Tischtennis:Derber Schnitt

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Der TuS Fürstenfeldbruck zieht sich zum Saisonende in den Amateursport zurück. Ohne den bisherigen Hauptsponsor ist Zweitliga-Tischtennis nicht bezahlbar. Eine Rückkehr gilt als unwahrscheinlich

Von Andreas Liebmann

Es war einer der Tiefpunkte dieser Saison, doch das spielte gar keine Rolle mehr. Am vergangenen Samstag haben die Tischtennisspieler des TuS Fürstenfeldbruck ihr Zweitliga-Gastspiel beim TSV Bad Königshofen verloren, 1:6. Chancenlos. Wieder beide Doppel verkorkst. Den einzigen Punkt holte der Tscheche Michal Obeslo - kampflos, 11:0, 11:0, 11:0. Schon seit dem zweiten Spieltag schreiben die Unterfranken ihren an der Schulter verletzten Jungnationalspieler Kilian Ort pro forma in jede Aufstellung, er tritt zu den Einzeln jedoch nie an. Dieser legale, aber umstrittene Kniff hat ihnen einige Siege ermöglicht, wenn auch selten so klare wie gegen die abstiegsbedrohten Oberbayern. Auch das interessierte nun keinen mehr.

Während der Hinfahrt hatten die Spieler erfahren, dass sie sich neue Vereine suchen müssen. Vier Partien noch, dann war es das mit Bundesliga-Tischtennis in Fürstenfeldbruck, egal, ob sich das Team sportlich rettet. Aus finanziellen Gründen wird sich der Klub am Saisonende in den Amateursport zurückziehen. "Sie haben es irgendwie geahnt", erzählt Abteilungsleiter Rudi Lutzenberger. "Leistungsfördernd" sei die Nachricht freilich nicht gewesen.

Auch Spieler Michal Obeslo geht. (Foto: Johannes Simon)

Drei Tage später, ein Café in der Fürstenfeldbrucker Altstadt. Lutzenberger, graues Hemd, graue Strickjacke, wirkt müde, aber mit sich im Reinen. Er hat das Ende nahen sehen, doch er konnte es nicht abwenden. Ihm fehlt Geld. Den Großteil des Etats übernimmt seit acht Jahren Günther Paul, Geschäftsführer eines Olchinger Unternehmens für Laseroptik-Komponenten. Doch der Hauptsponsor zieht sich zurück. Paul, 71, habe die Firma altersbedingt an seine Söhne übergeben, die hätten keinen Bezug zum Hobby des Vaters. "Das ist legitim", findet Lutzenberger und betont: "Es waren schöne Jahre." Paul habe ein Übergangsjahr mit abgespecktem Budget angeboten, danach werde er die Abteilung als Privatmann unterstützen. "Das ist sehr fair."

Teammanager Lutzenberger wollte den Schnitt aber lieber gleich vollziehen. Ihr fünfstelliger Etat sei in jener Liga, die sich zur drittstärksten Europas gemausert hat, ohnehin der zweitniedrigste gewesen. Ohne Paul wäre eine solche Dimension nie möglich gewesen, doch mit weniger könne man eben nicht bestehen. Und andere Geldquellen zu finden, sei aussichtslos. Der pensionierte Lehrer hat schon viele Klinken geputzt für wenig Unterstützung. Die Nähe zu München mache es schwierig, glaubt er, enttäuscht habe ihn das trotzdem: "Sportlich sind wir die Nummer eins in der Stadt."

Manager Rudi Lutzenberger muss seine Leute ziehen lassen. (Foto: Günther Reger)

Lutzenberger hat schon etwas Übung in dem, was er gerade tut. Nach den Spielern erläutert er nun bei Kaffee und Kuchen Medienvertretern den Rückzug. Wie vor 15 Jahren, als sich seine Abteilung - damals noch unter dem Dach des SC Fürstenfeldbruck - aus der Oberliga in die unterste Bezirksliga zurückzog. Wegen eines vermeintlichen EU-Rechtsproblems bei der Finanzierung eines ausländischen Spielers. In den Siebzigern und Achtzigern war der SCF ein Jahrzehnt lang sogar zweitklassig, er gewann vier Meisterschaften. Nach dem tiefen Fall arbeitete sich das Team zielstrebig wieder empor. Schon damals war er der Chef. Seit er 18 Jahre alt ist, leitet Lutzenberger diese Abteilung. Heute ist er 69. Ob mit ihm noch mal so ein Comeback denkbar wäre? Unwahrscheinlich. Viel mehr stellt sich die Frage, was wohl passiert, wenn sich auch Lutzenberger eines Tages zurückzieht. "Die Abteilung ist viel zu sehr auf mich zugeschnitten", weiß er. Das sei ein Thema für die nächsten Sitzungen.

