TSV Allach 09:Hype in Handballach

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„Einer ist positiv und alle hängen mit drin“: Allachs Trainer Andreas Krauß muss sich derzeit mehr mit Gesundheitsfragen als mit Taktik und Videoanalyse beschäftigen – jeder Test kann gravierende Folgen haben. (Foto: Claus Schunk)

Aufsteiger München steht als Spitzenreiter der A-Jugend-Bundesliga Süd vor der Meisterrunde - aus vermeintlichen Schwächen "erwächst unsere Stärke".

Von Thomas Hürner, München

Ein bisschen muss Andreas Krauß schon schmunzeln über diese Wortkreation, die auf ihn selbst zurückgeht: "Handballach", ein Mix aus der Sportart und dem Münchner Stadtbezirk Nummer 23, der ganz offensichtlich die Begeisterung für eine Mannschaft ausdrücken soll, die gerade ziemlich große Aufmerksamkeit erregt. Krauß, einer der Trainer, spricht sogar von einem "Hype", der in Allach entstanden sei, und es genügt ein einfacher Blick auf die Tabelle, um zu verstehen, warum das so ist.

Die A-Jugend des TSV Allach 09 ist Tabellenführer in der Bundesliga Süd, punktgleich mit der Handball-Großmacht Rhein-Neckar Löwen, aber mit dem besseren Torverhältnis. Als Aufsteiger und entsprechend auch als krasser Außenseiter. Und als freches Gegenmodell zu den professionalisierten Nachwuchs-Akademien der Konkurrenz. Krauß, ein großer, drahtiger Mann mit rauer Stimme, sagt: "Wir haben in dieser Liga sicher die schwierigsten Voraussetzungen. Aber daraus erwächst auch unsere Stärke."

Krauß sitzt in einer Kabine der Eversbuschhalle, Trainings- und Heimspielstätte seiner Mannschaft, die Spieler bereiten sich mit seinen Trainerkollegen Fabian Heck und David Holzer gerade auf das Auswärtsspiel an diesem Samstag gegen die SG Pforzheim/Eutingen vor. Bei einem Sieg ist den Allachern eine Teilnahme an der Meisterrunde kaum mehr zu nehmen, die besten vier Mannschaften aus dem Süden qualifizieren sich dafür, gemeinsam mit den Pendants aus den anderen Staffeln wird eine neue Liga geformt. In Hin- und Rückspielen wird dann der neue Meister ermittelt. Es ginge dann gegen Erstligisten wie Kiel, Flensburg oder Berlin.

Ein großes Abenteuer, aber auch eine mindestens genauso große Herausforderung für Trainer, Spieler und alle, die es mit dem TSV Allach halten. Das wird auch bei einem Blick auf die Trainingsbedingungen deutlich: Die A-1-Jugend hat nur eine halbe Halle zur Verfügung an diesem Tag, die Bälle fliegen kreuz und quer, auch andere Jugendmannschaften halten parallel ihre Einheiten ab. Krauß, ein "bekennender Befürworter des Breitensports", will sich darüber aber nicht beklagen, ihm bleibt letztlich ja auch nichts anderes übrig. Klar, ein bisschen neidisch könne man schon mal werden, wenn man die eigenen Möglichkeiten mit denen der anderen vergleicht. Aber letztlich, sagt Krauß, sei es doch so: Wenn man selbst nur über einen Bruchteil des Etats der Konkurrenz verfügt und aufgrund enger Belegungspläne nicht so häufig trainieren kann wie der Rest der Liga, dann muss man eben Ideen entwickeln, die einem ein Alleinstellungsmerkmal verschaffen. Eine eigene Philosophie, sowohl auf als auch neben dem Handballfeld. Krauß sagt: "Meine Spieler strukturieren sich anders, sie helfen sich anders, sie wissen, dass sie weniger Zeit haben, und trainieren dadurch noch disziplinierter."

Ehrlicher, bodenständiger Sport, der großen Anklang findet. Bis zu 500 Zuschauer kommen zu den Heimspielen der Allacher A-Jugend, "das gibt's im ganzen Großraum München nicht", sagt Krauß.

Der Trainer legt Wert auf kompromissloses Verteidigen, schnelles Umschalten, seine Mannschaft soll eine verschworene Gemeinschaft sein, aber natürlich auch einen technisch anspruchsvollen Handball zeigen, in dem sich talentierte Spieler frei verwirklichen können. "Wir haben hier keinen Erfolgsdruck", sagt Krauß, "wir wollen hier Potenziale entfalten."

Das Allacher Handballprojekt folgt einem langfristigen Plan. Der TSV soll die erste Anlaufstation für ambitionierte Spieler im Großraum München werden. Es geht in erster Linie um Ausbildung und nicht um vergängliche Höhenflüge. "Und wenn einer mal ein attraktives Angebot bekommt", sagt Krauß, "dann sind wir die Letzten, die einem jungen Menschen den Weg versperren würden." Natürlich sind über die Jahre immer wieder mal junge Talente abgewandert, der Kern der Mannschaft konnte aber erhalten bleiben und punktuell durch Zugänge verstärkt werden. In der aktuellen A-Jugend gibt es zwar durchaus Spieler, die durch ihre besondere Begabung hervorstechen, der Kreisläufer Cedric Riesner, der Rückraumspieler Vitus Baumgartner oder der Torhüter Louis Oberosler etwa. Insgesamt ist der Kader aber tief und ausgeglichen besetzt, jede Position mindestens doppelt. Ein Leistungsabfall, sagt Krauß, sei nie zu erkennen gewesen, egal wer auf dem Parkett stand. In "Handballach", das betont der Trainer häufiger, ist eben kein Platz für Eitelkeiten oder Extrawünsche. "Wer hier spielen will", sagt Krauß, "dem muss es das auch wert sein."

Und was, wenn ein Spieler doch mal auf die Idee käme, ein kleines Honorar für seine Dienste zu verlangen? Krauß fuchtelt mit dem Finger und sagt: "Da vorne ist die Tür. Und die kann man von innen zumachen."

© SZ vom 26.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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