Triathlon:Tausend Tage Qual für 30 Sekunden Ruhm

Lesezeit: 3 min

Allein mit dem Asphalt: Nach 12:17:56 Stunden im Meer, auf dem Rad und zu Fuß durch die Lavawüste von Kona darf Stephanie Huber sich „Finisherin“ des Ironman-Triathlons auf Hawaii nennen. Die 22-Jährige wurde 22. ihrer Altersklasse. Am Abend nach dem Rennen brach ihr Kreislauf zusammen. (Foto: Privat / oh)

Die Studentin Stephanie Huber setzt sich in den Kopf, einmal bei der Triathlon-WM auf Hawaii zu starten. In nur drei Jahren ist sie am Ziel.

Von Brigitte Mellert, München

Die triste Lavawüste ist verschwunden, vor Stunden schon. Rundum ist nur noch Schwarz zu sehen. Ganz vereinzelt tauchen bunt fluoreszierende Bänder auf, die gespenstisch durch die Dunkelheit wackeln. Unter jedem steckt ein Triathlet, dem das leuchtende Halsband wenig hilft: Weder lindert es die Schmerzen, noch beleuchtet es wirklich die Strecke durch dieses Nirgendwo. Auch Stephanie Huber aus Ottobrunn schleppt eines dieser Lichtbänder. Sie ist eine von Tausenden, die dem Mythos Hawaii gefolgt sind. Sie ist einer der so genannten "Age Grouper", die hier an ihre Grenzen gehen wollten und nun noch immer unterwegs sind, während die letzten Kameras abgebaut sind und die Sieger längst ihr Abendessen verzehrt haben. Von den 2455 Startern beim diesjährigen Ironman Hawaii sind nur 94 Profis, der große Rest Amateure.

Knapp zwei Wochen später sitzt Stephanie Huber, 22, Romanistik-Studentin in München, braun gebrannt auf einem Sofa in einem Teehaus in der Uni-Gegend und erzählt von ihren Erlebnissen auf Hawaii. Sie ist groß gewachsen, 1,82 Meter, keiner dieser Ausdauerflöhe. Eigentlich war sie Volleyballerin, Mittelblock, doch nach zahlreichen Bänderrissen hätten ihr die Ärzte von dieser Sportart abgeraten. Mit Ausdauersport hatte sie bis vor wenigen Jahren rein gar nichts zu tun.

2014 sah sie in Klagenfurt bei einem Ironman zu und fragte sich: Kann ich das auch? Inspiriert von der Atmosphäre meldete sie sich für den Ironman 2015 an. Ein Jahr hatte sie also Zeit, um Triathletin zu werden. 365 Tage, um den Körper an die Belastungen zu gewöhnen. "Normalerweise trainiert man für die Langdistanz mehrere Jahre und beginnt mit der Kurz- oder Volksdistanz", räumt Stephanie Huber ein. Ihr Debüt beim Ironman Austria dauerte 13:24:33 Stunden, damit wurde sie Vierte ihrer Altersklasse - den abschließenden Marathon humpelte sie nur noch. "Als ich sechs Stunden für den Marathon brauchte, dachte ich, das schaff ich nie."

Die Ottobrunnerin trainierte weiter. In den folgenden Jahren nahm sie zwei Mal beim Ironman in Frankfurt teil und konzentrierte sich zudem im Training besonders auf ihre schwächste Disziplin, das Laufen. "Ich konnte nie länger als zwölf Kilometer am Stück laufen, da bin ich immer von allen kassiert worden." Auch ihre Knieprobleme will sie durch gezieltere Trainingsimpulse und geringere Umfänge vermeiden. Im Juli 2017 qualifizierte sie sich für die Teilnahme auf Hawaii. Doch die Hitze beeinträchtigte ihre Leistungsfähigkeit. Unterwegs verzweifelte sie, weinte. Hinter der Ziellinie brach sie dann mit Kreislaufproblemen zusammen.

Prozentual werden pro Altersklasse Startplätze, sogenannte "slots", auf der offiziellen Ironman-Serie vergeben. In der jüngsten Altersklasse der 18-24-jährigen gab es in Frankfurt genau einen Startplatz und genau eine Konkurrentin. Eine 50 Prozent-Chance also, in Hawaii dabei zu sein.

Ob ein so kurzer Vorbereitungszeitraum sinnvoll ist, ist trainingswissenschaftlich mindestens diskussionswürdig. Ärzte raten, die Belastung langsam zu steigern und so einer Überlastung oder gar Schädigung der Organe vorzubeugen. "Die Dosis ist das Gift", beschreibt Martin Halle, Chef der Sportmedizin an der TU München, die Belastungen bei einem Marathon. Doch trotz der Strapazen hat Huber weiter das Ziel WM auf Hawaii vor Augen. "Once in a lifetime": Das einmalige Erlebnis ist nicht billig. Die Kosten für Flug, Unterbringung und Ausrüstung summieren sich auf rund 4500 Euro - das Jahresgehalt, das sie als Werksstudentin verdient. Die Startgebühr von 999 US-Dollar sammelt sie per Crowdfunding.

Am 14. Oktober wartet Stephanie Huber auf Kona mit Tausend anderen Athleten frühmorgens auf den Startschuss. Der Beginn eines sehr langen Tages. "Es war doch anstrengender als gedacht", resümiert sie zurück in München und nippt an ihrem Tee. Als starke Schwimmerin sei ihr die erste Disziplin am leichtesten gefallen, auch wenn das Salzwasser gewöhnungsbedürftig war. Die 180 Kilometer auf dem Rad fielen ihr aufgrund des starken Windes schon schwerer, doch der abschließende Marathon durch die Lavawüste war das Schlimmste. Den größten Teil der Strecke war Huber sich selbst überlassen. Mentale Tiefpunkte, an denen sie den Sinn ihres Vorhabens hinterfragte, überwand sie. Aufgeben, sich "einfach in einen Seitengraben legen", war dann doch keine Option. Nach 12:17:56 Stunden erreichte Stephanie Huber schließlich das Ziel, als 22. in ihrer Altersklasse. Platz 369 in der Gesamtwertung. Am Abend versagte ihr Kreislauf, die Nacht war entsprechend kurz.

Auf die Frage, ob sich all die Anstrengungen gelohnt haben, antwortet Stephanie Huber: "Vor dem Start dachte ich mir, wie schön es doch wäre, nur zuzusehen." Beim Zieleinlauf seien die Qualen jedoch vergessen gewesen - diese "30 Sekunden Ruhm" seien es ihr wert. Die Studentin will sich nun erst um ihre Bachelorarbeit kümmern und über den Winter ihre Laufleistung verbessern. Danach werde sie sich auf die Kurz- und Mitteldistanz konzentrieren.

© SZ vom 04.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: