Volleyball:0:3 zum 30. Geburtstag

Lesezeit: 3 min

Kein Durchkommen gegen die sechshändige Wand: Herrschings Bryan Fraser scheiterte nicht nur einmal am hohen Block der Alpenvolleys. (Foto: imago/Oryk Haist)

Herrsching ist gegen die Alpenvolleys chancenlos. Während sich der Tabellenführer auf Friedrichshafen freut, bahnt sich am Ammersee ein Transfercoup an.

Von Sebastian Winter, Herrsching

Nach dem Spiel wurde es festlich, ein großer Geburtstagskuchen schwebte auf Händen in die Nikolaushalle hinein, 30 Kerzen brannten darauf, sie brannten für: Ferdinand Tille. Der Libero der WWK Volleys Herrsching hatte am Samstag seinen runden Geburtstag, und er legte dann alle Kraft hinein in seinen Atem, um die Kerzen auf einmal auszupusten. Es gelang auf Anhieb, die 1000 Zuschauer sangen ihm ein Ständchen, und man fragte sich: War es nur Kraft oder auch richtige Wut, die in Tilles Puste steckte? Denn wütend war er ein paar Minuten vorher ohne Zweifel noch gewesen.

Das Spiel gegen die Hypo Tirol Alpenvolleys Haching hatte Tille in diesen Aggregatszustand versetzt, der seinem Tage eigentlich gar nicht angemessenen war. Die Herrschinger, nunmehr Tabellensiebter der Volleyball-Bundesliga, hatten das Derby ja auch recht klar mit 0:3 (19:25, 23:25, 22:25) gegen die Alpenvolleys verloren, die nun weiter ungeschlagener Spitzenreiter sind. Im ersten Satz hatte Herrsching trotz seiner Heimstärke noch wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange gewirkt und den Respekt vor dem hohen Block der Gäste nicht ablegen können. Danach lief es etwas besser für die Mannschaft von Max Hauser, aber doch nie so, dass sie sich mal hätte absetzen können in diesem durchaus ansprechenden Duell. "Wir waren im Block oft zur falschen Zeit am falschen Ort und haben im Angriff die einfachen Bälle nicht gemacht", sagte Tille.

Der 165-malige Nationalspieler selbst musste sich keine Vorwürfe machen, denn er hielt dem erwarteten Aufschlag- und Angriffsfeuerwerk der Alpenvolleys noch am ehesten stand. Aber auch Tille musste einsehen, dass die Gäste an diesem Abend zu stark waren. Allein neun Asse schlugen sie, vor allem die Außenangreifer Hugo da Silva und Pawel Halaba zeigten dort ihre gewaltigen Fähigkeiten. Sie überlisteten zudem den TSV-Block im Angriff viel zu oft nach Hausers Geschmack. Herrschings Außenangreifer Tim Peter konnte noch einigermaßen dagegenhalten, sein Kollege Bryan Fraser sah aber auf dieser Position kein Land gegen den starken Alpenvolleys-Block, der neunmal direkt punktete.

Zwei weitere Unterschiede, die ihren Teil zur Niederlage Herrschings beitrugen: Hachings Diagonalmann Kirill Klets nähert sich nach großen Anlaufschwierigkeiten seiner Topform, mit 20 Punkten war der Russe mit Abstand bester Scorer auf dem Feld. Sein Herrschinger Pendant Nicholas West kam auf sieben Zähler - für seine Position eine viel zu geringe Ausbeute. Und auch im Zuspiel war das Leistungsgefälle deutlich: Danilo Gelinski zeigte bei den Alpenvolleys einmal mehr, dass er mit seiner starken Passverteilung zu den besten seiner Zunft in der Liga gehört. Die Streuung der Pässe bei Herrschings Johannes Tille war stärker, die Präzision fehlte mitunter, was auch der schwankenden Annahme geschuldet war. Und so klang der Satz von Gästecoach Stefan Chrtiansky, "wir waren heute ein bisschen besser", ein bisschen wie höfliches Understatement eines slowakischen Gentlemans.

Im zweiten und dritten Satz fehlten Herrsching zwar nur Nuancen zum Erfolg, aber auch dort behielten am Ende nicht sie, sondern die Profis der Alpenvolleys die Nerven. Als der TSV beim 21:20 im zweiten Satz zum ersten Mal überhaupt in Führung ging, lobte Fraser kurze Zeit später den Ball ins Netz - den Satzball verwandelte Halaba mit einem so trockenen wie für den Gegner ernüchternden Ass. Im dritten Satz war Herrsching ebenfalls auf Augenhöhe, führte mit 20:19, doch dann schlug der wieder starke Mittelblocker Alpar Szabo den Ball erstmals in den Einerblock von Douglas Duarte da Silva. Man spürte förmlich, wie Herrschings Kampfgeist daraufhin erlosch. Nicholas Wests Sprungaufschlag ins Aus besiegelte die Niederlage. Das Ende passte zu diesem Abend, den Hauser so zusammenfasste: "Dort stehen halt eineinhalb Millionen Euro auf dem Feld, und bei uns 200 000."

Die Alpenvolleys frohlocken nun schon vor dem Spitzenspiel gegen den Tabellenzweiten Friedrichshafen am kommenden Sonntag (17 Uhr) in Unterhaching. "Die Mannschaft spürt, sie ist stark. Warum sollte sie also nicht auch eine Chance haben, Friedrichshafen zu schlagen", sagte ihr Manager Hannes Kronthaler. Bei einem 3:0 oder 3:1 wären die Alpenvolleys dem Pokalsieger vom Bodensee schon vier Punkte enteilt, obwohl sie ein Spiel weniger absolviert haben. Herrsching hingegen hat am Sonntag das schwere Spiel in Frankfurt vor sich, und kurz vor Weihnachten ein Schlüsselduell gegen den direkten Playoff-Platz-Konkurrenten Königs Wusterhausen.

Angreifer Artem Sushko ist aus Südkorea zurück - und schaute sich das Spiel in der Halle an

Vielleicht ist dann schon ein neuer, alter Name im Kader zu finden. Denn in der Halle wurde am Samstag ein gewisser Artem Sushko gesichtet, eigentlich Herrschings wichtigster Zugang, der dann kurz vor Saisonbeginn von einem südkoreanischen Klub weggekauft wurde. Bei Suwon steht er aber nicht mehr im Kader. Die Herrschinger haben zugleich offenbar ihren immer noch heißen Draht zu Sushko, dessen Familie sich ohnehin am Ammersee sehr wohl gefühlt hatte, genutzt. Das Transferfenster ist offen, Sushko wäre die dringend notwendige Verstärkung im Angriff, den Trainer Hauser als zu wenig durchschlagskräftig empfindet. Wobei noch unklar ist, wann der Russe spielberechtigt ist, offenbar gibt es noch einige Formalia zu klären.

Jedenfalls war Sushko auch Teil der Party, die Ferdinand Tille abends noch in seiner Wohnung in München feierte. Neben rund 50 weiteren Gästen - auf 80 Quadratmetern. Der 2,02-Meter-Mann wird übrigens an Heiligabend 25. Es wäre eine fast zu kitschige Weihnachtsgeschichte, wenn Sushko einen Tag vorher im Heimspiel gegen Königs Wusterhausen doch noch seinen Einstand geben würde.

© SZ vom 10.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: