Tischtennis:Pingpong als Willkommensgruß

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Tischtennis-Zweitligist engagiert sich in Fürstenfeldbrucker Asylheim

Von Andreas Liebmann, Fürstenfeldbruck

Am Montag vor Heiligabend hat Rudi Lutzenberger zum ersten Mal dieses Gate passiert. Etwa 600 Flüchtlinge sind hinter den Mauern des Fliegerhorsts Fürstenfeldbruck untergebracht, ganz ohne Sicherheitsvorkehrungen geht es nicht. Der 68-Jährige wird kontrolliert und eingelassen. Er hat schwer zu schleppen. Zehn neue Tischtennisschläger hat er dabei, einen Karton mit 144 Bällen, ein paar Netze. Fast wie der Weihnachtsmann. Dann steht er in einer leeren Halle und wartet. Zwischen drei alten Tischtennisplatten. Beigefarbene Steinfliesen, beigefarbene Wände. Kein Mensch in Sicht.

Rudi Lutzenberger ist Abteilungsleiter des ortsansässigen Tischtennis-Zweitligisten. Er hatte eine Anfrage von der Stadt bekommen. "Für mich war klar, dass wir etwas tun müssen", sagt er. Und weil er als pensionierter Deutschlehrer Zeit hat - im Anschluss unterrichtet er montags Drittklässler in einer Tischtennis-Arbeitsgruppe, ehe es zum Vereinstraining weitergeht -, habe er sich gesagt: "Das kann ich eigentlich auch gleich selbst machen."

Schritte. Fünf junge Menschen kommen herein. Immerhin. Lutzenberger deutet auf die Platten, zeigt seine Schläger, lächelt. Die Verständigung ist nur über Gesten möglich. Die wenigsten hier sprechen ein paar Brocken Englisch. Nach und nach kommen mehr, spielen erst miteinander, irgendwann macht auch Lutzenberger mit, in Jeans und kariertem Hemd. Der Erste, mit dem er spielt, spricht Arabisch, die meisten anderen kommen aus Afrika, aus Nigeria und Eritrea. "Der Boden ist nicht sehr geeignet", stellt er fest, die Platten sowieso nicht. "Aber ich gehe da natürlich mit ganz falschen Maßstäben heran." Es geht hier ja nicht um Wettkämpfe. Nur um etwas Spaß. Und schon bald lachen die Ersten. Lutzenberger war vor Jahren mal in Tansania, sechs Wochen lang, er hat damals schon festgestellt, wie leicht sich die Menschen dort selbst an Kleinigkeiten erfreuen können, wie gerne sie lachen. Und diese hier haben schlimme Dinge erlebt.

16 Leute sind es letztlich, vom kleinen Mädchen bis zum jungen Mann, eigentlich viel zu viele für drei Platten. Sofort überlegt Lutzenberger, ob es in seinem Verein nicht irgendwo noch Tische gibt, die dringend ausgetauscht werden müssten.

Es ist ein Anfang. Auch für 2015 werden in Deutschland mehr als 200 000 Flüchtlinge erwartet. "Ich denke, dass ich den Job jetzt länger machen werde", sagt Lutzenberger schmunzelnd. Immer montags wird er versuchen, den Neuankömmlingen etwas Spaß und Abwechslung zu bieten.

Was sein Verein davon hat? Rein gar nichts. Es wird ein ständiges Kommen und Gehen sein, die Menschen hier bleiben nie lange, sie werden weitergeschickt. Lutzenberger ist weder auf Talentsuche noch auf Mitgliederfang, dabei merke man den meisten hier doch an, dass sie nicht zum ersten Mal einen Schläger in der Hand halten. Deshalb sei seine Sportart ja auch so gut zur Integration geeignet, findet Lutzenberger: "Tischtennis wird einfach überall auf der Welt gespielt."

Sein Verein engagiert sich schon länger für Flüchtlinge. Immer mittwochs bietet er in der eigenen Sporthalle ein Training für Asylsuchende an, Marianne Klehmet, eine der Jugendtrainerinnen, leitet es. Dort sind es die Bewohner eines Asylbewerberheimes an der Hasenheide, die kostenlos am Training teilnehmen und mit den Vereinsspielern üben dürfen. "Integration ist dafür eigentlich ein zu großes Wort", sagt Lutzenberger, "auch die sind ja nie lange da." Der Verein versucht einfach dem gerecht zu werden, was er als seinen sozialen Auftrag begreift. Von der Stadt hat er dafür gerade einen Förderpreis erhalten.

Lutzenberger wird nun also regelmäßig dieses Security-Gate passieren, und natürlich hofft er, dass er einige dieser jungen Menschen etwas besser kennenlernen wird, ehe sie weiterziehen. "Ich bin eher vorsichtig und will sie nicht gleich bedrängen", sagt er, aber er sei doch sehr an ihren Schicksalen interessiert. Einer habe ihm am ersten Tag erzählt, dass er von Eritrea aus quer durch die Wüste marschiert sei, um über Sudan und Libyen nach Europa zu gelangen. Mag sein, dass "Integration" ein viel zu großes Wort ist für das, was Fürstenfeldbrucks Tischtennisspieler hier leisten können. Doch selbst wenn es nur ein kleines Zeichen des Willkommens ist, ist es schon viel wert.

© SZ vom 02.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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