Trial:Balanceakt auf Baumstämmen

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Sprünge aus dem Stand auf 1,80 Meter Höhe: Der Dachauer Trial-Radfahrer Andreas Strasser ist in Deutschland das Maß der Dinge. Nun möchte er auch zur internationalen Spitze aufschließen, dafür trainiert er täglich und lässt sich auch von einer gebrochenen Hand nicht aufhalten. (Foto: Matthias Hangst/Getty)

Der Dachauer Andreas Strasser verteidigt bei den "Finals" in Berlin seinen DM-Titel und springt dabei mit seinem Fahrrad über Paletten und Betonklötze.

Von Marie Schneider, Dachau

Von weitem sieht es aus wie auf einer riesigen Baustelle: Gegenüber von einigen blauen Containern stapeln sich Paletten auf dem Schotterboden, große Baumstämme liegen schräg übereinander oder verbinden meterhohe Betonklötze miteinander. Doch was aussieht wie ein Bauplatz, ist für Andreas Strasser ein perfektes Gelände. Er investierte viel Arbeit, um das Grundstück in Gröbenried wie eine Rohbau-Abenteuerfläche aussehen zu lassen. Strasser ist momentan der beste deutsche Trial-Fahrer, die Paletten, Betonklötze und Baumstämme sind Teil seines täglichen Trainings. Er springt mit einem speziellen Fahrrad ohne Sattel von einem Hindernis zum anderen, ohne dabei den Boden mit den Füßen zu berühren.

Bei den "Finals" in Berlin, dieser deutschen Meisterschaft in vielen verschiedenen Sportarten, bewies der 22-Jährige aus Dachau am Wochenende sein großes Talent: Trotz einer Verletzung verteidigte er seinen Titel im 26-Zoll-Trial und zeigte dabei spektakuläre Sprünge über unüberwindbar anmutende Hindernisse. Nicht nur die Sektion aus Baumstämmen, auch die bis zu 2,80 Meter hohen, bunten Betonklötze, die an riesige Legosteine erinnerten, waren für Strasser kein Problem. Aus dem Stand kann er mit seinem Fahrrad auf zehn gestapelte Paletten, also rund 1,80 Meter hoch, springen. "Ich bin schon als Kind mit dem Bobbycar über Holzscheite gefahren", sagt er. Sein Vater, der in seiner Freizeit Motorcycle-Trial betreibt, war für ihn Vorbild. Doch der Sohn durfte als Kind zunächst nur auf das Fahrrad steigen und fand Gefallen an diesem Fahrzeug. "Mittlerweile gefällt mir die Variante besser als das Motorrad. Man muss selber die Kraft für die Sprünge aufbringen und ist nicht von der Technik abhängig", sagt Strasser.

Seitdem trainiert er jeden Tag mehrere Stunden in Gröbenried. Vereine und Trainingsflächen gebe es in Deutschland nur wenige, weshalb er und sein Vater 2015 ein eigenes Gelände aufbauten. Sein Training gestalte er selber, vor wichtigen Wettkämpfen erhalte er Unterstützung und Trainingspläne von seinem Coach aus Nürnberg. "Es ist schon hart, man muss sich selbst immer zum Training antreiben. Es gibt auch Zeiten, wo ich manche Dinge etwas schleifen lasse", erklärt Strasser.

Nicht so vor der deutschen Meisterschaft: Trotz eines Handwurzelknochenbruchs, den er sich vor einigen Wochen zugezogen hatte, stieg er für den Wettkampf aufs Fahrrad und überzeugte nach nur einer Woche Training mit sauberen Sprüngen. Bei der Meisterschaft mussten die Sportler drei verschiedene Flächen in jeweils zwei Minuten überwinden. Für jeden sauberen Sprung über ein Hindernis erhielten sie zehn Punkte. "Die Technik kann man frei wählen, aber man darf die Füße nicht absetzen, nicht mit dem Rad überschwenken und nicht stürzen", so der Trial-Fahrer, denn sonst gibt es Punktabzug. In der letzen Sektion reichten Strasser schon 30 der 60 Maximalpunkte für den Titel.

Im vergangenen Jahr wurde Strasser bei der Weltmeisterschaft in China Zweiter mit dem Team

"Ich habe noch immer nicht ganz verstanden, dass ich gewonnen habe", sagte Strasser nach dem Wettkampf. Sein Plan sei aufgegangen: Er fuhr ohne Druck und legte bei jeder Sektion neu vor. "Da ich immer als Erster gestartet bin und auch noch verletzt war, hatte ich nicht so hohe Erwartungen und konnte einfach mein Ding machen." Dazu komme, dass ihm die hohen und weiten Sprünge sowie die technischen Passagen sehr gelegen hätten.

In den nächsten Tagen möchte er das Training etwas ruhiger angehen, um seine Hand zu schonen und dann beim World Cup in Val di Sole im Trentino Ende August wieder fit zu sein. Denn auch international möchte Strasser nach ganz oben: "Ich will an die Spitze ran, Richtung Top Fünf." Im vergangenen Jahr wurde er mit dem Team Zweiter bei der Weltmeisterschaft in China. Sein größter Erfolg im World Cup war bisher jeweils Platz elf in Österreich und Belgien. Künftig möchte er sich auch im Einzel gegen die Konkurrenz aus Frankreich und Spanien durchsetzen, wo der Sport populärer ist als in Deutschland.

Neben den Wettkämpfen fährt Strasser regelmäßig bei Shows mit, um sich den Sport finanzieren zu können, denn "vom Wettkampfsport allein kann man nicht leben". Deshalb wolle er studieren oder sich mit seiner abgeschlossenen Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker einen anderen Beruf suchen - und nur noch nebenher Leistungssport machen. "Nur Trial fahren, wäre mir auf Dauer zu hart, vor allem geistig", sagt Strasser. Meditation gehöre bei ihm genauso wie Kraft- und Ausdauerübungen zum Training dazu: "Das tagtägliche Training ist eigentlich das Schönste. Wenn man am Kämpfen ist, dann macht es Spaß. Eigentlich ist der Weg das Ziel." Und der beginnt für Strasser immer wieder auf dieser Rohbaufläche in Gröbenried.

© SZ vom 06.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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