Volleyball:Aussiedler in Einsiedeln

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Benedikt Doranth, Identitätsfigur bei Herrschings Volleyballern, verabschiedet sich in die Schweiz. Er blickt nicht ganz im Reinen zurück auf einen Klub, dem er elf Jahre lang diente.

Von Sebastian Winter

Vor einer Woche ist Benedikt Doranth in die Schweiz gefahren. Sein Weg führte ihn nach Einsiedeln, ein schöner Flecken Erde südlich von Zürich. Der 29-Jährige hatte dort einen Termin zur Wohnungsbesichtigung - und am Wochenende dann einen weiteren zur Vertragsunterzeichnung beim VBC Einsiedeln, Nationalliga A, höchste Klasse. Die Tinte ist getrocknet, nun ist es also fix: Benedikt Doranth, langjähriger Spieler des Volleyball-Erstligisten TSV Herrsching - und Mitgesellschafter der GCDW Home of Volleyball GmbH, in die das Profiteam ausgelagert wurde - hat eine neue Heimat gefunden. "Das Kapitel Herrsching ist jetzt abgeschlossen", sagt Doranth. Er klingt fast erleichtert.

Doranth, in Starnberg geboren, in Innings Volleyballjugend ausgebildet, ist seit 2006 Herrschinger gewesen, damals spielte die erste Mannschaft noch in der Landesliga. Wenn man von den sportlichen Gründungsvätern des wundersamen TSV-Aufstieges spricht, dann muss man neben Trainer Max Hauser auch Doranth nennen, den 1,93 Meter großen Außenangreifer. Er hat das Kunststück vollbracht, mit diesem Klub auf dem Feld - als langjähriger Amateurspieler - bis in die erste Liga hinaufzuwachsen.

Doranth war dort kein Schlüsselspieler, nicht der entscheidende Mann. Aber seine Flatteraufschläge waren gefürchtet, seine Annahmen stark, seine Angriffe solide. Vergangene Saison, sagt er, "war meine spielerisch beste, auch von der Annahmequote her". Eher verwundert nahm Doranth daher Ende Juli zur Kenntnis, "dass für meine Position kein Etat da ist. Das war ein bisschen doof, weil es sehr spät war." Doranth meint: für einen Vereinswechsel.

Herrsching hat ihm Tim Peter vorgezogen, ein 19-jähriges Talent, das zuletzt am Internat in Frankfurt spielte und gleich einen Dreijahresvertrag unterschrieb. "Wir haben zuerst mit Bene gesprochen und ihm ein Angebot gemacht. Aber es hat nicht gepasst", sagt TSV- Marketingmanager André Bugl. Im Grunde ist es der normale Lauf der Dinge im Spitzensport, Talent ersetzt Senior, aber Doranths Geschichte ist vielschichtiger, komplizierter.

Vor allem war er eine Identifikationsfigur. Einer, der nicht nur unzählige Stunden ins Ehrenamt steckte, sondern auch Geld in die GmbH. Den die Fans kannten und mochten. Nicht zuletzt war Doranth einer, der für ein paar hundert Euro monatlich in der ersten Liga spielte, "was für mich in Ordnung war", wie Doranth sagt, aber doch kein Vergleich zu Profigehältern selbst bei den klammen Herrschingern mit ihrem Etat von gut 500 000 Euro. Klar, die Profis trainieren mehr, aber wenig hatte Doranth auch nicht trainiert. Außerdem trug er seit dem Erstliga-Aufstieg im Jahr 2014 als Mitgesellschafter der GmbH auch noch ein finanzielles Risiko - wie Hauser selbst, wie Marketingmanager André Bugl und Teammanager Fritz Frömming.

Diese Konstellation, ein Spieler im Entscheiderkreis, dürfte ziemlich einmalig sein in der Liga. Und sie spielte auch eine Rolle dabei, künftig lieber getrennte Wege zu gehen. Denn bereits zum 30. Juni ist Doranth als Mitgesellschafter ausgestiegen. "Man kann von einem Studenten nicht erwarten, dass er dort Geld hineinlegt und investiert. Dann macht es aber auch keinen Sinn, dass er Gesellschafter ist", sagt Bugl. Trainer Hauser berichtet: "Seit wir die GmbH gegründet haben, ist es ein Höllenritt." Er meint, dass der Etat auf Kante genäht ist und der Klub um jeden Cent kämpfen muss. Für Doranth war es nicht machbar, das Risiko als Mit-Gesellschafter weiter zu tragen, er ist aber nicht nur deswegen aus der GmbH ausgeschieden: "Es gab eine Abstimmung über die Zukunft des Klubs, die ich nicht mittragen konnte." Konkreter möchte er nicht werden.

