Volleyball:2,12 Meter große Hoffnung

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Felix Lesche, 16, ist in eineinhalb Jahren vom Anfänger zum Auswahlspieler avanciert - als Mittelblocker ist er kaum zu überwinden

Von Anna Carina Bauerdorf, Berg

Ein sonniger Montag am Starnberger See. Die Strahlen glitzern auf den Wellen, weiße Segelboote dümpeln auf dem Wasser. Felix Lesche, dunkle Haare, dunkle Augen, hat sich auf die Steine am Ufer gesetzt und die langen Arme um die Knie geschlungen. Ein bisschen unbeholfen sehen seine Bewegungen aus, als wüsste er nicht so recht, wohin mit seinen Gliedmaßen. Felix Lesche ist erst 16 Jahre alt - und 2,12 Meter groß. Zum Vergleich: Basketballer Dirk Nowitzki misst 2,13 Meter.

Felix Lesche ist kein Basketballer, sondern Volleyballer. Den Starnberger See nennt er seit etwa einem Jahr sein Zuhause. Er wohnt im Internat des Landschulheims Kempfenhausen, dessen Gelände direkt ans Seeufer grenzt. Viel Zeit, die Landschaft zu genießen, hat er nicht. Kempfenhausen ist nicht nur ein Internat, sondern einer von vier Bundesstützpunkten, die vielversprechende Talente fördern. Ferdinand Tille, der nächste Saison den Erstligisten TSV Herrsching verstärkt, hat seine Karriere dort begonnen, auch der ehemalige Nationalspieler Jonas Umlauft.

Lesche ist also, so oder so, ein großes Talent. Dass in ihm ein derartiges Potenzial steckt, hätte er allerdings vor eineinhalb Jahren selbst noch nicht gedacht.

Damals war er von einem Schulfreund in seinem Heimatort Olching überredet worden, doch einmal mit zum Volleyballtraining zu kommen. "Er dachte, von der Größe her könnte es passen", erinnert sich Lesche. Im Alltag wird er oft angestarrt, oder es kommen Kommentare, er solle doch den Kopf einziehen, um nicht gegen den Türrahmen zu stoßen. Eigentlich sei er aber stolz darauf, so groß zu sein, sagt er. Die Tür zum Volleyballspielen öffnete sich ihm dadurch, bei ebenjenem Training.

Bei seinem ersten Verein blieb er nicht lange, schon nach einem Monat gehörte er zur Bayern-Auswahl, die auf dem Gelände des VCO Kempfenhausen trainiert. Für Felix Lesche bedeutete das dreimal in der Woche jeweils zwei Stunden Fahrtzeit von Olching an den See und zurück. Das wurde irgendwann zu viel. Deswegen also der Wechsel ins Volleyball-Internat. Jeden Tag fünf Stunden Schule, Studierzeit, zweieinhalb bis drei Stunden Training - "wobei das Training eigentlich wie Freizeit ist", sagt Lesche. Auch an den Wochenenden bleibt nicht viel Zeit für Entspannung, da spielt der Schlaks mit seinem Team in der dritten Liga Ost. Der VCO Kempfenhausen spielt außer Konkurrenz, kann also weder auf- noch absteigen, obwohl die Mannschaft die abgelaufene Saison auf dem letzten Platz abgeschlossen hat. Die Platzierung ist nebensächlich, vielmehr sollen die Talente an das Niveau der Bundesliga herangeführt werden. Für Lesche, der nach eineinhalb Jahren Volleyball eigentlich immer noch Anfänger ist, ist diese durchaus umstrittene Regelung besonders nützlich.

Es ist ein zeitaufwendiges, intensives neues Leben für jemanden, der eigentlich immer nur ein bisschen Rettungsschwimmen gemacht hat und ab und zu ins Fitnessstudio gegangen ist. Früher hat Lesche gerne und viel gezeichnet, heute ist er abends nach dem Training einfach zu müde, um noch den Stift in die Hand zu nehmen. Nichtsdestotrotz liebt er dieses neue Leben. "Jeder, der mit Leidenschaft in seinem Sport dabei ist, wird das nachvollziehen können", sagt er.

Am Volleyball gefällt ihm vor allem der Gedanke, dass man im Team arbeiten kann und gemeinsam alles versucht, um zu gewinnen. Beim Rugby beispielsweise sei es das Ziel des Gegners, ihm wehzutun, das könne er nicht ganz nachvollziehen, sagt Lesche. Mit seinen Teamkameraden versteht er sich trotz des Konkurrenzkampfes gut. Man hocke eben jeden Tag aufeinander, da habe man gar keine andere Wahl als sich anzufreunden. Technisch haben ihm seine Freunde aber noch einiges voraus: "Wegen meiner Größe haben mich die Trainer einfach ans Netz gestellt und gemeint, die Annahme lerne ich schon noch irgendwann." Für Stützpunktcoach Peter Meyndt ist es verständlich, "dass ihm noch ein wenig das Ballgefühl fehlt, er ist schließlich nicht mit dem Ball aufgewachsen. Dafür ist er sehr leistungsmotiviert, gibt im Training immer hundert Prozent. Ich bin froh, ihn zu haben." Denn im Mittelblock, dort, wo Hünen gebraucht werden, ist Felix Lesche beinahe unbezwingbar. Das sieht auch Bundestrainer Vital Heynen. Vergangenes Jahr, als Lesche mit der Bayern-Auswahl beim Länderpokal spielte, haben sich die beiden mal unterhalten. Auch hier war seine auffällige Größe ein Thema. "Er meinte, die Größe wäre gut, und dass ich am Ball bleiben soll", erzählt Felix Lesche. Viel Zeit, die Sonne am See zu genießen, wird er wohl auch in Zukunft nicht haben.

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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