Tischtennis:Genug entfremdet

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Sein Gräfelfinger Team hat schon bessere Tage erlebt: Maximilian Heeg gewinnt das einzige Einzel – immerhin gegen den Weißrussen Andrei Labanau. (Foto: Claus Schunk)

Fürstenfeldbruck bezwingt im Kellerduell Gräfelfing und kündigt seinen Rückzug in die Landesliga an.

Von Thomas Okon, Gräfelfing

Über der tatsächlichen Tischtennisbegegnung zwischen dem TSV Gräfelfing und dem TuS Fürstenfeldbruck schwebte noch etwas anderes. Etwas, das man nicht sehen konnte. Es war mehr als nur das Kuriosum, dass hier der ehemalige Erstligist Gräfelfing ausgerechnet gegen den ehemaligen Zweitligisten Fürstenfeldbruck ein Viertliga-Kellerduell austrug. Beide Vereine haben große Zeiten hinter sich, zogen sich dann aber freiwillig aus dem Profibereich zurück; vor allem aus finanziellen Gründen, weil Aufwand und Ertrag nicht zusammenpassten. Gräfelfing 2011, Fürstenfeldbruck 2016. Nun duellierten sie sich also vor etwa 50 Zuschauern.

Jonas Becker erwähnte es im Anschluss an die 3:9-Klatsche für seine Gräfelfinger eher beiläufig. "Es war mit Sicherheit auch ein Vorteil für Bruck", vermutete der Mannschaftsführer, "dass sie nach dieser Saison wahrscheinlich sowieso zurückziehen und damit keinen großen Druck mehr verspüren." Am ehesten konnte man diesen Effekt vielleicht am Gesicht des Fürstenfeldbruckers Morgan Östergaard ablesen, der gegen Ende der Partie fröhlich vor sich hin strahlte. Wobei: Östergaard hätte vermutlich auch sonst den allerwenigsten Druck verspürt, er hatte ja nichts zu verlieren. Eigentlich ist er nur die Nummer sechs der zweiten Mannschaft. Nun aber hatte der Ersatzmann Gräfelfings Stammspieler Christopher Triep in fünf Sätzen bezwungen. "Damit haben wir nicht gerechnet", gab Brucks Spielertrainer Andras Podpinka zu.

Es war sicherlich das überraschendste Ergebnis. Podpinka glaubte aber nicht so recht, dass eine Last von den Schultern seiner Mitspieler abgefallen wäre wegen des möglichen Rückzugs. Bis zu dieser Partie war er noch gar nicht bestätigt, und auch nach dem Sieg betonte der ehemalige ungarische Weltklassespieler, der international für Belgien antrat: "Es ist noch nichts offiziell. Und selbst wenn wir tatsächlich zurückziehen sollten, wollen wir die Spiele trotzdem seriös zu Ende spielen."

Gräfelfings hohe Niederlage lag laut Jonas Becker nicht unbedingt nur an der eigenen Leistung. Klar hätten die Würmtaler in dieser Saison schon stärkere Vorstellungen gezeigt, doch seien die Gäste "auch deutlich besser, als es die Tabelle aussagt". In Podpinka, der ehemaligen Nummer 23 der Welt, hätten sie "die wohl beste Nummer eins". Auch der Weißrusse Andrei Labanau und der bayerische Kaderspieler Petros Sampakidis seien für sie schwer zu packen. Zwar konnten die Gastgeber in den Doppeln noch gut mithalten, allerdings gab es nach den zwei Punkten dort nur noch einen Sieg durch Maximilian Heeg gegen Andrei Labanau - einen überraschend klaren allerdings, 11:4, 11:8, 11:3. Die restlichen Einzel gingen alle an die Gäste. Damit haben die Brucker den Abstiegsrelegationsplatz an Gräfelfing weitergereicht. Ein Rückzug des TuS würde übrigens nichts daran ändern, dass der Vorletzte in die Relegation muss und der Letzte direkt absteigt.

Inzwischen hat der Fürstenfeldbrucker Abteilungsleiter Rudolf Lutzenberger den Rückzug für die kommende Saison bestätigt. Gründe nennt er zuhauf. Da sei der saudische Profi Abdulaziz Bu Shulaybi, eigentlich die Nummer zwei, der fast nie da gewesen sei. Oder der auf Position fünf groß angekündigte Carlos Fernandez, ein Teenager aus Peru, der erst in der Rückrunde zum Team stoßen sollte, nach Lutzenbergers Ansicht aber stark genug hätte sein müssen, um dort kaum ein Spiel zu verlieren. "Er hat eine schlechte Südamerikameisterschaft gespielt, weswegen ihm der Verband seinen Aufenthalt gestrichen hat", erklärt der Abteilungsleiter. "Er würde sehr gerne hier spielen, allerdings stand das nicht mehr in seiner Macht."

All das habe auch zur Verärgerung der Geldgeber geführt. "Ich kann unsere Sponsoren schon verstehen", gibt Lutzenberger zu. Es sei eben auch eine Entfremdung festzustellen. Das Ziel des Vereins sei es eigentlich nicht, sechs Ausländer im Kader zu haben, sondern regionalen Talenten eine Chance zu geben. Allerdings hat das nie so recht geklappt. Seit dem Abschied des ehemaligen deutschen Jugendmeisters Florian Schreiner gab es nur Petros Sampakidis, der in den vergangenen Jahren den Sprung in die erste Mannschaft geschafft hat. Ansonsten wirkt der Kader im Vergleich mit dem Gräfelfinger ein bisschen so, als hätten sie den Rückzug vom professionellen ins nichtprofessionelle Tischtennis nie wirklich konsequent hinbekommen. Die Drittliga-Frauen, die am vergangenen Sonntag ebenfalls ein wichtiges Duell gegen den Abstieg gewannen (6:3 gegen Chemnitz II), sind von den Veränderungen im Verein laut Lutzenberger nicht tangiert.

Der 16-jährige Sampakidis tut ihm nun am meisten leid. Er kam schon als Zehnjähriger und hat seitdem eine Bindung zum Klub aufgebaut. "Er wird mit Sicherheit einen sehr guten Verein finden", glaubt der Abteilungsleiter. "Sein Potenzial ist unbestreitbar, und er hat in dieser Spielzeit eine gute Entwicklung genommen." Podpinka wird zwar nicht als Spieler, aber weiterhin als Trainer bleiben. "Er wird viele Angebote als Spieler bekommen. Man sieht ja, was er immer noch drauf hat", sagt Lutzenberger. Unterfordert war der 51-Jährige trotz seiner beeindruckenden Bilanz von aktuell 22:4 Siegen allerdings auch im gehobenen Amateurbereich nicht. Auch gegen Heeg und Becker gab er jeweils den ersten Satz ab. "Vor zwei Wochen habe ich gegen die Nummer 97 der Welt, Gaston Alto, gespielt und gewonnen", erzählt er. 3:1 (11:7, 11:9, 10:12, 11:4) setzte er sich gegen den 34-jährigen Argentinier durch. "Hier laufen viele Topspieler rum, mit denen man sich messen kann", erzählte er. Podpinka wird nun nach passenden Vereinen Ausschau halten. Selbiges gilt für Labanau und den Ungarn Zoltan Csetle.

Lutzenbergers Plan ist es, dass die erste Mannschaft den Platz der zweiten in der Landesliga übernimmt, mal wieder, und dort vorwiegend auf junge, regionale Talente setzt. "Das muss allerdings noch in der Abteilungsversammlung abgestimmt werden", fügt er an. Damit steht dem Brucker Tischtennis ein großer Umbruch bevor. Es ist nicht der erste.

© SZ vom 12.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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