Tischtennis:Wenn die Zukunft Erinnerungen weckt

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Jung und formbar: Mateja Jeger, 21, war ihrem künftigen Trainer vor einigen Jahren schon aufgefallen. (Foto: Grubisic/Imago)

Noch-Erstligist Schwabhausen verpflichtet Kroatin Mateja Jeger

Von Andreas Liebmann, Schwabhausen

Als Mateja Jeger zum ersten Mal in ihrem Leben vor der Heinrich-Loder-Sporthalle in der kleinen Dachauer Gemeinde Schwabhausen stand, da war sie dort gar nicht so fremd, wie sie dachte. Alexander Yahmed, der hier als Tischtennis-Cheftrainer arbeitet und sie nun zum Probetraining empfing, kannte die 21-jährige Kroatin bereits. Von früher. Vor einigen Jahren, erzählt er, habe er seine ehemalige Schülerin Sabine Winter zum Europe-Top-Ten, einem Jugendturnier, nach Bratislava begleitet, "und dort ist sie mir gleich aufgefallen: sehr gute Struktur im Spiel, gute Technik, guter Touch - sie hatte nur noch keine richtige Waffe." Im Gegensatz zur heutigen Nationalspielerin Winter, die schon damals einen waffenscheinpflichtigen Vorhand-Topspin schlug.

Das Probetraining vor einigen Tagen ist dann ganz offensichtlich zufriedenstellend verlaufen, auch menschlich haben Jeger und Yahmed gleich einen guten Draht zueinander gefunden. Weshalb sie sich künftig häufiger beim TSV Schwabhausen treffen werden: Jeger wird die neue Nummer zwei des TSV, darauf haben sich die junge Studentin und der Klub noch am gleichen Tag geeinigt. Unmittelbar nachdem der TSV verkündet hatte, nach Saisonende freiwillig von der ersten in die zweite Bundesliga zurückzugehen, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen, sind die Planungen für die nächste Spielzeit abgeschlossen. Die chinesische Nummer eins Yang Ting hatte sich schon vor längerer Zeit auf eine Fortführung ihres Vertrages festgelegt, und auch Christina Feierabend und Eva-Maria Maier, die zurzeit die Positionen drei und vier im Team belegen, seien zufrieden, sagt Yahmed. "Wir haben sie in alle Gespräche miteinbezogen und auch den Gang in die zweite Liga gemeinsam beschlossen", sagt er, "sie sollen schon wissen, dass sie ein großes Standing im Verein haben." Gerade die 19-jährige Maier, die den ganzen Weg von den ersten Schlägen als Kind bis zur Erstliga-Stammkraft ausschließlich in ihrem Heimatverein zurücklegte, sei damit längst "ein Leitbild" für Schwabhausen, sagt Trainer Yahmed.

Trotz allem war den Verantwortlichen klar, dass sie auch die zweite Bundesliga nicht gänzlich aus der eigenen Jugendarbeit heraus stemmen könnten, und so hatten sie sich sofort auf die Suche begeben, als ihre aktuelle Nummer zwei Chantal Mantz ihren Weggang nach Saisonende zum deutschen Meister TTC Berlin ankündigte. Mateja Jeger wusste noch nicht, dass sich der TSV Schwabhausen für die zweite deutsche Liga entscheiden hatte, als sie aus Zagreb anreiste, doch sie sei sofort einverstanden gewesen, erzählt Yahmed. "Es ist ja ihr erstes Jahr hier, sie muss sich sowieso erst eingewöhnen, hat sie gesagt." Und Yahmed habe ihr mitgeteilt, wie stark die erste Liga hierzulande sei, in der einige Teams für sie unschlagbar seien und voller Olympia-Athletinnen steckten.

Es gab noch etwas anderes, was Yahmed gleich einfiel, als er Mateja Jeger wiedertraf: "Sie erinnert mich sehr an Agi." Agnes Kokai war lange als Bundesligaspielerin und Nachwuchstrainerin in Schwabhausen tätig, eine Art gute Seele der Jugendabteilung. Jeger weise gewisse Ähnlichkeiten mit ihr auf, vom Äußerlichen, vom fröhlichen Wesen und auch von ihrer Spielweise her: Mit 1,61 Meter ist sie fast ebenso klein und verteilt die Bälle gerne nahe am Tisch mit einem Rückhand-Kurznoppenbelag.

Die Erinnerung an die Ungarin Agnes Kokai ist in Schwabhausen noch sehr lebendig. Der Verein musste sie vor knapp einem Jahr ziehen lassen, aus Geldnot, weil ihm die Gemeinde kurz vor Wechselfrist erhebliche Zuschüsse gestrichen hatte. Sie wussten sich nicht anders zu helfen. Erich Dengler, jahrelang eine Art Manager des Bundesligateams, hat sich nicht zuletzt deshalb kürzlich aus der Abteilungsleitung zurückgezogen, nach fast 40 Jahren. "Die Sache mit der Agi hängt mir bis heute nach", erklärt er. "Acht Jahre lang war sie bei uns, und dann stehst du vor ihr wie ein Depp und musst ihr erklären, dass du sie nicht mehr bezahlen kannst." Kokai, sagt er, gehe dem Verein "immer noch sehr ab".

Diese Lücke kann und soll Jeger natürlich nicht füllen. Sie wird nicht wie damals Kokai nach Schwabhausen ziehen, um hier ein neues Leben aufzubauen. Sie wird nur Mantz als Spielerin ersetzen - und an deren Stärke reiche sie keinesfalls heran. Darauf legt sich Yahmed sofort fest. Mantz' Zugang vor einem Jahr sei ja ein Glücksfall gewesen, der TSV hatte davon profitiert, dass sich der Teenager mit seinem langjährigen Verein Kolbermoor überworfen hatte, ansonsten hätte er ein solches Talent wohl nicht bezahlen können. Die Weltrangliste, in der die ehemalige Mädchen-Europameisterin Mantz auf Rang 164 und die Kroatin auf 210 gar nicht so weit auseinander liegen, täuscht da etwas. Steigerungspotenzial sieht der Trainer allerdings auch bei Jeger. "Ihr Spiel hat sich seit damals kaum verändert, ich denke, dass sie vielleicht neue Einflüsse braucht." Er würde sie gerne etwas aggressiver sehen. Yahmed war es wichtig, eine junge, formbare Spielerin zu bekommen. Zwölf Wochen werde sie mindestens in Schwabhausen trainieren, gerne auch mehr. Auch Dengler betont: "Für uns ist es sehr wichtig, dass sie hier ist, dass sie auch im Training für unsere Mädchen greifbar ist." Den Weg zur Heinrich-Loder-Halle soll Jeger künftig noch oft gehen.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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