Tischtennis:"Talent ohne Training hat nie Erfolg"

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Erstligist TSV Schwabhausen hat seine Saisonziele erreicht, nun wird der Kader verjüngt. Trainer Alexander Yahmed erklärt, wieso Jugendliche Hunderte Kilometer weit gefahren werden, nur um in der kleinen Gemeinde bei Dachau zu üben

interview Von Andreas Liebmann

Seit zwölf Jahren arbeitet Alexander Yahmed, 40, als Vereinstrainer beim TSV Schwabhausen. Er hat hier die Nationalspielerin Sabine Winter ausgebildet, die inzwischen für den Erstligisten Kolbermoor antritt, er ist Verbandstrainer und hat die Gemeinde nahe Dachau zu einem Stützpunkt des Bayerischen Tischtennis-Verbands werden lassen. Für Bayern München, den Post SV Augsburg und den TSV Gräfelfing spielte er Regionalliga, zweite und erste Bundesliga. Gerade hat er einen Lehrgang in Lignano geleitet, ein "Powercamp" für Vereinsspieler. Das Wetter war besser als daheim, lässt er wissen.

SZ: Herr Yahmed, Schwabhausens Frauen haben in der ersten Bundesliga als Achte und in der dritten Bundesliga Süd als Sechste jeweils die Klasse gehalten, beide als Aufsteiger. Sie dürften zufrieden sein?

Alexander Yahmed: Ja. Allerdings sind wir aufgestiegen, damit unsere Jugendlichen sich entwickeln. Das haben sie gemacht, aber da ist noch einiges Potenzial drin.

Ihr Erstligateam wirkt gerade äußerst solide, die Chinesin Yang Ting und die Kroatin Andrea Bakula haben hier Jobs gefunden und müssen nicht mehr pendeln.

Stimmt. Wobei Andrea Bakula nicht mehr jeden Einsatz machen wird, sie wird uns künftig nur helfen, wenn wir sie brauchen.

Dafür kommt die 18-jährige Jugend-Europameisterin Chantal Mantz aus Kolbermoor. Das ist auch keine Schwächung.

Auf jeden Fall frischer Wind. Sie hat sehr hohes Potenzial, sich zu steigern, aber das hängt ganz von ihr ab. Ob jetzt Andrea besser ist oder Chantal, ist schwer zu sagen.

Bei Bedarf können Sie ja beide einsetzen, das macht die Mannschaft schon stärker. Wie kam es eigentlich zu diesem Wechsel?

Die Familie kam vor längerer Zeit auf uns zu, eigentlich wegen der jüngeren Schwester Sarah, die in Kolbermoor die Lust am Tischtennis verloren hatte. Dass auch Chanti unzufrieden war, kam erst viel später zur Sprache. Wir können ihr nicht so viel zahlen wie Kolbermoor, aber wir haben hier auch nicht den Druck, ganz oben in der Liga mitzuspielen. Deshalb können wir sie im vorderen Paarkreuz einsetzen.

Was in Kolbermoor nicht möglich war.

Und wir kümmern uns um sie. Wir haben nicht nur bei Sabine Winter bewiesen, dass der Verein das kann, wir haben auch Eva-Maria Maier ohne Unterstützung des DTTB auf Rang drei der deutschen Jugendmeisterschaften geführt. Der Wechsel von Chanti war für uns ein Glücksfall, gar nicht geplant, aber er passt ins Konzept. Wir verstehen uns als Ausbildungsverein, da ist es immer gut, wenn man erfolgreiche Jugendspieler hat, die von den anderen Jugendlichen wahrgenommen werden.

In Kolbermoor ausgebildet, hat es Chantal Mantz 2014 bis zur Jugend-Europameisterin gebracht. (Foto: imago)

Das zurzeit erfolgreichste Talent des Vereins, die 19-jährige Eva-Maria Maier, hat überwiegend in der zweiten Mannschaft gespielt. Weil Ihnen deren Verbleib in der dritten Liga so wichtig war?

Klar. Von der Spielstärke her hätte Eva in die erste Mannschaft gehört. Nächstes Jahr werden wir sie auch deutlich mehr in der Ersten einbauen.

Mit 23:3 Siegen war sie zweitbeste Spielerin der dritten Liga, in der Rückrunde hat sie dort kein einziges Einzel verloren.

Sie ist wirklich gut. Und sie ist erwachsener, reifer geworden, sie lässt sich nicht mehr durch Kleinigkeiten rausbringen.

Ständig zweigleisig zu planen und in der ersten Mannschaft immer wieder auf eine potenzielle Stammspielerin zu verzichten, dürfte ein Drahtseilakt gewesen sein.

