Tischtennis:Phänomen an der Bande

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Behält im letzten Einzel die Ruhe: Fürstenfeldbrucks Filip Cipin. (Foto: Reger)

Zweitligist Fürstenfeldbruck erobert 5:5 bei starkem Aufsteiger

Von Andreas Liebmann, Fürstenfeldbruck

Yunli Schreiner, Geburtsname Qiao Yunli, ist "eine deutsche Tischtennis-Bundesligaspielerin chinesischer Herkunft", so steht es im Online-Lexikon Wikipedia. Vor allem aber - das steht dort nicht - ist die mehrmalige deutsche Mannschaftsmeisterin und Europapokalsiegerin (mit Langweid) ein Phänomen. Der Männer-Zweitligist TuS Fürstenfeldbruck profitiert seit Jahren von ihrem Sachverstand und ihren Kontakten in die Heimat, wo ihre Schwester Qiao Yunping als Verbandstrainerin der Provinz Shandong arbeitet; auch ihr Coaching wird hier sehr geschätzt. Doch am vergangenen Samstag zum Brucker Auswärtsspiel beim TTC Ober-Erlenbach, als ihre Tipps besonders wichtig gewesen wären, hätte Yunli Schreiner eigentlich passen wollen. Denn tags zuvor weilte sie mit ihrem Verein Metz TT zu einer Champions-League-Partie in Budapest. Sie tritt kürzer dieses Jahr, war nur als Trainerin mitgereist, doch oft spielt sie auch immer noch selbst - mit 50 Jahren.

Die Notlage des TuS Fürstenfeldbruck in Bad Homburg, wo der noch ungeschlagene Aufsteiger Ober-Erlenbach seine Heimspiele austrägt, ergab sich dadurch, dass Trainer Andras Podpinka fehlte; er musste in der zweiten Mannschaft spielen. Und Yunlis Mann Ralf Schreiner, selbst ehemaliger Bundesligaspieler und sonst gerne beim Coaching behilflich, feierte den Geburtstag seines Vaters. Also setzte Teammanager Rudi Lutzenberger einige Hebel in Bewegung, damit wenigstens Yunli Schreiner einen passenden Flug von Budapest nach Frankfurt fand, wo er sie dann abholte. Heraus kam ein 5:5. Es war erst der zweite Punktverlust für Ober-Erlenbach, und der Verdacht drängte sich auf, dass Yunli Schreiner ein gewisser Anteil daran zukam. Zumindest gelangen den Gästen aus Bayern an jenem Tisch, an dem zunächst Lutzenberger Tipps gegeben hatte, später dann die Mitspieler und schlussendlich der nachgereiste Ralf Schreiner, null Siege. Und an jener Platte, die Yunli Schreiner betreute, fünf. Also: Fünf von fünf!

Yunli Schreiner hatte freilich auch den besseren Tisch erwischt. Dort trat in ihrem Sohn Florian und dem Tschechen Michal Obeslo das stärkere Brucker Doppel an, dort spielte im Einzel zweimal der Ober-Erlenbacher Ersatzmann Björn Hampl, der zwar ein wenig über sich hinauswuchs und Bojan Crepulja zwei Sätze abrang, gegen den Lutzenberger aber doch zu Recht zwei Pflichtsiege eingefordert hatte. Und während am anderen Tisch die Nummer eins der Gäste, der Japaner Kohei Sambe, gegen Obeslo und Florian Schreiner seine Ausnahmestellung in der Liga untermauerte, traten die beiden an Yunli Schreiners Tisch jeweils gegen Qiu Dang an - Obeslo siegte in fünf, Schreiner in vier Sätzen.

Es dürfte Spaß machen, den 26-jährigen Tschechen Obeslo zu coachen. "Ein netter, intelligenter Mann", so Lutzenberger, "kein Riese, er spielt gar nicht so spektakulär, aber mit Kopf. Er kann seine Taktik gut umstellen." Gegen die kompromisslosen Angreifer Sambe, immerhin Nummer 101 der Welt, und Qiu streute er immer mal wieder weiche Spins ein. Auch ihren Sohn dürfte Yunli Schreiner, die ruhig, beinahe stoisch an der Bande steht, zurzeit gerne coachen. Der 19-jährige, ehemalige deutsche Jugendmeister ist im Aufwind, seit er nach bestandenem Abitur in Saarbrücken und am Bundesleistungszentrum Düsseldorf trainiert. Dort gehört er wie auch Qiu dem neuen U23-Kader des Deutschen Tischtennis-Bunds an, weshalb er die gesamte EM-Vorbereitung mit Dimitrij Ovtcharov und Co. mitgemacht hat. "Seine Rückhand ist viel besser geworden, auch mental hat er sich gesteigert", sagt Lutzenberger. Vorige Saison war Schreiner Qiu zweimal unterlegen, diesmal gewann er nach furiosem Start in vier Sätzen - auch dank eines klugen Timeouts seiner Mutter. Und souveräner als Obeslo, der erst nach einer Auszeit im fünften Satz durch Nervenstärke triumphierte. "Er gewinnt auch die knappen Dinger", lobte Lutzenberger nach dem 11:8.

Trotzdem lag der TuS 4:5 hinten, alle Augen waren nun auf Brucks Nummer vier Filip Cipin gerichtet. Die frenetischen Fans des Aufsteigers, die mit Trommeln Stimmung machten, feuerten ihren Ersatzmann Hampl an - doch Cipin behielt nicht zum ersten Mal in einer solchen Situation die Nerven und setzte sich in vier Sätzen durch. "Das macht er gut, wie er da die Ruhe behält", lobte Lutzenberger. Der Kroate wusste ja auch die ruhige Yunli Schreiner an seiner Seite.

© SZ vom 20.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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