Volleyball:Ab unter die Decke

Lesezeit: 3 min

Vor dem Berlin-Duell steht wieder Herrschings kleine Halle im Fokus

Von Julian Ignatowitsch, Herrsching

Ganz Herrsching scheint an diesen Abenden auf den Beinen zu sein. Wenn sich am Samstag wieder ein Menschenstrom durch die dunklen, engen Straßen des Ortes zur kleinen Turnhalle neben der Schule bewegt, hofft TSV-Manager Fritz Frömming auf seinem reservierten Platz drinnen, dass nicht allzu viele Fans umkehren müssen. "So wie im vergangenen Jahr", erinnert er sich. Bei hochkarätigen Spielen bekamen Hunderte kein Ticket mehr. "Einerseits natürlich gut, wenn wir ausverkauft sind", sagt Frömming, "andererseits könnten wir viel mehr Karten verkaufen. Und wir wollen natürlich niemanden wegschicken." Gegen Berlin am Samstag (19 Uhr) wird das aber wohl wieder der Fall sein.

Es geht einmal mehr um die Nikolaushalle, Heimspielort des Volleyball-Erstligisten TSV Herrsching, die nur 1000 Zuschauer fasst. Der Verein spielt dort mit Ausnahmegenehmigung: die Decke zu niedrig, die Tribünen zu klein. Die Verantwortlichen sind auf der Suche nach einer Ersatzlösung für die kommende Saison. "Wir arbeiten daran", sagt Frömming knapp, in den nächsten Wochen werde es neue Informationen geben. Gerne wäre Herrsching schon jetzt für die Saison-Höhepunkte, wie die Duelle gegen Berlin oder Friedrichshafen, an einen anderen Ort ausgewichen, um der Nachfrage gerecht zu werden. "Wir haben in ganz München nichts gefunden", fasst Frömming ernüchtert zusammen. Die Olympiahalle ist wochenends mit Konzerten belegt, das Eisstadion entspricht nicht den Anforderungen der Liga, in der Basketballarena erteilt der FC Bayern den Volleyballern keine Spielerlaubnis, und Unterhaching ist ebenfalls keine Option. "Also bleiben wir daheim", sagt Frömming trotzig.

Die Herrschinger zeigen sich beim Dauerthema Halle desillusioniert. Trainer Max Hauser hat gar den Glauben in die "Problemlösungskompetenz der Politik" verloren, wie er vor der Saison sagte. Bürokratische Hürden machten eine Lösung fast unmöglich. Hauser schweigt mittlerweile dazu, "sonst rege ich mich nur auf, und ich habe mich darüber schon genug aufgeregt". Der Klub stößt an seine Grenzen. Im Moment dürfte die wahrscheinlichste Variante sein, dass die Volleyball-Liga Herrschings Ausnahmegenehmigung verlängert - und der Verein weiterhin in der Nikolaushalle bleibt.

Sportlich ist das durchaus ein Vorteil. Denn gerade Spitzenteams wie Berlin tun sich beim Gastspiel am Ammersee traditionell schwer, was auch Hauser nicht entgangen ist. "Wir können sie ärgern", weiß er. Die Enge, die kurzen Auslaufzonen und die extreme Lautstärke sind für Gäste ungewohnt, für Herrsching Alltag. So hat der Außenseiter, dessen Etat gerade mal ein Sechstel der Berliner Vereinskasse ausmacht, in den vergangenen Jahren zu Hause immer gut gegen den Meister mitgehalten. "Sie spielen sicher nicht sechsmal so gut wie wir", frotzelt Frömming. Die Berliner haben in dieser Saison noch keinen Satz verloren, allein ihre Ersatzbank ist teurer als die erste Sechs der Oberbayern. "Der Abstand ist aber zumindest nicht größer geworden", meint Frömming. Tatsächlich stehen Herrschings Chancen auf einen Punktgewinn, also zwei Satzgewinne, wohl so gut wie nie.

Der TSV hat einen starken Saisonstart hingelegt, mit zwei Siegen gegen die Netzhoppers KW (3:0) und in Rottenburg (3:2) plus dem Pokalpflichtsieg in Aachen. Auf manchen Positionen hat Hauser - ganz ungewohnt - die Qual der Wahl, etwa auf der Diagonalposition. Dort macht der junge Johannes Kessler dem Trainer von Tag zu Tag mehr Freude und Julius Höfer den Platz streitig. Neuzugang Tom Strohbach findet sich bereits gut im Team zurecht, dazu steht der eigentlich gesetzte (und noch angeschlagene) Matt Tarantino kurz vor seinem Debüt. "Berlin kommt aber noch zu früh für ihn", legt Hauser fest. Als Schlüssel im Berlin-Spiel sieht er "den Aufschlag", gerade in diesem Bereich hatte die Mannschaft zuletzt geschwächelt und entsprechend während der Woche im Training daran gearbeitet.

Bleibt die Frage, ob die Recycling Volleys in Anspielung auf ihren Sponsor vom Hallensprecher wieder im Müllmann-Outfit empfangen werden. Und ob ein Berliner vielleicht gar im Herrschinger Wiesn-Trikot anreist. Der Australier Paul Carroll hat vergangene Saison eins der extravaganten Leibchen erworben. "Er sollte trotzdem auf der richtigen Seite auflaufen", scherzt Frömming. "Denn wir können ihn nicht bezahlen." Dazu müssten die Herrschinger viel mehr Eintrittskarten verkaufen.

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: