Volleyball:360-Grad-Meister

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Ausnahme-Jahrgang: Noch nie war die Bilanz der Volleyball-Jugend aus der Region so gut wie 2017. Neben den etablierten Klubs glänzt der Turnerbund München.

Von Sebastian Winter, München

Schön verteilt sind sie, die Nachwuchs-Volleyball-Leuchttürme in der Region: Grafing im Osten, Lohhof im Norden, Dachau im Nordwesten, Unterhaching im Süden, - und der Turnerbund mitten in München. Sie alle haben in diesem Jahr Medaillen bei deutschen Meisterschaften gewonnen - so gut war die Bilanz der Regionstalente noch nie. Es tut sich etwas im Randsport in und um die Metropole München, der hier auch bei den Erwachsenen so gut vertreten ist wie sonst wohl allenfalls noch in Berlin. Aber es gibt auch vielfältige Probleme. Ein Überblick zum ereignisreichen Frühsommer 2017.

TSV Turnerbund München

Beim Überraschungsklub TSV Turnerbund München wissen sie ganz gut, wie man deutscher Meister wird - der Verein ist direkter Nachbar des FC Bayern an der Säbener Straße. In dessen Schatten wächst seit Jahren eine starke Volleyballmädchen-Gruppe heran - die Mitte Juni den bislang größten Erfolg der Vereinsgeschichte feierte. Die U14 des TSV wurde in Gladbeck deutscher Meister. Einen Satz gab das Quartett ab (bei der U14 wird noch vier gegen vier auf ein kleineres Feld mit niedrigerem Netz gespielt), im ersten Spiel gegen den späteren Zweiten Borken-Hoxfeld. Die TSV-Mädchen hatten zuvor ihre Pfingstferien geopfert, viel trainiert und ein Vorbereitungsturnier in Wiesbaden bestritten.

Der Coup des Turnerbundes, ansonsten eher ein eher kleiner Fleck auf der Volleyball-Landkarte, ist auch mit einem Namen verbunden: Trainerin Birgit Gußmann. Gußmann, bald 70, ist seit 24 Jahren im Verein. 2008 führte sie die Mädchen zu DM-Platz zwei. Der 2004er Jahrgang ist der bislang stärkste, die DM-Siegerinnen Charlotte Körber, Ella Peters, Celine Jebens und Emily Moreno Schmid gelten als große Talente. Jebens und Moreno Schmidt gehen auf die Münchner Eliteschule des Sports. Die U14 spielt künftig als VC Olympia Turnerbund München in der Frauen-Landesliga, als Ausbildungsstützpunkt wird der Klub besonders gefördert.

Ihre großen Hallenprobleme haben sie mittlerweile überwunden, seit die Halle am Theodolinden-Gymnasium neu gebaut wurde. Dort klappt auch die Kooperation Schule-Verein sehr gut. Nur nicht mehr mit Birgit Gußmann, die auf dem Höhepunkt aufhört. "Ich habe heuer Tag und Nacht ausgetüftelt, wer auf dem Feld wo steht. Jetzt habe ich mein Soll erfüllt", sagt sie. Veronika Kettenbach folgt ihr nach, die ehemalige Lohhoferin, die in München lebt. 25 ist sie erst. Gerhard Eberl, Macher und Stützpunktleiter beim TSV Turnerbund, hat also auch am Spielfeldrand keine Nachwuchsprobleme.

SV Lohhof

Talent am Aufschlag: Annika Kraft bei der gelungenen Heim-DM von Lohhofs U16-Volleyballerinnen. (Foto: Claus Schunk)

Der SVL gilt immer noch als der Ausbildungsverein für Volleyballtalente in der Region - im weiblichen Bereich, versteht sich. Sieben Frauen-Mannschaften, Leistungsstützpunkt, viele eigene Talente, die es über die Jahre ins eigene Zweitliga-Team geschafft haben - übrigens haben auch die Malescha-Brüder Daniel (Nationalmannschaft, VfB Friedrichshafen) und Florian (TSV Herrsching) in Lohhof angefangen. Größter Erfolg in diesem Jahr ist sicher der DM-Titel für die U-18-Juniorinnen, durch einen knappen 2:1-Finalsieg über Emlichheim. Eine stach dabei besonders heraus: Carina Malescha, was kaum verwundert bei ihren Erbanlagen. Sie steht auch deshalb für diesen Verein, weil sie künftig fest zu Lohhofs Zweitliga-Kader gehört. Auch die Ausrichtung der deutschen U-16-Meisterschaft bezeichnet Abteilungsleiter Matthias Kock als "großen Erfolg, wir haben viel Lob von Verbandsseite bekommen", auch wenn es sportlich nur zu Platz 13 reichte. Lohhof lebt von vier Kooperationen mit Grundschulen und seinem Sport-nach-1-Konzept, außerdem gibt es einen guten Austausch auch mit dem Turnerbund München. Größtes Problem ist nach wie vor die Trainersuche, "also jemanden zu finden, der auch an unzähligen Wochenenden, für die er kein Geld bekommt, in der Halle steht", sagt Kock.

