Tischtennis:Nummer-eins-Azubi

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Auf der Suche nach einer Waffe: Tom Sfiligoj (hier im Doppel mit Florian Schwalm) arbeitet nach einer Niederlagenserie gerade hart an sich. (Foto: Toni Heigl)

Der junge Slowene Tom Sfiligoj hat beim Viertligisten TSV Schwabhausen ein schweres Erbe angetreten

Von Andreas Liebmann, Schwabhausen

Der Weg in sein neues Leben führte durch einen dunklen, 7864 Meter langen Tunnel. Er hatte ein Foto davon auf seine Facebookseite gestellt, dazu ein Bild von vier Sporttaschen und einem Reisekoffer. "Big day for me", schrieb Tom Sfiligoj, ein großer Tag für ihn. "Bye Slovenia, hello Germany." Smiley. Der 19-Jährige brach auf, fort von daheim, um - wie er auf Englisch schrieb - "das zu tun, was ich am meisten liebe: Tischtennis zu spielen". Von Slowenien ging es unter den Karawanken hindurch nach - tja: Wohin eigentlich?

"Schwabhausen, Thuringen, Germany" hatte Tom Sfiligoj verlinkt, auf dass all seine Freunde nachsehen konnten, wohin es ihn verschlagen hat. Doch tatsächlich hatte er ein Engagement in Schwabhausen, Oberbayern, angenommen, Landkreis Dachau. Er lacht, als er von seinem Fauxpas erfährt, er hatte ihn bis jetzt noch nicht bemerkt. Und er versichert, dass er im August natürlich trotzdem auf Anhieb im richtigen Schwabhausen angekommen sei.

Zuletzt konnte man allerdings überlegen, ob der Teenager damals nicht doch das falsche Reiseziel ausgewählt hatte, vielleicht dachte er sogar selbst ein wenig darüber nach. Denn er war aus der ersten slowenischen Liga gekommen, vom NTK Ilirija, als neue Nummer eins des TSV Schwabhausen in der Regionalliga Süd. Doch von seinen ersten 13 Einzeln gewann er nur ein einziges. "Am Anfang hatte ich Pech", erzählt er, mehrmals unterlag er in fünf Sätzen. Doch die Niederlagen wurden deutlicher. "Ich bin nervös geworden", sagt Sfiligoj. Sein neuer Verein steht nun mit drei Punkten aus sieben Spielen auf Rang acht, dem Abstiegsrelegationsplatz. Die vergangene Saison schloss er noch als Vierter ab.

"Das Wichtigste ist, dass wir nicht absteigen", betont Alexander Yahmed. Er ist Schwabhausens Trainer und zugleich Sfiligojs Mitspieler, und er will ungern riskieren, was der Klub in jüngerer Vergangenheit erst aufgebaut hat; dass er neben den erfolgreichen Frauen, die seit Jahren zwischen erster und zweiter Liga pendeln, auch ein Männer-Team in der vierten Liga etabliert hat. Nach dem FC Bayern ist es das zweithöchste im Großraum München. Und ja: Spielerisch habe er von dem Neuen "vielleicht etwas mehr erwartet", gibt er zu, "aber Tom macht seine Sache sehr gut". Er sei mit allem recht zufrieden - mit Ausnahme der Ergebnisse natürlich.

"Wir haben gewusst, dass wir keine Rakete holen, sondern einen, den wir ausbilden müssen, aber das haben wir noch immer geschafft", sagt Yahmed. Zurzeit arbeite er daran, dass der junge Slowene, der bislang eher brav und schön spielt, der die Ästhetik des Tennisspielers Roger Federer bewundert, eine echte Waffe bekommt. Eine für die entscheidenden Punkte. Vielleicht seinen Gegenspin, der schon jetzt besser sei, als Sfiligoj selbst das vielleicht ahne.

Für das Schwabhauser Sextett ist die Situation völlig ungewohnt. Die Mannschaft ist neu, Yahmed zurück aus dem zweiten Team, das hintere Paarkreuz stark besetzt mit zwei Zugängen, dem ehemaligen Kolbermoorer Vojtech Klimek und dem Nigerianer George Shoneye. An Position vier überzeugt der Nachwuchsspieler Florian Schwalm. Doch auf den Spitzenpositionen haben Sfiligoj und Calin Covaciu einen schweren Stand. Und just dort hatte der TSV bis vor einigen Monaten den Ägypter Mohamed Shouman stehen, einen der stärksten Spieler der Liga. "Der würde uns allein die Klasse halten", sagt Yahmed.

Sfiligoj nun an Shouman zu messen, wäre unfair. Der Ägypter war dem Verein zugelaufen, ein Nationalspieler, den verschlungene Pfade ursprünglich nach Dachau geführt hatten, in die Bayernliga. "Es war klar, dass er nur ein Jahr bleibt", erinnert sich Yahmed, der den heute 22-Jährigen für die Bundesliga vorbereiten sollte, für eine Profikarriere. Doch nach dem Jahr verzichtete Shouman auf eine Weiterempfehlung in die Bundesliga - er verlängerte. "Für uns ein Traumspieler, aber so ganz habe ich das nicht verstanden", wunderte sich Yahmed. Sogar ein drittes Jahr wäre Shouman, inzwischen verheiratet, geblieben, er wäre dann jedoch nur zu Spielen angereist, wie das in den meisten Klubs der Fall ist. Das aber will Schwabhausen nicht. "Wir wollen jemanden, der uns auch im Training hilft." Das ist nun Sfiligoj. Shouman dagegen ist wohl irgendwo in der Türkei gelandet, Yahmed weiß es nicht genau.

Tom Sfiligoj spricht gut Deutsch, langsam noch, aber er versteht eine Menge. Er wohnt in Dachau, hat ein Online-Studium (Medien und Marketing) begonnen. Anders als Shouman hat ihm Yahmed dazu geraten, zweigleisig zu planen. Sicherheitshalber. Die ersten Gegner, sagt Yahmed, seien schwierig gewesen, dann kam Verunsicherung. "Ich war frustriert", gibt Sfiligoj zu. Und das, obwohl er gewusst habe, dass "90 bis 95 Prozent" der Spieler in der vierten deutschen Liga besser seien als in der ersten slowenischen. "Wir müssen ruhig bleiben", ist sich Yahmed sicher, die ganze Mannschaft und auch Sfiligoj. Der habe sich mit der ersten Auslandsstation einen "extremen Druck" auferlegt. Sie arbeiten viel psychologisch zusammen. "Ich versuche ihm zu vermitteln, dass der Glaube viel wichtiger ist als der Wille", sagt Yahmed. Der Glaube also an die eigene Chance.

Leichter ist die Sache allerdings nicht geworden. Denn am Wochenende gegen Versbach hat sich nun Yahmed schwer verletzt (siehe Kasten). Der Druck auf die Nummer eins wird damit nicht gerade kleiner.

Sfiligoj mag sein Reiseziel dennoch. Er fühle sich wohl, sagt er, habe schnell Anschluss gefunden. Es sei die richtige Entscheidung gewesen, sein Zuhause zu verlassen. Er hat am vergangenen Samstag sein zweites Einzel gewonnen, 3:1 gegen Thomas Theissmann, Nummer eins des SB Versbach. "Leider war es nicht wichtig, weil die Mannschaft ja verloren hat", sagt Sfiligoj, 5:9. "Aber für mich war es wichtig. Ich fühle mich besser seitdem. Es war gut für den Kopf."

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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