Volleyball:Abgekühlter Hitzkopf

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Patrick Steuerwald, einst Zuspieler in Herrsching, trifft mit Frankfurt auf sein ehemaliges Team. Als neuer Co-Trainer Österreichs handelt er weniger aus dem Bauch heraus. Explosiv ist er immer noch.

Von Katrin Freiburghaus

Der Anstand gebietet es, über Ehemalige keine bösen Worte zu verlieren. Das gilt für Freunde wie für Angestellte, und beim nach wie vor eher mäßig bezahlten Liga-Volleyball in Deutschland ist ein ehemaliger Spieler ja irgendwie immer ein bisschen beides. Doch wenn ehemalige Kollegen und Trainer über Patrick Steuerwald sprechen, den mit 1,80 Meter relativ kleinen, aber sprunggewaltigen Zuspieler, dann klingen die warmen Worte stets aufrichtig und die Wiedersehensfreude ist groß. Steuerwald hat bislang auf jeder seiner Karrierestationen seine Leistung gebracht. Zurzeit tut er das in Frankfurt, wo er in den ersten Saisonspielen als Antreiber und gereifter Ballverteiler glänzte.

Am Samstag (19.30 Uhr, Frankfurt) ist der 31-Jährige, der vor der Saison von Herrsching an den Main gewechselt ist, erstmals Gegner des TSV. Bekannte Gesichter auf der anderen Seite des Netzes sind für ihn nichts Neues, es war nicht sein erster Vereinswechsel. Steuerwald spielte in Berlin, Unterhaching - dessen deutsch-österreichisches Erstliga-Projekt Alpenvolleys übrigens am Sonntag in Innsbruck gegen Düren spielt - und Herrsching, außerdem in Frankreich, Italien und Polen. Im Sommer trug der 125-malige deutsche Nationalspieler sogar in einem Länderspiel ein neues Trikot - als Co-Trainer der österreichischen Nationalmannschaft, die 3:1 gegen Deutschland gewann. "Das war ein bisschen komisch", gibt er zu, bei der Hymne habe er sich "auf die Zunge gebissen" - was man auch auf manchen Bildern unschwer erkennen konnte. Davon abgesehen kennt der Schwarzwälder Steuerwald mittlerweile in so ziemlich jedem Verein eine Handvoll Leute. "Das blendet man für das Spiel dann mal aus", sagt er.

Seit er sie kennengelernt habe, bemerke er "ein bisschen mehr Sensibilität für die Trainerseite"

Dass er überhaupt noch einmal gegen Herrsching spielen würde, überraschte Steuerwald im Sommer allerdings selbst. "Ich habe gemerkt, dass ich doch noch mal Lust habe, ein bisschen weiter oben anzugreifen, nur deshalb war ich überhaupt offen für eine Offerte", sagt der Vater einer Tochter, "im Jahr davor hätte jeder kommen können - ich wäre in Herrsching geblieben." Im Frühling kam dann nicht irgendjemand, sondern Michael Warm, Nationaltrainer in Österreich und Coach der United Volleys aus Frankfurt. Er trainierte Steuerwald in der Junioren-Nationalmannschaft und in Berlin und wollte ihn zunächst gar nicht als Spieler, sondern als Assistenten verpflichten, weil er davon ausging, "dass wir ihn aus Herrsching sowieso nicht loskriegen, weil er sich da privat so wohlfühlt".

Steuerwald, der sich nach abgeschlossenem Studium in der Ausbildung für den A-Trainer-Schein befindet, nahm erst das eine - und dann auch das andere Angebot an, was nicht nur im Volleyball ein Kuriosum ist. Den gemeinsamen Sommer mit seinem künftigen Trainer empfand er als sehr bereichernd. "Wir haben sehr ähnliche Ansätze und ein ähnliches Spielverständnis", sagt er über Warm, "aber er weiß jetzt noch genauer, wie ich denke, und bei mir ist dadurch, dass ich sie mal erlebt habe, auch ein bisschen mehr Sensibilität für die Trainerseite da."

Obwohl Steuerwalds Rollen für Österreich und in Frankfurt grundverschieden sind, ist der Grund, weshalb ihn Warm unbedingt auch nach Frankfurt holen wollte, ähnlich. Warms Projekt, hochbegabte deutsche Nachwuchsspieler in der Bundesliga an das internationale Niveau heranzuführen, braucht sichere Stützen auf dem Feld. Nachdem Christian Dünnes das Team vorzeitig als Sportdirektor in Richtung Verband verlassen hatte, war dessen Rolle vakant. "Wir brauchten wieder jemanden, der spielerisch gut genug und zusätzlich in der Lage und willens ist, junge Spieler zu führen", sagt Warm.

Mitreißen und motivieren konnte Steuerwald schon immer, seine Explosivität auf dem Feld und seine Lust an der Debatte waren für Herrschings Trainer Max Hauser ein wesentlicher Faktor bei seiner Verpflichtung. Wenn Steuerwald über das Ziel hinausschoss, kommentierte Hauser trocken, dass er ihn "dafür schließlich geholt" habe. "Aber früher hat er viel aus dem Bauch gemacht", sagt Warm, "er unterscheidet mittlerweile viel besser, welche Emotion gerade wichtig ist." Sowohl Warm als auch Hauser kennen sich mit Steuerwalds Spiel aus. Die Frage, wer das besser für sich nutzen kann, dürfte am Samstag mitentscheidend dafür sein, wie groß die Wiedersehensfreude bei Herrsching ausfällt. Ein großes Handicap haben die Oberbayern allerdings schon jetzt: Ihr polnischer Außenangreifer Slawomir Zemlik hat sich laut Hauser beim Heimsieg gegen Lüneburg das Kreuzband gerissen und fällt für den Rest der Saison aus.

© SZ vom 04.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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