Tischtennis:Duell der Frühaufsteher

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Gelungener Einstand: Mercedesz Nagyvaradi verpasst bei ihrer Ligapremiere gegen Berlin knapp eine Überraschung. Im Pokal steuert sie zwei Siege bei. (Foto: Grubisic/imago)

Fünf Wochen vor dem eigentlichen Bundesligastart holt Schwabhausen ein 4:4 in Berlin.

Von Andreas Liebmann, Schwabhausen

Schnee wird voraussichtlich noch nicht liegen, wenn die erste Tischtennis-Bundesliga der Frauen programmgemäß in ihre neue Saison startet. Aber mehr als einen Monat lang müssen sich die Klubs bis dahin tatsächlich noch gedulden. Bei gerade mal sieben Erstligisten hatten es die Planer mit der Vorrunde nicht allzu eilig. Zwei Teams haben ihren Auftakt allerdings gewaltig vorgezogen, sie trafen bereits am vergangenen Samstag aufeinander. So kommt es, dass der TSV Schwabhausen nun fünf Wochen lang an der Tabellenspitze thronen wird, punktgleich, aber mit einem alphabetischen Vorteil vor Meister TTC Berlin. Die beiden voreiligen Teams hatten sich unentschieden getrennt, 4:4.

Dieses selbst für den Spielmodus-Wirrwarr im Tischtennis unbekannte Ergebnis erklärt sich dadurch, dass in der Liga zurzeit wegen der Corona-Pandemie keine Doppel stattfinden - aber dazu später. Die Punkteteilung mit dem haushohen Favoriten wiederum erklärte sich eher durch die jeweilige Personallage. Und der frühe Termin? Nun, vermutlich hatten die Schwabhauserinnen den Tourismus-Slogan "Berlin ist eine Reise wert", den es schon in den Fünfzigerjahren gab, einfach etwas anders betont. Denn es heißt dort ja ausdrücklich: eine Reise - Singular. Und weil am vergangenen Sonntag in der Hauptstadt die Vorrundenturniere zum Final Four im deutschen Pokal stattfanden, hatte sich der TSV mit den Gastgebern darauf verständigt, tags zuvor auch gleich das Vorrundenpunktspiel mit zu erledigen. Für so einen kleinen Verein wie den seinen sei es eben wichtig, die Logistikkosten niedrig zu halten, erläuterte Trainer Alexander Yahmed.

Rein sportlich hätte es sein Verein eigentlich weniger eilig gehabt, denn Sabine Winter, Schwabhausens Nummer eins, erholt sich zurzeit noch von einer Schulteroperation. Nicht zuletzt wegen der Ungewissheit, wann die Anführerin wieder völlig genesen sein würde, hatte der TSV im Sommer nach der Ungarin Orsolya Feher noch deren Landsfrau Mercedesz Nagyvaradi nachverpflichtet. Gegen Berlin traten nun beide an, Winter dagegen pausierte - doch tags darauf wurde auch sie überraschend im Pokal eingesetzt und zeigte, dass sie schon auf einem guten Weg ist.

Berlins Personalprobleme waren gravierender und nicht vorhersehbar. Nach Kathrin Mühlbach (schwanger) hatten sich sehr kurzfristig die Nationalspielerinnen Shan Xiaona und Nina Mittelham abgemeldet, wegen Schmerzen an den Adduktoren beziehungsweise an der Hüfte. So musste die 50-jährige Trainerin Irina Palina selbst zum Schläger greifen, um gemeinsam mit den Zugängen Britt Eerland und Jessica Göbel wenigstens auf drei von vier erforderlichen Spielerinnen zu kommen.

Unter diesen Voraussetzungen wäre für Schwabhausen sogar ein Auswärtssieg möglich gewesen. Doch die routinierte, aus Busenbach gekommene Göbel setzte sich bei ihrem Debüt sowohl gegen Feher als auch gegen die Belarussin Alina Nikitchanka jeweils knapp in fünf Sätzen durch. Auch Eerland behielt gegen Nagyvaradi in fünf Sätzen die Nerven. Berlins 26-jährige Holländerin Eerland ist die Nummer 30 der Weltrangliste, zählt beständig zu den Ligabesten und war zunächst in vier Sätzen ihrer Favoritenrolle gegen Schwabhausens Mateja Jeger gerecht geworden. Doch gegen Nagyvaradi, ebenfalls 26, musste sie zittern. Mehr noch: Im fünften Satz sah die Ungarin, die selbst gerade mal auf Position 299 der Welt notiert ist, bei einer 9:6-Führung bereits wie die Siegerin aus. Doch die letzten fünf Punkte machte allesamt Eerland, zum 11:6, 9:11, 11:5, 9:11 und 11:9. So blieb es für die Gäste also bei zwei kampflosen Siegen gegen die als Platzhalterin eingesetzte Mittelham und zweien gegen Palina, mit der Nikitchanka wenig Mühe hatte, gegen die sich aber Feher im abschließenden Duell nur mit Mühe 3:2 durchsetzte. Yahmed schwärmte danach von seiner neuen Mannschaft: "Die waren wirklich alle super", befand er, "und die Stimmung - das ist jetzt keine Floskel - war es auch."

Das Pokalturnier am Folgetag wurde dann eine klare Sache. Jeweils 3:0 setzte sich Schwabhausen gegen das Drittligateam des benachbarten TuS Fürstenfeldbruck (in Berlin, wohlgemerkt) sowie gegen den starken Zweitligisten Weinheim durch und qualifizierte sich damit fürs Final Four. Gegen Weinheim meldete sich Sabine Winter mit einem Viersatzerfolg über Belgiens Nummer eins Lisa Lung eindrucksvoll zurück. "Sie war überragend", fand Yahmed, "da waren Ballwechsel dabei, bei denen auch die gegnerischen Trainer applaudiert haben."

Im Umgang mit der Corona-Pandemie gab die Sportart am vergangenen Wochenende mal wieder ein buntes Bild ab. Während die Männer mancherorts mit, andernorts ohne Publikum in die erste Liga (TTBL) starteten, mal mit, mal ohne Maskenpflicht, hielt man dort an den Doppeln fest - ausgerechnet in jener Liga also, die bis 2018 jahrelang überhaupt keine Doppel vorsah. Für alle weiteren Bundesligen hatte der Deutsche Tischtennis-Bund dagegen längst einen Saisonauftakt ohne Doppel verfügt. Am Dienstag zog auch der Bayerische Tischtennis-Verband für den Amateurbereich nach: vorerst keine Doppel, unbefristet, je nach Pandemie-Verlauf. Die Pokalturniere der Frauen-Bundesligisten fanden am Sonntag dagegen, Achtung: mit Doppeln statt. "Dieselbe Halle, zum Teil dieselben Spielerinnen und sogar mehr Zuschauer als am Tag davor", kommentierte Yahmed. Dass da Doppel erlaubt seien, fand er "nicht zu begreifen." Mal abwarten, wie alles aussieht, wenn dann wirklich der erste Schnee liegt.

© SZ vom 10.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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