Turnen:Sahnehäubchen ohne Kirsche

Lesezeit: 3 min

Zum Greifen nah war die Bundesliga-Aufstiegsrunde für Hachings Turner um Markus Müller. Letztlich mussten sie Pfuhl den Vortritt lassen. (Foto: Claus Schunk)

Die Turngemeinschaft Oberbayern verpasst knapp die Aufstiegsrunde zur ersten Liga.

Von Andreas Liebmann, Unterhaching

Es war bereits einige Minuten nach Mitternacht, als Oskar Paulicks auf "Senden" klickte. Die Turner des TSV Unterhaching hatten ein ereignisreiches Wochenende hinter sich, auch ihr Abteilungsleiter hatte also vermutlich etwas Zeit gebraucht, um all seine Gedanken zu sortieren. Die Hachinger Männer hatten am Samstag im Team Exquisa Oberbayern ihre Chance vertan, am letzten Wettkampftag in Pfuhl ihren zweiten Platz zu verteidigen und damit im Finalturnier aussichtsreich um den Aufstieg in die erste Bundesliga kämpfen zu dürfen. Und die Hachinger Frauen hatten ihr zweites Zweitligajahr am Samstag als Tabellenletzte auf dem einzigen Abstiegsplatz abgeschlossen - ein Wunder war ausgeblieben. In der Nacht auf Montag saß Paulicks also an seinem Rechner und schrieb: etwas völlig anderes.

In Paulicks' Pressemitteilung ging es um Marcel Nguyen, den zweimaligen Olympia-Silbermedaillengewinner von London 2012. Der hatte nämlich einige Tage zuvor den renommierten Memorial Arthur Gander Cup in Chiasso gewonnen, an Boden, Ringen, Sprung und Barren. Und dann war ihm am Sonntag gleich ein weiterer Sieg gelungen, beim Swiss Cup in Zürich. Vor 6700 Zuschauern bot er im Duett mit Elisabeth Seitz an Barren und Stufenbarren starke Leistungen. Für alle, die es nicht wissen: Auch Nguyen tritt nach wie vor für seinen Heimatverein Unterhaching an, nur in der Deutschen Turnliga startet er für die KTV Straubenhardt. Ähnlich verhält sich das mit den Erstligaturnern Lukas Dauser, Jakob Paulicks und Felix Remuta. Bei Oskar Paulicks ging es also nicht etwa um Verdrängung oder das Bemühen, nur positive Nachrichten zu verbreiten. Aus Vereinssicht gab es tatsächlich wichtigere Ereignisse als die Wettkämpfe der zweiten Liga. Zumal der Abteilungsleiter weder dem möglichen Erfolg der einen extrem entgegengefiebert, noch wegen des drohenden Abstiegs der anderen schlaflose Nächte durchlebt hätte. Ihm ist es - dieses Mantra wiederholt er ständig - nur wichtig, dass die vereinseigenen Talente eine gute Wettkampfplattform haben. Ob dies eine erste, zweite oder dritte Liga ist, sieht er als nachrangig an.

Insofern war also nicht viel geschehen am Samstag. Die Frauen waren nach den ersten drei Wettkampftagen, die bereits im Frühjahr stattgefunden hatten, abgeschlagene Tabellenletzte gewesen. Vor weniger als zwei Jahren hatten sie die Ligalizenz von der KTV Ries übernommen und waren auf Anhieb Dritte geworden, doch in dieser Saison hatte der Kader Probleme: Die ehemalige Bundeskader-Turnerin Tabea Landau kam nach langwierigen Rückenproblemen am Samstag überhaupt zu ihrem ersten Saisoneinsatz. Chiara Strecker, ebenfalls ehemalige Bundeskader-Athletin, hat ganz aufgehört mit dem Leistungssport. Und eine als Verstärkung geholte Spanierin hatte im Frühjahr derb enttäuscht. Am Samstag in Berlin wurden die Hachingerinnen - diesmal ohne ausländische Akteurin - einmal mehr Letzte. René Hahui und Tabea Landau teilten sich die vier Geräte, Chantal Altkrüger, Elena Engelhardt und Laura Hahnl turnten durch.

"Jeder hätte Bock gehabt auf den Ausflug in die erste Liga, alle hätten voll mitgezogen."

Mit ganz anderen Hoffnungen waren die Männer zum TSV Pfuhl gereist. "Jeder wusste, worum es ging", sagte Michael Bastier, der Kapitän der Wettkampfgemeinschaft Oberbayern. Erfolgsdruck hatten sie keinen, auch mit Rang drei konnten sie zufrieden sein. Doch vor der Saison hätten alle den Fall der Fälle durchgesprochen, mit dem Ergebnis: "Jeder hätte Bock gehabt auf den Ausflug in die erste Liga, alle hätten voll mitgezogen."

Am Ende stand es 8:4 für Pfuhl, auch nach Scorerpunkten waren die Gastgeber besser. Anstelle des jungen Briten Pavel Karnejenko, der als Neuling gleich einer der ligabesten Scorer wurde, setzten die Oberbayern diesmal den Niederländer Casimir Schmidt ein, der schon vor einem Jahr für sie turnte. "Er konnte wegen der WM nur diesen einen Wettkampf zusagen, das stand schon vor Saisonbeginn fest", erklärte Bastier. Außerdem sei er mit 23 etwas erfahrener als Karnejenko, auch wenn der bisher so stark performt habe. Mit 19 Punkten wurde Schmidt Liga-Topscorer des letzten Wettkampftages, doch für den Mannschaftserfolg genügte das nicht.

Schon am Boden gerieten die Gäste in Rückstand (4:9). "Das traf uns hart, weil es eins unserer stärksten Geräte ist", sagte Bastier. Patzer etwa von Tassilo Du Mesnil oder Jakob Glück zeigten, dass die Nerven doch angespannt waren. "Wir wussten aber, dass wir am Pferd richtig viel rausholen können." Das misslang, trotzdem blieb es spannend bis zum Schluss. Letztlich hätten sie "zu viele Fehler gemacht", so Bastier. Ein Aufstiegsfinale wäre "die Kirsche auf dem Sahnehäubchen" gewesen. In Sachen Plattform für Talente gab es dagegen Positives. Der Unterhachinger Felix Kriedemann, 16, trat in Pfuhl an Pferd und Barren an - und punktete an beiden Geräten. Seine Nerven hielten.

© SZ vom 20.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: