Tischtennis:Mit festem Standpunkt

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Pfeilgradaus: Der Abteilungsleiter beobachtet den Sieg von Alina Nikitchanka (li.) und Eva-Maria Maier. (Foto: Toni Heigl)

Der TSV Schwabhausen würde gerne in die erste Liga zurückkehren. Doch dafür müsste nicht der Verein sich verändern - sondern die Liga.

Von Andreas Liebmann, Schwabhausen

Thomas Weikert war als "Stargast" angekündigt worden. Zwar dürfte der Bekanntheitsgrad des 56-Jährigen außerhalb der Tischtennisszene, noch dazu in Bayern, kaum größer sein als der seines Geburtsortes Hadamar oder seines ehemaligen Erstligaklubs TTC Herbornseelbach (beides Mittelhessen). Dennoch war diese Vokabel nicht zu hoch gegriffen. Weikert ist Präsident des Tischtennis-Weltverbands ITTF. Mit seinem Besuch am Samstag ist dem Bayerischen Tischtennis-Verband (BTTV) ein Coup gelungen: Denn der Chef des (nach Mitgliedsstaaten) weltgrößten Sportverbands zierte in Ruhpolding das Finale des Bavarian TT-Race, einer neben dem Ligabetrieb laufenden Turnierserie für unverdrossene Vielspieler, die nur auf Amateure abzielt. Das war fast so, als schaute Fifa-Präsident Gianni Infantino mal eben beim Kreis-Toto-Pokal vorbei.

Weikert wurde von den Teilnehmern rege befragt, etwa zum Thema Plastikball, oder den zig verschiedenen Spielsystemen, die sich die Sportart allein in deutschen Ligen leistet. Die Frage, was eigentlich so falsch ist an der ersten Bundesliga der Frauen, dass dort nur sieben Klubs antreten wollen, wurde ihm nicht gestellt.

Darüber hätte sich Weikert am Samstag 120 Kilometer südöstlich schlau machen können, in Schwabhausen, wo der ortsansässige Zweitliga-Meister und aktuelle Tabellenführer den TSV Langstadt empfing, zum dritten Spitzenspiel für die Gastgeber binnen 14 Tagen. Doch nicht einmal Spitzenfunktionäre wie Weikert können an zwei Orten gleichzeitig auftauchen.

Beide Teams wiesen bis dahin nur zwei Minuspunkte auf, die des noch ungeschlagenen TSV Schwabhausen entsprangen den beiden jüngsten Remis gegen Uentrop und Weinheim. Gegen Langstadt gab das Quartett keinen Punkt ab, es baute seine Tabellenführung mit einem unerwartet klaren 6:2-Sieg weiter aus. Zum dritten Mal in dieser Saison kam Spitzenspielerin Yang Ting zum Einsatz, doch auch Langstadt hatte personell alles gegeben: War erstmals in dieser Saison mit Archana Kamath und damit erstmals komplett angetreten. Die 17-jährige Inderin bezwang sogar Yang in fünf Sätzen, doch Schwabhausen ist längst nicht mehr von seiner Nummer eins abhängig: Die Nummer zwei Mateja Jeger hatte Kamath zu Beginn in drei Sätzen bezwungen und sich danach auch gegen die Polin Monika Pietkiewicz durchgesetzt. Für Langstadt punktete nur noch Alena Lemmer gegen Eva-Maria Maier.

Die Frage nach der ersten Liga ist damit schon wieder ein bisschen drängender geworden. Der BTTV selbst hat kürzlich ein paar Einblicke dazu gegeben. Auf seiner Homepage zeigt er nämlich ein Interview mit Helmut Pfeil, dem Abteilungsleiter des TSV Schwabhausen. Überschrift: "Wir beschäftigen uns mit dem Thema Aufstieg."

Mit diesem Titel ist etwas Vorsicht geboten: Pfeil führt nicht etwa aus, dass sein Team, das im Frühjahr als Meister auf den Wiederaufstieg verzichtet hatte, nach der laufenden Saison nun doch ins Oberhaus zurück will. Er sagt nur: Mit diesem Thema "beschäftigen wir uns immer". Generationen von Alchemisten haben sich zum Beispiel auch mit der Herstellung von Gold beschäftigt. Ergebnisoffen, wie man heute sagen würde. Pfeil versichert allerdings auch, dass es zuletzt "mit Sicherheit keine leichte Entscheidung" gewesen sei, als Meister auf den Aufstieg zu verzichten.

Ein Aufstieg wäre "keine Frage", sagt Helmut Pfeil. Wenn es nur mehr Gegner auf Augenhöhe gäbe

Geführt hat das Video-Interview BTTV-Pressesprecher Florian Leidheiser, der vor einem Jahr vom Deutschen Tischtennis-Bund nach München gewechselt war. Mit zwei Kameras war er vor zwei Wochen zum Ligagipfel gegen Uentrop angerückt, etwas erstaunt wirkte er doch, als er vor der Halle problemlos parken konnte und auch drinnen kein Gedränge herrschte. Pfeil erklärte ihm, dass ein Stamm von 50, 60 Fans üblich sei - und zwar unabhängig von der Frage nach erster oder zweiter Liga.

Pfeil nutzte die Kameras, um den Standpunkt des Vereins deutlich zu machen: Es gehe dem TSV nämlich vor allem um seine Nachwuchsarbeit. "Wir setzen unser Geld hauptsächlich für die Ausbildung der Jugendlichen ein", erläutert er. Die Bundesligamannschaft brauche man, "um über Sponsoren Gelder zu generieren", was im Übrigen kein Selbstläufer sei, sondern harte Arbeit. Die besten Jugendlichen wiederum sollten natürlich in die erste Mannschaft eingebaut werden, wie zuletzt Eva-Maria Maier oder aktuell Sarah Mantz. Doch das ginge in der ersten Liga nur dann, wenn man zumindest im hinteren Teil der Tabelle "spannende Wettkämpfe" hätte. Wenn dort künftig also wieder mehr Klubs spielten als "die sechs Etablierten", gegen die es kaum Chancen gebe. Dann wäre ein Aufstieg "keine Frage", so Pfeil. Wenn man in der ersten Liga jedoch "nur Prügel kriegt, vergrault man sich den Nachwuchs".

Zwei junge Profis (Jeger und Alina Nikitchanka) hat der TSV unter Vertrag, die hier noch dazulernen sollen, dazu einige Eigengewächse. Einen Erstligakader zusammenzukaufen, ist der TSV nicht bereit, lieber bleibt er in der so schön ausgeglichenen zweiten Liga. Während Pfeil in die Kamera spricht, sieht man die Spielerinnen im Hintergrund arbeiten, sie klappen Tische ein, hängen Werbebanner ab, verräumen Banden. Nur falls weitere Teams "auf Augenhöhe" mit nach oben gehen, kann sich sein Klub eine Rückkehr in Liga eins vorstellen, erläutert Pfeil. "Die Zeichen schauen ein bisschen positiver aus als letztes Jahr", sagt er. Aber man werde trotzdem wieder bis kurz vor Ende der Meldefrist mit der Entscheidung warten.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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