Turnen:Vorstellungstermin beim Meister

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Mit vier Turnern unter 18 Jahren kann das Team Exquisa Oberbayern zum Zweitliga-Auftakt nur Erfahrungen sammeln. Immerhin: Der 17-jährige Belgier Noah Kuavita gibt ein beeindruckendes Debüt.

Von Andreas Liebmann, Unterhaching

Auf den ersten Blick hätte es sich auch um die Showtanzgruppe "Chippendales" handeln können: Neun junge Männer hatten sich da im März zum Gruppenfoto aufgereiht, alle oben ohne, die beachtlichen Brust- und Bauchmuskeln angespannt. Nur ein paar Kleinigkeiten passten nicht ganz: der Barren, unter dem sie standen; eine (natürlich voll bekleidete) Physiotherapeutin am Bildrand; und auch das Gesicht des kleinsten Mannes vorne in der Mitte, das man aus dem Fernsehen kennt: Fabian Hambüchen. Der Reck-Olympiasieger war zu Gast gewesen beim Teamtraining von Exquisa Oberbayern, jener Zweitliga-Turngemeinschaft, zu der auch der TSV Unterhaching zählt. Und natürlich gab es davon ein Erinnerungsfoto.

Ein Vierteljahr später ist ein solches Erinnerungsfoto eigentlich nicht mehr nötig, denn inzwischen haben sich die Turner des Teams Oberbayern auch so an Hambüchens Anblick gewöhnt. Der 29-Jährige ist inzwischen regelmäßig zu Gast in Unterhaching. Nach einer Schulteroperation absolviert er in München seine Reha. Er teilt sich eine Wohngemeinschaft mit dem Hachinger Turner Tassilo du Mesnil und übt bereits wieder Sprung- und Boden-Elemente. "Er kommt mehrmals pro Woche", erzählt du Mesnil. "Für uns ist das eine Motivation." Und mehr als das: "Man kann sich auch gute Tipps von ihm holen."

Inwieweit diese helfen, wird sich bis Ende November zeigen, denn so lange dauert die etwas zerrupfte Saison in der zweiten Bundesliga Süd, die bereits am Samstag begonnen hat: Exquisa Oberbayern unterlag nicht ganz unerwartet beim Vorjahresmeister Stadt-Turnverein Singen mit 2:10 Gerätpunkten. Nächsten Samstag folgt gegen die TG Allgäu der erste Heimwettkampf in Unterhaching, der dritte der sieben Wettkampftage findet dann aber erst Mitte Oktober statt, im Anschluss an die Weltmeisterschaft in Montreal. "Es war schwierig, die ganzen Termine unterzubringen", erklärt TSV-Abteilungsleiter Oskar Paulicks.

Schwierig war auch die Saisonplanung für die Oberbayern. Deren langjährige Punktegaranten aus Ungarn, David Vecsernyes und Bank Selmeczy, haben in ihrer Heimat einen neuen Nationaltrainer bekommen - und seither keine Freigabe mehr für ausländische Ligen. "Zumindest vorerst", sagt du Mesnil, der auch für die Organisation im Team mitverantwortlich ist und deshalb am vergangenen Freitag zum Münchner Flughafen gefahren war, um jemanden abzuholen, von dem er bis dahin nicht recht viel mehr wusste als den Namen und das Alter: Noah Kuavita, 17 Jahre. "Er ist eins der größten Talente Belgiens", sagte du Mesnil. Es gab ein Youtube-Video von Trainingseindrücken des Teenagers, der Kontakt zu ihm war über einen Landsmann zustande gekommen - in der Deutschen Turn-Liga sind einige Belgier aktiv. Kuavita ist nun also einer derjenigen, die künftig anstelle der beiden routinierteren Ungarn an möglichst allen Geräten für Exquisa Oberbayern punkten sollen.

Seit Samstag weiß du Mesnil mehr über den Neuen. Mit 20 Scorerpunkten stellte er gleich mal den zweitbesten Wert der Liga auf, er gewann fünf seiner sechs Geräte. "Er hat ganz schön was gezeigt, auch schwierige Sachen", lobte du Mesnil, "und dabei war er gerade für sein Alter sehr stabil. Von dem wird man noch einiges hören."

Kuavita soll sich die Einsätze künftig mit Casimir Schmidt teilen, dem zweiten externen Zugang. "Ein echter Glücksgriff", da ist sich du Mesnil bereits sicher. Der 21-jährige Holländer ist für den ersten Heimkampf am nächsten Samstag fest eingeplant. Bei den Europaspielen in Baku 2015 hatte er Silber im Sprung gewonnen, kürzlich bei der Europameisterschaft in Cluj war er Elfter im Mehrkampf - nur einen Rang hinter Erstligaturner Philipp Herder und vier hinter Lukas Dauser, dem EM-Zweiten vom TSV Unterhaching, der in der ersten Liga für die KTV Obere Lahn antritt, allerdings Anfang Juni bei der deutschen Meisterschaft in Berlin einen Kreuzbandriss erlitt.

An sich waren die Unterhachinger dort sehr erfolgreich: Dauser hatte vor seiner Verletzung den Mehrkampf gewonnen und war Zweiter am Boden, Marcel Nguyen siegte an Barren und Ringen, Jakob Paulicks war Zweiter am Reck, Felix Remuta vergab am Sprung mit der letzten Landung Goldchancen und wurde Vierter. Doch sie alle turnen eben nicht mehr in der Liga für ihren Heimatverein. Der hat aktuell das Problem, dass immer wieder Leistungsträger studienbedingt für die Zweitliga-Wettkämpfe ausfallen, so wie zurzeit Jakob Glück, einer ihrer besten, der wegen Prüfungen zwei Wettkampftage abgesagt hat.

Wieder mal rückt Hachings Nachwuchs auf. Nach dem 16-jährigen Jonas Olbrich, der sich bereits in der vergangenen Saison zu einer Stütze des Teams entwickelt hat und am Samstag in Singen den einzigen nicht von Kuavita erturnten Punkt gewann, sollen nun die 17-jährigen Fabian Dauth und Samuel Dobrovsky folgen und an den ersten Geräten "reinschnuppern", wie Oskar Paulicks sagt. In Singen am Samstag kamen beide zum Einsatz, Dauth an Pferd, Barren und Reck, Dobrovsky an den Ringen. "Nächste Woche rechnen wir uns mehr aus", versicherte du Mesnil.

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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