Tischtennis:Bruck ohne Goldreserve

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Angebot aus der ersten Liga: Viel deutet darauf hin, dass Florian Schreiner, 20, den TuS Fürstenfeldbruck bald verlassen wird. (Foto: Günther Reger)

Tischtennis-Zweitligist kann seinen Joker Kim nicht einsetzen

Von Andreas Liebmann, Fürstenfeldbruck

Man kann ja heutzutage so ziemlich jeden Unfug googeln, zum Beispiel, was "Kein Anschluss unter dieser Nummer" auf Koreanisch heißt. Die Antwort der weltbuntesten Suchmaschine lautet: "i beonholo yeongyeol eobs-eum". Dieser Satz lässt sich natürlich auch in jenen ulkigen Schriftzeichen darstellen, die König Sejong der Große im 15. Jahrhundert erfunden hat, doch wer nicht zufällig gerade einen Koreaner auf seinem Schreibtisch sitzen hat, kann das Google-Ergebnis auch nicht auf Richtigkeit überprüfen. Nicht einmal Rudi Lutzenberger, der Abteilungsleiter des Tischtennis-Zweitligisten TuS Fürstenfeldbruck, kann mit Bestimmtheit sagen, ob er eine solche Ansage kürzlich mal gehört hat. Ausgeschlossen ist es nicht.

Lutzenberger hat nämlich einen Monat lang verzweifelt versucht, Kim Jung Hoon zu erreichen. Eine Nummer war nicht aktiv, auf der nächsten hob niemand ab, ein Dutzend E-Mails blieb unbeantwortet. Kim ist der häufigste koreanische Familienname, er bedeutet "Gold" (auch das lässt sich googeln), dieser Kim im Speziellen aber ist ein 33-jähriger Tischtennisspieler, der vor fünf Jahren noch unter den besten 50 der Weltrangliste stand; der schon in der ersten Bundesliga für Plüderhausen antrat; und der seit Herbst auf der Rangliste des TuS Fürstenfeldbruck an Position eins geführt wird. Als Joker. Als eine Art Lebensversicherung, falls mal der Abstieg droht.

Nun also droht der Abstieg, doch bei der Versicherung war niemand zu erreichen. Bis vor einigen Tagen eine E-Mail in gebrochenem Englisch in Lutzenbergers Postfach landete. Nun weiß er: "Das Thema ist durch." Kim hatte nach Auskunft seiner Frau einen schweren Unfall, weshalb er seit Mitte Dezember im Krankenhaus liege und weit davon entfernt sei, einem deutschen Zweitligisten zu helfen. "Ich habe ihnen nur alles Gute gewünscht", sagt Lutzenberger bedröppelt. "Jetzt wissen wir, dass wir uns selber retten müssen. Für die Spieler ist das sogar eher motivierend."

Das ist nun eine von wenigen Gewissheiten in dieser seltsamen Liga. Eine andere lautet, dass der TTC Ruhrstadt Herne seit Sonntag wohl als erster Absteiger feststeht. Da verlor er sein Heimspiel gegen den TuS, bis dahin Vorletzter, 1:6. "So deutlich war es nicht", sagt Lutzenberger. "Wir haben nur 35 Bälle mehr gewonnen, aber die waren gut verteilt." Der hohe Sieg sei dennoch gut für Spielverhältnis und Selbstvertrauen, aber: "Die anderen werden Herne auch besiegen." Zumal der Gegner in der Rückrunde auf den Japaner Takuto Izumo verzichten muss. Ansonsten bleibt in dieser Liga alles offen. Tabellenführer Hilpoltstein etwa hat gerade 1:6 in Frickenhausen verloren. Nun hat der Primus ein ebenso ausgeglichenes Spielverhältnis (47:47) wie der Abstiegskandidat Fürstenfeldbruck (46:46), der mit 10:10 Punkten Siebter ist.

Lutzenberger sieht an zwei Stellen Steigerungspotenzial: bei den Doppeln (5:13 nach der Vorrunde) und der Einzelbilanz des 20-jährigen Florian Schreiner an Position zwei (5:11). Schreiner, der als Profi inzwischen in Saarbrücken trainiert, liegt ein Angebot aus der ersten Liga vor, alles deutet darauf hin, dass der Verein für die neue Saison ohne das Talent plant, das hier zum deutschen Jugendmeister (2013) reifte.

Gegen Herne wurden Lutzenbergers Wünsche erfüllt. Schreiner überzeugte gegen Dragan Subotic, die Nummer eins des TTC, in 3:1 Sätzen, obwohl er wegen eines entzündeten Lendenwirbels zwei Wochen ganz mit dem Training hatte aussetzen müssen. Und auch beide Doppel fuhren Siege ein. "Wir sind reumütig zur alten Aufstellung zurückgekehrt", sagte der Teammanager. Die im Vorjahr erfolgreiche Balkan-Paarung Bojan Crepulja/Filip Cipin war nach fünf Vorrundenpartien ohne Sieg auseinandergerissen worden, nun durfte sie sich wieder versuchen und gewann knapp; Schreiner und der Tscheche Michal Obeslo hatten gegen Hernes bessere Paarung Szudi/Gordic deutlich weniger Mühe.

Die einzige Niederlage bezog Obeslo, der im ersten Einzel gegen Adam Szudi neben sich stand, später gegen Subotic aber souverän den Siegpunkt holte. "Kann passieren", sagte Lutzenberger gelassen. Er hat Vertrauen in seine Nummer eins. Muss er auch, seit er weiß, dass sein Team "keinen mehr in der Hinterhand" hat. Falls mal einer aus dem Stammquartett schwächelt, wäre Trainer Andras Podpinka der einzige Joker. Der Ungar ist 48. Sein Nachname bedeutet nicht etwa Gold, sondern - laut Google - rein gar nichts. Zumindest im Ungarischen. Polnisch heißt Podpinka: "Futter". Für kalte Tage.

© SZ vom 13.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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