TSV Grafing

Die U14: DM-Dritter. Die U18: DM-Dritter, dazu gewann sie gerade erst die United World Games in Klagenfurt, eines der weltweit populärsten Jugendturniere. "Diese Saison gehört zu den erfolgreichsten in der Abteilungsgeschichte", sagt Grafings Manager Johannes Oswald. Die U18 scheiterte in Bitterfeld-Wolfen erst im Halbfinale am Berliner TSC, der im Finale dann seinerseits dem ASV Dachau unterlag. "Das ist ein toller Jahrgang, eine sehr intakte Gruppe - und ein Talentebassin für unsere Zweitliga-Männer", sagt Oswald. Kommende Saison spielt die U18 geschlossen in der Männer-Bayernliga. Grafings strenger Jugendleiter Rudi Obermair und U-18-Trainer Christian Dorrer sind zwei Garanten für den Erfolg. Aus dem Team sticht Daniel Kirchner heraus, der 17-Jährige war letzte Saison das Küken der Zweitliga-Männer.

Grafing hatte viele Jahre Nachwuchsprobleme, doch die Arbeit am bayerischen Leistungsstützpunkt fruchtet mittlerweile. "Wir haben inzwischen ein durchgehendes System an U-Mannschaften", sagt Oswald. Doch den TSV plagen durchaus Probleme: Gerade bei der U12 und U14 "tun wir uns schwer, qualitativ gute Spieler zu rekrutieren", sagt Oswald. Außerdem ist ihre Jahnsporthalle komplett ausgelastet, das Geld und der Wille der Stadt für einen Neubau fehlen bislang. Nur einer der Gründe, warum Oswald sagt: "Grafing wird mittel- und langfristig nicht in die erste Liga aufsteigen." Beim TSV sehen sie sich eben als Ausbildungsverein für die zweite Liga, wo bald auch ein gestandener Erstligamann für sie spielt: der ehemalige Herrschinger Julius Höfer. Wie so viele im Klub ist er einer, der Volleyball und Studium kombinieren möchte. Und einer, zu dem der TSV-Nachwuchs aufschauen wird.

ASV Dachau

Wirkliche Spitzenjahrgänge gibt es im Volleyball so selten wie beim Wein, umso erstaunlicher ist die Geschichte des ASV Dachau. Binnen drei Jahren gewannen dessen U14, U16 und U18 drei deutsche Meistertitel. Dieses Jahr war es die U18, die den Pokal holte, die U16 und U20 (nach dem verlorenen Finale bei Gastgeber Unterhaching) erreichten immerhin jeweils Platz zwei. Beim Traditionsklub blüht die Jugend wieder auf, just ein Jahr, nachdem die leicht angestaubte erste Herrenmannschaft aus der zweiten Liga abgestiegen ist. Das eine bedingt das andere. Künftig betreut der als Jugendförderer bekannte Dominic von Känel, 23, die Drittliga-Mannschaft, die sich fast komplett aus der U20 speist, mit Schlüsselspielern wie Benedikt Sagstetter, Sebastian Hartmann, Simon Pfretzschner oder Vincent Graven. Ihr Bester, Lukas Pfretzschner, macht sich nicht nur am Samstag auf nach China zur U-21-WM der Beachvolleyballer - Ende August zieht er der besseren Perspektiven wegen an den Bundesstützpunkt Berlin.

In von Känel, Sepp Wolf, Torsten Schulz und Hubertus Golf hat der ASV überaus engagierte und fachkundige Jugendtrainer, zudem gilt die Kooperation mit dem ortsansässigen Ignaz-Taschner-Gymnasium als vorbildlich. Der große Spagat wird nun für die Dachauer sein, ihre so erfolgreichen Junioren vorsichtig an die dritte Liga heranzuführen - und bei den Männern zumindest mittelfristig wieder erfolgreicher zu sein. Denn das klare Ziel bleibt der Zweitliga-Aufstieg.

TSV Unterhaching

Starker Spielgestalter: Eric Paduretu gewann mit Unterhaching die deutsche U-20-Meisterschaft. (Foto: Claus Schunk)

Neuer deutscher Meister, und das nach einem Finalsieg gegen den Lokalrivalen Dachau - noch dazu in eigener Halle. Unterhachings U-20-Junioren erfüllten sich und ihrem Trainer Mihai Paduretu einen großen Traum. Vieles ist in Bewegung in Unterhaching, nicht nur beim neuen deutsch-österreichischen Erstligaprojekt gemeinsam mit Innsbruck. Die Hachinger haben mittlerweile eine starke Jugend, die auch auf der Kooperation mit der Kaderschmiede VC Olympia München basiert, die früher in Kempfenhausen ansässig war - und nun beste Bedingungen an der neuen Eliteschule des Sports hat. Spieler wie Max Bibrack, Christoph Mattes, Christian Starosczik oder Paduretus Sohn Eric sind Garanten für den Erfolg, der neben dem TSV-Geschäftsführer und Jugendtrainer Paduretu aber auch Huib den Boer zu verdanken ist. Hachings früherer Erstliga-Zuspieler formte die Jugend, bis er 2014 gehen musste, als Haching mangels eines Hauptsponsors von der Bildfläche verschwand. "Damals hat sich eine Clique gebildet, ein starker, hungriger Jahrgang", sagt Paduretu, der in den vergangenen Jahren mehrere Jugend-Kooperationen mit anderen Regionsklubs anstrebte, die aber nicht zustande kamen. Zwar hat der TSV bei der U16 "noch eine Lücke", wie Paduretu sagt, aber die U12 bis U14 sei sehr gut. Und manche U-20-Spieler können sich schon mental auf die zweite Liga vorbereiten, in die der TSV ja auch aufgestiegen ist.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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