Turnen:Aufstieg mit einem Unbekannten

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Retter an den Ringen: Jim Zona, hier bei der WM 2015 in Glasgow. (Foto: imago/Schreyer)

Dank dem kurzfristig verpflichteten und WM-erfahrenen Franzosen Jim Zona schafft der TSV Unterföhring den Aufstieg in die dritte Liga. Dafür reicht es für den USC München knapp nicht, der in die Regionalliga absteigen muss.

Von Andreas Liebmann, München/Unterföhring

Jim Zona hatte Spaß bei seinem Blind Date. "Einen Riesenspaß" sogar, versicherte Andreas Rolle, der stellvertretende Turn-Abteilungsleiter des TSV Unterföhring. Und das beruhte auf Gegenseitigkeit. "Ein sehr netter Typ" sei dieser Franzose, den sie tags zuvor am Stuttgarter Bahnhof aufgegabelt hatten und der ihnen dann den Aufstieg in die dritte Bundesliga sicherte, betonte Rolle. Aber noch kannten sie ihn ja gar nicht besonders gut, erst seit wenigen Stunden.

Jim Zona ist vor 25 Jahren in Dijon geboren, als Fünfjähriger begann er zu turnen, in jenem Klub, in dem schon sein Bruder und seine Schwester turnten und den seine Mutter managte. Das nur nebenbei. Vor allem ist Zona ein WM-erfahrener französischer Nationalturner, der 2020 dringend in Tokio antreten möchte und der einen rege gepflegten Instagram-Account besitzt - was ihn nun nach Schwäbisch Gmünd führte, wo er am Samstag dem TSV Unterföhring half, im zweiten Anlauf die Regionalliga gen Deutscher Turnliga zu verlassen. Genau so hatten die Unterföhringer Zona vor wenigen Wochen nämlich entdeckt: über Instagram. Persönlich lernten sie ihn dann erst an diesem Wochenende kennen.

Zonas kurzfristige Verpflichtung hat eine Vorgeschichte. Denn die Föhringer hatten schon vor einem Jahr die Regionalliga dominiert, dank eigener Talente, nebenbei aber auch dank des Ausstiegs des TSV Jetzendorf, mit dessen verbliebenen Turnern sie seitdem eine Art Wettkampfgemeinschaft unter dem Dach des TSV Unterföhring bilden. Doch damals scheiterten sie in diesem Aufstiegsfinale, an dem jedes Jahr die Regionalliga-Meister und die beiden Letztplatzierten der Drittliga-Gruppen Süd und Nord teilnehmen - trotz eines ordentlichen Wettkampfs. "Wir hatten letztes Jahr die Erfahrung gemacht, dass alle anderen mit ausländischen Verstärkungen ankamen", erinnerte sich Andreas Rolle. Alle bis auf den Lokalrivalen USC München, der dafür aus der ungeheuren Erfahrung seiner altgedienten Riege schöpfen konnte und sich damals auch ohne Legionäre ein weiteres Mal den Drittliga-Verbleib sicherte. Diesmal wollte es Rolles Klub also anders versuchen. "Aber wir sind Neulinge auf diesem Gebiet, wir haben keine Listen von ausländischen Turnern parat." Dafür Zugang zu sozialen Medien. So kam es, dass Zona erstmals in eine ausländische Liga fand. Das Mannschaftsfoto von seinem Debüt mit dem TSV hat Zona gleich online gestellt, am Sonntag hatte es 500 Likes.

Der USC München indes blieb seiner Linie auch im dritten Abstiegsfinale treu, doch zum ersten Mal reichte es nicht mehr zum Ligaverbleib - zumindest nach aktuellem Stand. Drei Drittligaplätze waren zu vergeben, der USC wurde Vierter, mit 0,65 Punkten hinter Unterföhring, fast so knapp, wie er zuvor in der Liga schon den rettenden vorletzten Platz verpasst hatte. "Wir haben kaum Fehler gemacht, sogar die beste Bodenleistung der Saison abgeliefert", bilanzierte Teammanager Thomas Ottnad. Es sei schon bitter, dass wieder nur so wenig gefehlt hatte. Es habe nun immer mal wieder Andeutungen gegeben, dass neben Herbolzheim in den oberen Ligen womöglich weitere Teams aufgeben, dann wäre der USC der erste Nachrücker. Doch konkret oder verlässlich war all das nicht.

So bitter, wie der Wettkampf für den USC endete, so bitter begann er für den TSV Unterföhring. Denn an dessen erstem Gerät des Tages, dem Sprung, verfehlte Maximilian Henning mit einem Fuß die Matte bei einem Tsukahara gestreckt mit ganzer Schraube. Der beste Föhringer Turner, der für alle sechs Geräte vorgesehen war, blieb liegen. Dann ging es in die Notaufnahme. "Die Bänder im Sprunggelenk sind durch, mehr ist noch nicht klar", berichtete Rolle.

Es wurde dann noch dramatischer: Verdutzt mussten sie feststellen, dass eine äußerst gelungene Bodenübung von Maximilian Sondermayer mit nur sieben Pünktchen benotet wurde. Niemandem war nämlich aufgefallen, dass dessen Winkelstütz zwar in der Regionalliga als A-Teil gilt, nicht aber in den Bundesligen, weshalb Sondermayer Abzüge wegen zu weniger Elemente bekam. Der einzige, der diesen Lapsus sofort bemerkt hätte, so Rolle, sei Thomas Henning - doch der war mit seinem Sohn Bastian im Krankenhaus. Vom anfänglichen ersten rutschte der TSV bald auf den zweiten Platz ab, an den abschließenden Ringen war sogar Rang drei in Gefahr. Ulrich Ilgs Übung hätte dort nicht gereicht, also musste der TSV sie streichen und einen Joker ziehen: Ausgerechnet Sondermayer sprang nun als Retter ein. Trotzdem musste Zona (der zuvor vom Reck gefallen war) zum Abschluss an den Ringen noch mal stolze zwölf Punkte liefern. Aber dafür war er ja da.

© SZ vom 11.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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