Volleyball:Albtraum im Winterschlaf

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"Wir haben es ein bisschen verpasst, zu reagieren": ASV-Trainer Adrian Zoppelt hat dann eben selbst die Reißleine gezogen. Wohl zu spät (Foto: Birgit Herzum/ASV Dachau)

Trainer Adrian Zoppelt verlässt den abstiegsgefährdeten ASV Dachau. Viel zu spät erkennt der Zweitligist, in welch ausweglose Lage er sich manövriert hat

Von Sebastian Winter, Dachau

Adrian Zoppelt ist am Sonntag schon gar nicht mehr nach Mainz gefahren zum Spiel von Dachaus Volleyballern, das diese mit 0:3 verloren. Denn der 58-Jährige war da nicht mehr Cheftrainer des ASV. Bereits am Donnerstag hatte Zoppelt Abteilungsleiter Denis Werner gesagt, dass er aus beruflichen Gründen sofort zurücktreten werde. "Er sieht zeitlich keine Chance mehr, das Team zu betreuen, und er sieht in der bisherigen Konstellation auch den Erfolg beeinträchtigt", sagte Werner.

Der Mannschaft hatte Zoppelt, der im Spätsommer nach längerer Arbeitssuche einen neuen Vollzeit-Job gefunden hat, seine Entscheidung am Freitag nach dem Training mitgeteilt. Noch in der Vorwoche hatte er gegenüber Abteilungsleiter Werner betont, die laufende Saison - seine erste seit der Rückkehr zum ASV - zu Ende bringen zu wollen. Die Spieler waren trotzdem nicht sonderlich überrascht über die Wende, denn in den vergangenen Wochen waren sie ohnehin zumeist von Co-Trainer Torsten Schulz betreut worden; Schulz ist nun bis zum Saisonende auch offiziell ihr Cheftrainer, diese Entscheidung haben die Verantwortlichen schnell gefällt, auch weil er den Rückhalt der Mannschaft hat.

Zoppelt hatte hingegen schon seit Dezember nicht mehr viele Trainings geleitet und Spiele gecoacht, mal aus beruflichen Gründen, mal weil er zwei Wochen mit einer Grippe im Bett lag. Das alles stimme auch, sagen sie im Verein, doch gerade deshalb muss der Klub sich fragen lassen, warum dieser Schritt so spät kam und warum er nicht selbst längst die Reißleine gezogen hat. Im Nachhinein hätte das Timing jedenfalls kaum schlechter sein können.

Denn Dachau ist nach der Pleite in Mainz auf einen direkten Abstiegsplatz gerutscht. Schlimmer noch: Durch die beiden Siege des direkten Konkurrenten Stuttgart fehlen dem ASV fünf Spieltage vor dem Saisonende fünf Punkte auf den Klassenerhalt. Und das Restprogramm ist extrem schwer für Dachau, das nur noch gegen Klubs aus der oberen Hälfte spielt, beispielsweise Tabellenführer Fellbach oder den Zweiten Hammelburg. "Katastrophe würde ich das noch nicht nennen, aber wir sind nicht so weit davon entfernt", sagt Dachaus Kapitän Sebastian Wenninger.

Wenninger findet für den Substanzverlust nach der starken Vorbereitung und dem tollen Saisonstart nicht nur sportliche Gründe: "Dass das Ganze so lange gedauert hat, ist nicht optimal", sagt Wenninger bezüglich der Hängepartie um Zoppelt, "das hat sich auch auf das Training ausgewirkt, weil Schulle (Torsten Schulz) öfter sehr kurzfristig einspringen musste." Außerdem habe Zoppelt nicht viel an seiner Trainingssystematik geändert, als Dachau im Herbst in die Krise schlitterte, "er hat seinen Stiefel durchgezogen". Anders als Schulz jetzt, der erst einmal Grundlagen trainieren lässt und keine komplexen Spielformen, um dem verunsicherten Team wieder Selbstvertrauen einzuimpfen. Wenninger betont zugleich, dass die Spieler persönlich kein Problem mit Zoppelt gehabt hätten, dass der Coach nicht alleine verantwortlich gemacht werden könne für die prekäre Situation. Aber es hinterlässt eben einen Beigeschmack, wenn ein Trainer nicht da ist in den Wochen, in denen die Mannschaft in ihrer größten Krise steckt.

Die Verantwortlichen haben diesen Zustand gebilligt, was nicht einmal ungewöhnlich ist im Randsport Volleyball, in dem Trainerentlassungen während der Saison in der zweiten Liga absolut unüblich sind. Der Job ist wenig attraktiv, weil er zu wenig Geld bringt, um ihn hauptberuflich ausüben zu können. Familienfeindlich ist er sowieso mit vielen Abendtrainings und Fahrten bis nach Leipzig, Mainz oder Freiburg an den Wochenenden. Doch die Funktionäre sagen selbst, dass sie hätten reagieren müssen, und zwar früher als nun Zoppelt. "Wir wollten keine Trainerdiskussion und haben das Ganze laufen lassen, in der Hoffnung, dass es sich von selbst regelt. Wir haben es ein bisschen verpasst, zu reagieren. Vielleicht haben wir ein paar Wochen zu spät gehandelt", gibt Abteilungsleiter Werner zu. Er plant schon zweigleisig, es gibt aber noch keinen Masterplan, nur Baustellen: Die erste Mannschaft, die nach 14 Jahren in erster und zweiter Bundesliga abzusteigen droht. Die zweite Mannschaft, die aus der dritten Liga absteigt. Die starke Jugend, für die es dann keinen Orientierungspunkt und kein Sprungbrett mehr gäbe. Die Trainer, die auch weiterhin zu wenig Zeit neben ihrem Beruf hätten.

Torsten Schulz muss das angeschlagene Team in den beiden freien Wochen bis zum Heimspiel gegen Hammelburg (20.2.) nun irgendwie aufrichten. Sein Jugendtraining hat er deshalb an einen Kollegen abgegeben, außerdem gibt es Überlegungen, ihm den ehemaligen ASV-Coach Klaus Dammann oder Jugendtrainer Hubertus Golf kurzfristig zur Seite zu stellen.

Immerhin gibt es auch eine gute Nachricht: ASV-Diagonalspieler Sascha Ziskins geht es besser. Er war gegen Mainz mit Libero Martin Carinelli zusammengeprallt, seine Platzwunde wurde im Mainzer Uniklinikum geklebt.

© SZ vom 09.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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