Triathlon:Wiedersehen im neuen Leben

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Dreimal hat Andrej Heilig am Wörthsee gewonnen. Seit einem Unfall sitzt er im Rollstuhl. Bei der 32. Auflage kommt es nun zu einem Treffen mit Sieger Christian Jais.

Von Karl-Wilhelm Götte, Wörthsee

Zehn Meter vor dem Ziel hat sich Andrej Heilig unter die Zuschauer gemischt. Mit seiner Mutter an seiner Seite wartet der 40-Jährige auf den Sieger des Wörthsee-Triathlons. Für alle, die Heilig kennen - und das sind viele Triathleten - ein Bild, das sie sehr rührt.

Heilig sitzt im Rollstuhl. Dreimal, von 2008 bis 2010, hat er den Wörthsee-Triathlon gewonnen, zuletzt mit dreieinhalb Minuten Vorsprung. "Damals hat er einen famosen Hattrick hingelegt", begrüßt Zielsprecher Peter Maisenbacher Heilig. Radfahren und Laufen waren die herausragenden Disziplinen des damals besten Triathleten Südbayerns. Als Christian Jais (Tri Team Fürstenfeldbruck) als Erster in die Zielgerade einläuft, macht Heilig ein staunendes Gesicht. Später kommt der ehemalige Teamkollege Jais zu einer herzlichen Begrüßung bei ihm vorbei.

Sieger und Vorgänger: Christian Jais (li.) und Andrej Heilig am Sonntag nach dem Wörthsee-Triathlon (Foto: kwg/oh)

Heilig ist promovierter Lebensmitteltechnologe. 2013 ging er mit einem Stipendium in die USA, auch um dort auszutesten, ob eine semiprofessionelle Karriere als Triathlet möglich ist. Seine Familie nahm er mit. Wenige Monate später passierte der Unfall. An einer Kreuzung wurde Heilig auf dem Fahrrad von einem Auto überfahren. Nur knapp entging er dem Tod. Heilig erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, lag viele Wochen im Wachkoma.

Heilig hat zwei Kinder. Emil ist sieben, Marlena vier Jahre alt. Sie leben bei seiner Ehefrau am Niederrhein. Heilig ist im Herbst 2016 vorübergehend zu seiner Mutter nach Planegg gezogen. Langsam macht er kleine Fortschritte zurück in ein normales Leben. Sein Freund Maximilian Krumm, 34, mit dem er viele Jahre gemeinsam bei Triathlonrennen gestartet ist, trainiert als Sportwissenschaftler mit ihm regelmäßig seine Muskulatur im Studio ihres Heimatvereins TSV Unterpfaffenhofen-Germering. Vier Jahre nach dem Unfall hat Heilig immer noch Mühe, alleine zu gehen, auch das Sprechen fällt ihm schwer. "Aber beim Triathlon hat er alles mitbekommen", sagt Krumm, selbst mehrmaliger Sieger am Wörthsee. "Andrej kennt die Leute und sogar deren Zeiten von früher."

Die gemeinsamen Zweitliga-Zeiten im Tri Team Fürstenfeldbruck (von links nach rechts): Maximilian Krumm, Christian Jais, Andrej Heilig und Matthias Schmitt. (Foto: privat/oh)

"Als ich hier vor sieben Jahren zuletzt angetreten bin, habe ich gegen Andrej verloren", erinnert sich Christian Jais. Beide sind nahezu eine Altersklasse; Jais wird im Oktober 39 Jahre alt. Zusammen sind sie für das Tri Team Fürstenfeldbruck in der zweiten Bundesliga gestartet. Auch Jais ist, wie Heilig es war, ein glänzender Radfahrer. Auf der Radstrecke hat er auch beim diesjährigen Wörthsee-Triathlon mit 700 Teilnehmern die Vorentscheidung herbeigeführt. Mit etwa 400 Meter Vorsprung ging Jais auf die abschließende 10-Kilometer-Laufstrecke. Er sah den Zweitplatzierten Florian Schmidbauer, 25, aus Bayreuth näher kommen, hielt ihn aber routiniert mit 33 Sekunden Vorsprung in Schach. Jais hat sich sogar mal kurz als Radspezialist versucht, es aber wieder aufgegeben. "Das war mir dann doch zu einseitig", sagt er. Auf der Mitteldistanz im Triathlon fühlt sich am wohlsten.

"Die Aggressivität der Autofahrer nimmt immer mehr zu", berichtet Jais von Schreckmomenten

Jais betreibt seinen Sport, wie Heilig zuvor, unter semiprofessionellen Bedingungen. Der Bauingenieur arbeitet 18 Stunden in Teilzeit bei der Landeshauptstadt München, um genügend Zeit fürs Training zu haben. 20 Stunden investiert er dafür pro Woche. In Oberschweinbach im Westen des Landkreises Fürstenfeldbruck zu Hause, stimmt das Terrain fürs Radfahren und Laufen. Das Schwimmtraining absolviert Jais im Sommer im Pucher Meer, einem See in der Nähe von Fürstenfeldbruck. Einmal die Woche fährt er eher zügig 45 Kilometer zu seiner Arbeitsstelle nach München. "Zeitlich ist alles durchgetaktet bei mir", erzählt Jais. Seine Ehefrau und die zwei kleinen Kinder wollen ihn auch noch sehen. Der Wörthsee-Sieger hat ebenfalls schon ernste Gefahrensituationen beim Radtraining überstehen müssen. "Einmal wurde ich von einem Auto angefahren und konnte das zum Glück gerade noch so aussteuern, ohne zu stürzen", berichtet Jais. "Die Aggressivität der Autofahrer nimmt immer mehr zu."

Inzwischen wurde zur Siegerehrung am Wörthsee gerufen. Jais steigt auf das oberste Podest. Der Sprecher bittet Andrej Heilig nach vorne. Lang anhaltender Beifall brandet auf. Viele Menschen haben Tränen in den Augen. Der Sport tritt für einen Moment in den Hintergrund. Heilig winkt dem Publikum zu. Er wirkt müde, aber wohl auch emotional überwältigt.

© SZ vom 02.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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