Turnen:Mit der Lizenz für Flugeinlagen

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Im Saisonfinale der Deutschen Turnliga will Drittligist USC München den Abstieg verhindern. Der TSV Unterföhring würde gerne seinen Platz einnehmen. Auf Legionäre verzichten beide

Von Andreas Liebmann, München/Unterföhring

Mauno Schelb musste los. An den Ringen konnte er noch turnen, die folgenden drei Geräte ließ er aus. Die Niederlage seines USC München war nicht aufzuhalten, und, wie das so ist: Sein Flieger wartete. Teammanager Thomas Ottnad kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er diese Anekdote erzählt: Schelb, mehrmaliger deutscher Hochschulmeister, sei der einzige gewesen, der mal eigens für einen Wettkampf eingeflogen sei, betont er. Man muss dazu wissen: Schelb ist Hobbypilot. Er war Ende Oktober im Kleinflugzeug zum Ligaduell nach Schiltach gereist, mangels Nachtfluggenehmigung musste er früher wieder weg. Sprich: Schelb hatte sich selbst eingeflogen.

Was Ottnad damit ausdrücken will, und deshalb erzählt er die Geschichte auch mit Stolz: Im üblichen Wortsinn wird eben niemand für einen USC-Wettkampf eingeflogen. Kein Spitzenathlet, der mal eben aus Budapest, Prag oder Gent vorbeischaut, um das Niveau gewaltig anzuheben. Das würde gar nicht zum Selbstverständnis jenes Teams passen, das sich im Münchner Hochschulsport gefunden hat. Der USC ist und bleibt eine Hobbymannschaft.

Ob das auch für ein viertes Jahr in der dritten Liga reicht, wird sich an diesem Samstag in Singen erweisen. Dort findet das Aufstiegsfinale der Deutschen Turnliga statt, das für den USC als Letztem der dritten Liga Süd eigentlich ein Abstiegsfinale ist. Sechs Herausforderer aus den Landesverbänden und die Letztplatzierten der beiden Drittliga-Gruppen treten an, die drei punktbesten Teams qualifizieren sich für die dritte Liga. "Ich bin mir nicht sicher, ob das klappt", sagt Ottnad. Falls nicht, werden sie eben mit Stolz absteigen.

Kürzlich bei der TG Hanauerland, auch das erzählt Ottnad belustigt, seien sie gefragt worden, in welcher Sprache man denn den Ungarn Zsolt Lengyel interviewen könne. Antwort: "Auf Deutsch." Und in welchem Leistungszentrum der Österreicher Stephan Trattnig trainiere? "In keinem." Die beiden teilten sich an jenem Tag die eine Ausländerposition, die pro Gerät frei ist, aber beide studieren in München und zahlen wie alle anderen ihre Beiträge. Lengyel, ehemals TSV Jetzendorf, war mal einer dieser Legionäre, aber das war vor einer komplizierten Handverletzung. In München hilft er nur aus, wenn Trattnig mal etwas Entlastung braucht. Am Samstag wird er nicht dabei sein, aber da geht es auch nicht um Entlastung, sondern ums Bestehen. Trattnig, der Beste beim USC, wird daher an allen Geräten turnen.

Der Einsatz von Legionären beschäftigt die Münchner trotz allem. Eigentlich hatten sie sich bereits sicher gefühlt nach ihrem einzigen Saisonsieg, gegen den vermeintlichen Hauptkonkurrenten Wangen. Doch die Allgäuer hatten gleich zweimal das Glück, dass ihnen Gegner nicht in bester Aufstellung entgegentraten, plötzlich hatten sie zwei unerwartete Saisonsiege. "Für Wangen freut es mich, das ist eine coole Mannschaft", sagt Ottnad, aber der USC sei nun eben der Leidtragende. Und auch einige Viertliga-Herausforderer treten am Samstag wohl mit ausländischen Gastturnern an. Die Erstliga-Reserve der KTV Obere Lahn ist als Aufsteiger wohl gesetzt, "die wollen es wissen", glaubt Ottnad. Er erwarte zahlreiche ehemalige Erstliga-Turner. Auch die TSG Sulzbach und den MTV Ludwigsburg schätzt er stark ein.

Sie müssen nicht mit Macht in der dritten Liga bleiben, das betont Ottnad immer wieder. "Aber die Motivation ist riesengroß." Beispiel Benedikt Bleimhofer, 30, von Schulteroperationen geplagt. "Er sagt, wenn es der Mannschaft hilft, turnt er auch an sechs Geräten", erzählt Ottnad, "er hätte danach ja eine Weile, um die Schmerzen auszukurieren." Auch Florian Bau, ebenfalls 30, wird dabei sein. Er war kürzergetreten, nachdem sein zweites Kind zur Welt kam, aber nun will er helfen. "Er bringt Ruhe ins Team", glaubt Ottnad. Bau ist ebenso erstligaerfahren wie Christian Sendner, 37, und der hatte sich nach einer Ellbogen-Operation schon ganz zurückgezogen. In dieser Woche probierte er im Training seine alte Übung am Seitpferd aus. "Er sagt, wenn es sein muss, turnt er." Sein Comeback hätte "Signalwirkung", glaubt Ottnad, erstmals in der Saison könnte er das Maximum von zehn Mann einsetzen.

Es gibt noch einen weiteren Konkurrenten, den Ottnad für beachtlich hält, und der hat fast dieselbe Anreise. Auch der TSV Unterföhring probiert sich in die dritte Liga zu turnen. Glaubt man seiner Homepage, ist er fast schon da, denn unter der Rubrik Nächste Wettkämpfe steht: "vstl. Sonntag, 27.11.2016 Aufstieg DTL." DTL steht für Deutsche Turnliga, die die obersten drei Ligen verwaltet, aber vermutlich ist dieser Eintrag missverständlich. Er soll wohl nur bedeuten, dass am Wochenende (richtig ist Samstag) das Aufstiegsfinale ansteht. "Wir sind guter Dinge", sagt Seitpferd-Spezialist Felix Sittenauer, "aber es wird schwierig. Die Konkurrenz ist gut."

Ohne Rücksicht auf Schmerzen: Benedikt Bleimhofer, 30, würde für den USC auch an sechs Geräte gehen. (Foto: Claus Schunk)

Die Meisterschaft hat der TSV Unterföhring höchst souverän gewonnen, zu Saisonbeginn hatte er sich auch den Aufstieg fest vorgenommen. Seine Stärke rührt daher, dass zum Jahreswechsel der TSV Jetzendorf seine Männer aus dem Turnbetrieb zurückzog - gleich sechs Turner wechselten daraufhin vom Vorjahresmeister der Regionalliga Bayern zum TSV Unterföhring, der schon vorher ein gestandener Regionalligist war. Und der in einer Halle residiert, auf die mancher Erstligist neidisch wäre.

"Es wird auf jeden Fall schwierig", ahnt TSV-Trainer Benedikt Böhm, auch wenn er die Stärke der Konkurrenz nicht genau einschätzen könne. Bis auf zwei, Zoltán Csuka und Patrik Pandi, ist das Team komplett. Auch Unterföhring kommt ohne bezahlte Ausländer aus, niemand wird eigens zum Aufstiegsfinale in Singen eingeflogen. Obwohl das möglich wäre: Lorenz Fassl, 24, weiß sich nicht nur am Barren und Boden zu bewegen, sondern auch in der Luft: Er ist Pilot. Die Mannschaft reist trotzdem in Bussen an.

© SZ vom 26.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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