehr."

Die Mannschaft ist ausgeglichen, der Kader wurde im Sommer der Liga angepasst. Unter anderem kam aus Dachau der zweitligaerfahrene Diagonalangreifer Jan Danielowski, der vor allem im ersten Satz gegen Deggendorf mit wuchtigen Angriffen auffiel. Das Trainerduo Stankovic und Adis Katanovic verfügt über einen breiten Kader mit 13 Spielern. "Das ergibt einen guten Konkurrenzkampf", glaubt Stankovic. Dieser hat sich am vergangenen Montag weiter verschärft. Im Bulgaren Georgi Topalov stieß ein zweiter Zuspieler zur Mannschaft - ein weiterer wichtiger Baustein.

In der Vorwoche hatte der TSV nach mehr als einem Jahr wieder ein Spiel verloren. In Gotha führte er mit 2:0 Sätzen, als der junge Zuspieler Alexander Brandstetter den Faden verlor. "In solchen Situationen können wir nun wechseln", freut sich Stankovic. Topalov gab gegen Deggendorf sein Debüt. Zwar fehlt nach vier Trainingseinheiten noch die Feinabstimmung, doch der 23-Jährige lieferte konstant präzise Vorlagen. Topalov könnte Haching auf eine neues Level heben. "Für mich ist er der beste Zuspieler der Liga", findet Stankovic.

Was passiert nun, wenn Haching am Ende nicht nur den besten Zuspieler, sondern auch das beste Team der Liga stellt? Einen Aufstieg ausschließen will keiner. "Das wäre schlecht für die Moral", glaubt Paduretu. "Wenn die Mannschaft das möchte, werden wir alles dafür tun." Noch sei es allerdings "sehr früh" in der Saison.

Stankovic würde dann wohl nicht mehr auf dem Feld stehen: "Dort spielen beinahe Profis, dafür bin ich dann wirklich zu alt", sagt der 45-Jährige und lacht. Er hat sich eine charmante Form der Selbstironie angeeignet. Hinter ihm taucht Deggendorfs Konstantin Schmid auf. Beide kennen sich aus gemeinsamen Tagen in Grafing und verstehen sich prima. Schmid tätschelt Stankovics Bauchansatz: "Wir wollten auf Dejan aufschlagen und ihn aus dem Spiel nehmen." Stankovic schaut verdutzt. Schmid lacht: "Ging nach hinten los. Dejan war zu gut." Beide umarmen sich, dann schlurft Stankovic durch die dunkle Halle davon. Er kennt den Weg

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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