Turnen:Glückliche Fügung

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"Es ist eine große Ehre, dass wir dabei sein dürfen": Unterhachings hochtalentierte Turnerinnen zeigen sich von Samstag an in der zweiten Liga. (Foto: Claus Schunk)

Unterhachings junge Turnerinnen übernehmen einen Zweitliga-Startplatz von der KTV Ries. Am Samstag ist der erste Wettkampf.

Von Marcel Bothe, Unterhaching

Wenn von einer Nacht- und Nebelaktion die Rede ist, dann hat das etwas Geheimnisvolles, Mysteriöses. Ein Geschehen im Schatten der Finsternis. Das kann ein heimlicher Polizeieinsatz sein, um zu vermeintlich ruhiger Stunde einen Verbrecher festzunehmen; es kann ein Maibaum sein, der plötzlich verschwindet - oder gar auftaucht, so wie kürzlich in Bad Wiessee: 15 Meter hoch, weiß und blau, kleiner Kranz, keiner weiß, woher er kam.

Wenn Oskar Paulicks von einer Nacht- und Nebelaktion spricht, dann hat das natürlich nichts mit Maibäumen zu tun, sondern mit den Turnern des TSV Unterhaching. Genauer gesagt: mit den Turnerinnen des TSV Unterhaching. Die Männer haben sich den Ruf als Talentschmiede ja schon lange verdient, im April etwa holte Lukas Dauser bei der Europameisterschaft in Cluj die Silbermedaille am Barren. Seine ersten Sprünge machte er im Alter von sechs Jahren in Unterhaching, bis heute startet er bei nationalen Einzelmeisterschaften für den TSV. Auch Marcel Nguyen, dreimaliger Europameister und zweifacher Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von 2012 in London, wurde in Unterhaching ausgebildet, er trat dem Verein mit sieben Jahren bei. In der Liga turnen sie längst für andere Klubs, doch auch der TSV Unterhaching ist in der Turngemeinschaft Exquisa Oberbayern in der zweiten Liga vertreten. Oder besser: Hachings Männer sind es.

Die Frauenmannschaft trat bislang in der Landesliga an, der fünften Liga. Doch auch in diesem Team schlummert Potenzial. Und das sollen die Mädchen demnächst in der zweiten Bundesliga zeigen können. Möglich macht es die Abmeldung der KTV Ries aus dieser Liga, die finanzielle Probleme hatte und keine Mannschaft mehr stellen konnte. Den Startplatz übernimmt der TSV Unterhaching. Da die Frist für eine komplette Übernahme des Namens um eine Woche verpasst wurde, tritt die Mannschaft nun zunächst unter dem Namen TT Unterhaching-Ries an, in der folgenden Saison dann wieder als TSV Unterhaching. "Das ist eine glückliche Fügung", findet Abteilungsleiter Oskar Paulicks. Glücklich, weil der Verzicht der KTV Ries genau zu einer Zeit kommt, in der das enorme Potenzial der Turnerinnen ohnehin eine Veränderung erfordert hätte. "Unsere Turnerinnen haben sehr viele Erfolge nachzuweisen", sagt Paulicks. Jede der acht Athletinnen steht im Landeskader, zwei sogar im Nationalkader: Chiara Strecker und Tabea Landau, beide zwölf Jahre alt, werden im D/C-Kader gefördert, Lehrgänge in Frankfurt am Main inklusive. Dass sie nun in der zweiten Bundesliga ihr Talent zeigen können, finden beide unisono gut. "Es ist cool, weil wir sehr jung sind", sagt Chiara Strecker, die sich auch darauf freut, sich mit Älteren messen zu können. Um zu "sehen, wie gut ich bin". Tabea Landau klingt mit ihren zwölf Jahren schon ganz wie der Profi, wenn sie sagt: "Es ist eine große Ehre, dass wir dabei sein dürfen."

Für die Routine in der Mannschaft steht vor allem der Trainer, Dieter Koch. Von 1997 bis 2000 trainierte er die deutsche Nationalmannschaft der Frauen, er war auch an der Olympiavorbereitung für Athen 2004 beteiligt, bis 2014 war er Trainer in Großbritannien. Seitdem arbeitet er für den Bayerischen Turnverband und betreut die Athleten des Landeskaders - und damit auch jene Unterhachings. "Wir sind die jüngste Mannschaft der Liga", stellt er fest, keine sonderlich gewagte Äußerung - die älteste Turnerin ist 17. Das junge Alter des Teams, es hat auch eine gewisse Ambivalenz: "Auf der einen Seite sind wir unerfahren", sagt Koch, "auf der anderen Seite können wir für lange Zeit planen mit unseren Athleten. Wir werden keine große Fluktuation haben." Das Ziel in der zweiten Bundesliga, wo von den acht Teams nur eines absteigt, sei klar: "Drinbleiben."

Der Modus der Liga ist hart: An jedem der vier Geräte turnen vier Athleten pro Verein, Streichergebnisse gibt es nicht. "Jede Wertung zählt. Das macht es spannend", sagt Koch. Die Qualität der Liga müsse man "erst mal abchecken, nach diesem Wochenende wissen wir mehr". Am Samstag steht Wettkampftag Nummer eins an, es folgen zwei weitere. Die Anreise am Samstag wird keine Nacht- und Nebelaktion, der Weg ist recht kurz: Es geht nach Waging am See.

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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