Volleyball:Bärentöter aus Sibirien

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Die Alpenvolleys Haching festigen ihre Tabellenführung in der Bundesliga. Beim 3:1 in Giesen trumpft Kirill Klets groß auf.

Von Sebastian Winter

Fast väterlich hatte Kirill Klets seine rechte Hand auf die Schulter von Magloire Mayaula gelegt, dazu zeigte er die goldene Medaille für den wertvollsten Spieler und ein kleines, bescheidenes Lächeln. Der Mittelblocker Mayaula musste sich mit Silber begnügen, weil sein Klub TSV Giesen gerade sein Erstliga-Heimspiel mit 1:3 (17:25, 25:17, 14:25, 20:25) gegen die Hypo Tirol Alpenvolleys und deren Diagonalmann Klets verloren hatte. Beim Erfolg vor 1089 Zuschauern in Hildesheim, wo die Grizzlys ihre Heimspiele austragen, hatte der 20-Jährige sein Gesellenstück abgeliefert - nach monatelangen Schwankungen.

Mit 23 Punkten war der Russe aus Nowosibirsk bester Scorer, noch vor dem Alpenvolleys-Außenangreifer Hugo da Silva (20) und weit vor allen Giesenern, inklusive dem starken Mayaula. Drei Blocks und zwei Asse veredelten seine Bilanz, und im Angriff, wo Klets alleine auf 18 Zähler kam, überzeugte der 2,10-Meter-Mann mit einer 67-Prozent-Quote. "So eine Leistung erwarten wir von ihm. Ich hoffe, dass er sich jetzt stabilisiert und nicht mehr so viele Ups und Downs hat", sagte Alpenvolleys-Trainer Stefan Chrtiansky am Montag nach der Partie trocken. Der Tross war da längst wieder in Innsbruck gelandet.

Hat die nächste Sprosse in seiner Entwicklung erklommen: Angreifer Kirill Klets. (Foto: Claus Schunk)

Kurz vor dem Spielende hatte Klets im vierten Satz noch eine kleine Kostprobe dieser Schwankungen gegeben, als er zwei Angriffsfehler in Serie machte. Aber ansonsten zeigte er ein starkes Spiel, eines, in dem sein Trainer sah, was für ein Potenzial in dem jungen Profi steckt. Dass die Alpenvolleys den zweiten Satz ziemlich sang- und klanglos abgegeben hatten, war ohnehin nicht sein Verschulden gewesen. Daran war hauptsächlich die zwischenzeitlich schwache Annahme schuld, um die ein Diagonalangreifer wie Klets im Normalfall einen großen Bogen macht.

Der lange Klets galt als großes Versprechen, als er im August neu zur Mannschaft stieß. Er stand zwischen 2013 und 2017 beim russischen Topklub Lokomotiv Nowosibirsk im erweiterten Kader, in einer der stärksten Ligen der Welt also. Mit Russlands U23 gewann er WM-Silber, mit der U21 WM-Bronze. Vergangene Saison wurde er in Bulgarien Topscorer. Allerdings hat die dortige Liga allenfalls deutsches Zweitliganiveau, weswegen sich Klets an die viel höhere Qualität gewöhnen musste - was ihm nur schleppend gelang. "Er hatte einen schlechten Start, aber er ist ja noch jung. Wir haben auch letzte Woche viel über Selbstvertrauen gesprochen", sagt Chrtiansky. Dass Klets im Oktober bereits Vater geworden ist, seine Frau und das Kind aber voraussichtlich erst an Weihnachten sieht, dürfte auch hineingespielt haben in den holprigen Beginn. Chrtiansky jedenfalls lobt Klets' Angriff und Block sowie den mächtigen Sprungaufschlag. Auch wenn es noch dauert, bis er dem Vorschusslorbeer gerecht wird, mit dem ihn sein Klub bei seiner Vorstellung in Innsbruck bedachte: Als "absoluten Kracher und vielversprechende Aktie für die kommende Saison" hatten die Alpenvolleys ihren neuen Mann im Sommer bezeichnet.

Mit seiner Leistung gegen Giesen und den jüngsten vielversprechenden Trainingseindrücken dürfte er nun immerhin erst einmal seinen Konkurrenten Thomas Hodges ausgestochen haben, und das zur rechten Zeit. Denn auf den in der Liga nach fünf Saisonspielen noch immer ungeschlagenen Tabellenführer kommen bis zum Jahresende harte Wochen zu, in denen die Alpenvolleys sehen werden, wo sie wirklich stehen. Nach einer zehntägigen Pause (auch wegen ihres frühen Aus im DVV-Pokal-Achtelfinale) erwarten sie am 29. November in Unterhaching den serbischen Spitzenklub Novi Sad zum Hinspiel im Sechzehntelfinale des CEV-Cups. Wenige Tage später gastiert der deutsche Meister Berlin in der Innsbrucker Olympiaworld, es folgt das Rückspiel in Novi Sad und die schwere Auswärtspartie in Herrsching. Ein Heimspiel gegen Friedrichshafen und sehr unangenehme Auswärtsreisen vor und nach Weihnachten Richtung Frankfurt und Düren runden das Jahr ab. "Ich rechne damit, dass wir Punkte verlieren werden", sagt Alpenvolleys-Coach Chrtiansky, der andererseits mit einer "breiten Brust" ins Hinspiel gegen Novi Sad gehen will. Es ist übrigens das erste Europapokalspiel in Unterhaching seit 2014. Damals hatte Generali Haching sein CEV-Cup-Viertelfinale gegen Skra Bełchatów verloren. Monate später zog sich der Klub, dem der Hauptsponsor abhanden gekommen war, aus dem Profivolleyball zurück.

Kirill Klets war da noch nicht mal 16, es war das Jahr, in dem er zu Nowosibirsk wechselte. Die Alpenvolleys sollen nun das nächste Sprungbrett für den durchaus emotionalen Mann mit dem schmalen Lächeln werden. Bis dahin ist er dort als einer der vier jüngsten Spieler noch Gehilfe. Und zuständig für Netzauf- und abbau sowie für den Transport des Medizinkoffers und der Massagebank. Auch dieser Rolle möchte Klets sicher ganz schnell entschlüpfen.

© SZ vom 20.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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