Viele Nationalspieler waren in den vergangenen Jahren hier aktiv, darunter spektakuläre Paradiesvögel wie der Brite Darius Knight, eigentlich ein Zuschauermagnet. Die aktuellen Heimspiele besuchen dennoch im Schnitt nur 100 Fans. Eine graue Schulturnhalle ohne Tribüne, draußen an der Metalltür nicht einmal Plakate, die den Weg nach innen weisen. Und dort: Stille. Außer den Aktiven ist kaum mehr zu hören als das Klicken der Bälle und bisweilen höflicher Applaus. Und Lutzenberger, der per Mikro die Paarungen ansagt. "Marketingmäßig haben wir nicht alles ausgereizt", weiß er, "da sind wir selber schuld." Fast 400 Zuschauer seien in Bad Königshofen gewesen; jung, laut, mit Trommeln.

Trainer Andras Podpinka bleibt. (Foto: Günther Reger)

Der Weggang des Jungnationalspielers Florian Schreiner nach dieser Saison stand lange fest. "Eine Topmannschaft" hätte er trotzdem hinbekommen, sagt Lutzenberger, allerdings ohne Deutschen, ohne Identifikationsfigur. Nun müssen auch Obeslo, der Serbe Bojan Crepulja und der Kroate Filip Cipin neue Klubs suchen. Gerade Obeslo war auf dem Weg zum neuen Publikumsliebling, der smarte 26-Jährige hat sich auf Rang 169 der Welt emporgespielt, zuletzt gegen Ober-Erlenbach bezwang er im Japaner Kohei Sambe einen Top-100-Spieler.

Künftig wird sich viel um Andras Podpinka drehen. Der 47-jährige Coach wird wieder Stammspieler. In der Landesliga ist er ungeschlagen, das neue Team aus vielen Altgedienten soll er in der Bayernliga anführen, der sechsten. Mit dem Ungarn und der ehemaligen Champions-League-Siegerin Sandra Peter hat der Klub viel in die Jugendarbeit investiert, das sei der größte Unterschied zur Situation vor 15 Jahren. "Damals hatten wir keine Struktur", sagt Lutzenberger. Diesmal fällt sein Klub viel weicher: "Wir haben die guten Jahre genutzt."

Viertklassiger Großraum: Münchens Männer-Tischtennis schwächelt

Als Fürstenfeldbrucks Tischtennisteam vor vier Jahren in die zweite Liga zurückkehrte, da führte der Weg über den FC Bayern. Dessen Quartett lag vor dem letzten Regionalliga-Spieltag auf Meisterkurs - dann verbot ihm der Hauptverein den Aufstieg. Die tief enttäuschten Spieler ließen sich vom SC Fürstenfeldbruck abfangen. Später stieg der FCB in die inzwischen gegründete dritte Bundesliga Süd auf, doch dort ist die aktuelle Lage bedrohlich: Nach zwei Siegen aus zwölf Partien sind die Münchner Tabellenletzte. Ein Ligaverbleib ist möglich, aber unwahrscheinlich. Bald dürfte kein Männerteam aus dem Großraum mehr in einer der drei höchsten Ligen vertreten sein.

Etwas besser sieht es in der Region bei den Frauen aus: Der TSV Schwabhausen (bei den Männern viertklassig) steht zwar ebenfalls auf einem Abstiegsplatz, aber immerhin in Liga eins. Ein Abstieg hätte wohl keine großen Folgen, zumal die zweite Mannschaft in der dritten Bundesliga Süd sogar vorne mitspielt. Dort könnte sie bald sogar Gesellschaft bekommen: vom TuS Fürstenfeldbruck. Der führt unangefochten die Regionalliga-Tabelle an.

© SZ vom 24.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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