Das war schwierig zu handhaben für den Trainer, weil ich in den wichtigsten Spielen dann doch auf Eva gesetzt habe. Da fühlten sich andere mal auf den Schlips getreten.

Und wie war das für Eva-Maria Maier?

Ach, Eva ist unser Sonnenschein, die fühlt sich überall wohl.

Aber sie hatte in der dritten Liga plötzlich eine klare Führungsrolle inne.

Die hat sie auch super angenommen, sie hat die anderen gepusht. Tischtennis ist Individualsport, viele sind doch eher auf sich bezogen. Das kann ich nicht haben. Eva hat immer die Mannschaft im Blick, oft spielt sie da besser als in Einzelturnieren.

Maier ist 19, Mantz 18. Natalia Mozler, 13, hat als Zwölfjährige schon in Schwabhausens Erstligateam debütiert, genau wie Sarah Mantz, inzwischen 14, in Kolbermoor. Können Sie mal für Laien erklären, wie so etwas überhaupt geht: dass Zwölfjährige in der ersten Bundesliga mithalten?

Na ja, mitgehalten haben sie nicht. Natalia hat gegen die Topteams gespielt, sie sollte einfach mal sehen, wie es da zugeht, auch um ihr zu zeigen, woran sie arbeiten muss.

Dann anders: Natalia hat als Zwölfjährige in der dritten Bundesliga Spiele gewonnen. Gegen taktisch viel erfahrenere und athletisch überlegene Gegnerinnen.

Es sind einfach Ausnahmetalente. Die athletischen und technischen Sprünge müssen jetzt erst kommen. Wenn das gelingt, traue ich Natalia viel zu. Und Sarah sowieso: Sie ist überragend, wenn sie nur will, aber sie hat noch nicht gelernt, sich zu quälen. Nur: Talent ohne Training hat nie Erfolg, das gab's nie und wird es nie geben.

Gut entwickelt: Alexander Yahmed mit der 19-jährigen Eva-Maria Maier, die in der dritten Liga seit der Winterpause kein Einzel mehr verlor. (Foto: Toni Heigl)

Für diese Talente war der Erhalt der Drittligamannschaft so wichtig?

Ja. Die sollen dort ausgebildet werden.

Eva-Maria Maier oder Patricia Heiß sind Eigengewächse. Aber die Familie Mantz kommt nun mehrmals pro Woche aus Kolbermoor, mehr als 100 Kilometer entfernt. Sophia Kahler kam mit 16 aus Kastl, das ist ähnlich weit weg. Natalia Mozler wohnt mit ihren Eltern bei Ochsenhausen, das liegt in Baden-Württemberg, auch sie wird regelmäßig nach Schwabhausen ins Training gefahren. Wieso betreiben die Eltern diesen Aufwand?

Weil wir als Verein sehr viel in die Ausbildung investieren - das spricht sich herum, und das spüren die. Sie merken, wie viel Wert hier auf Training gelegt wird und dass sie bei uns gut werden.

Inwieweit hilft es, dass Schwabhausen als Stützpunkt des Bayerischen Tischtennis-Verbands gilt?

Das ist davon unabhängig. Er wurde eingerichtet, weil der Verband erkannt hat, dass bei uns gute Strukturen vorhanden sind, die er unterstützen wollte. Jetzt ist das eine Win-Win-Situation, weil das allen bayerischen Talenten die Chance gibt, bei uns mitzutrainieren.

Bei den Erfolgen der Frauen geht oft unter, dass Schwabhausen auch im männlichen Bereich stark ist. Die Jugend ist gerade bayerischer Mannschaftsmeister geworden, obwohl im Entscheidungsspiel die Nummer eins Florian Schwalm gefehlt hat. In Jürgen Haider, 13, gibt es auch hier ein großes Talent.

Das übrigens aus der Nähe von Kempten zu uns kommt, auch nicht der nächste Weg. Jürgen hat überragende Anlagen. Ich habe selten so einen kleinen Jungen gesehen, der so viel kann. Er muss vielleicht noch ein paar Knödel essen, aber mit dieser Hand und diesen Möglichkeiten gibt es meiner Meinung nach in Deutschland nur sehr wenige.

Die erste Männermannschaft war in der Regionalliga dieses Jahr ebenfalls Aufsteiger - und hat den Klassenerhalt als Dritter sehr souverän gemeistert.

Vor allem muss man wissen, dass wir wegen Krankheiten und Verletzungen fast nie komplett gespielt haben. Und auch wir haben unsere Jugendlichen eingesetzt.

Ein gewisser Alexander Yahmed hat nach der Winterpause nur ein Einzel verloren.

Tja, stimmt: In der Rückrunde war er ganz gut, der alte Mann.

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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