Man solle ihn nicht falsch verstehen, sagt Doranth, "ich hätte gerne in Herrsching weitergespielt und wünsche ihnen, dass sie eine erfolgreiche Saison haben". Es geht ihm aber zugleich um Wertschätzung, die ihm im Sommer irgendwie fehlte. "Ein Anruf, wo man mal danke sagt. Ich war immerhin dienstältester Spieler und Kapitän." In Herrsching sind außerdem Freundschaften entstanden, auch mit Hauser, mit dem Doranth vier Jahre lang erfolgreich Beachvolleyball spielte, bayerischer Meister wurde, an der DM in Timmendorfer Strand teilnahm. Hauser hat Verständnis für Doranth, "es ist ein bisschen schade, wie das alles abgelaufen ist, sein Abschied hätte pompöser sein können. Aber ich freue mich auch für ihn, es ist kein schlechter Schritt in die Schweiz."

Herrschings Trainer muss sich jetzt ohnehin um seinen Kader kümmern, vielversprechend ist er in jedem Fall. Am Wochenende hat Herrsching einen Test gegen Ligakonkurrent Rottenburg mit 3:1 gewonnen, am Mittwoch waren sie alle zusammen auf der Wiesn im Bräurosl-Zelt. "Das beste Teambuilding der Welt", sagt Hauser. In vier Wochen geht es zum Erstliga-Auftakt ausgerechnet gegen Meister Berlin. Zehn Profis sind es nun, so viele wie nie am Ammersee, unter den sieben Zugängen sind zwei Mittelblocker aus Kanada und Schweden, ein slowakischer Zuspieler, ein polnischer Außenangreifer. Und immerhin sieben Deutsche, darunter das Talent Tim Peter. "Dass wir zehn Profis haben, erleichtert den Trainingsbetrieb enorm", sagt Bugl. Herrsching versucht nun auch, den nächsten Schritt nach oben zu machen.

Bislang hat es am Ammersee immer das Kollektiv wettgemacht, dass die halbe (oder früher ganze) Mannschaft aus Halbprofis bestand. Jetzt müssen viele Profis erst einmal zum Kollektiv werden. Spätestens übernächste Saison will Herrsching - fehlende regelkonforme Halle hin oder her - unter den Top fünf der ersten Liga sein. So ist es einerseits folgerichtig, dass arbeitende oder studierende Spieler wie Roy Friedrich (Unterhaching), Julius Höfer (Grafing), Tobias Neumann, Florian Malescha oder Doranth dem Klub nicht mehr helfen können. Es sind andererseits die, die dort sehr gerne waren. "Es gibt von uns nun nur noch Ferdl Tille und Tom Strohbach. Das ist ein großer Cut. Ich bin gespannt, wie sie das auf die Reihe kriegen", sagt Doranth. Hauser macht sich weniger Sorgen: "Es ist jetzt genauso wichtig, sich neue Identifikationsfiguren zu schaffen."

Doranth geht am Samstag noch zur Hochzeit eines Volleyballkumpels, am Sonntag zur Wahl, danach fährt er in die Schweiz. Er hatte auch ein Angebot von Zweitligist Grafing, doch jenes von Einsiedeln sei unschlagbar gewesen. Auto, Wohnung, ein vernünftiges Spielergehalt und noch ein Nebenjob. Zudem gibt es in Einsiedeln auch noch eine Beachvolleyball-Halle. Mit 29 hat er vielleicht das Angebot seines Lebens erhalten. "Wer weiß, vielleicht spiele ich in zehn Jahren wieder für Herrsching", sagt Doranth: "Aber jetzt freue ich mich auf die Schweiz, ein neues Kapitel."

© SZ vom 23.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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