Tischtennis:Boll nimmt Anlauf

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Aufschlag in München: Der ehemalige Weltranglistenerste Timo Boll spielt beim FC Bayern – zumindest in dessen Basketball-Halle. (Foto: Daisuke Nakashima / Imago)

Ein Duell mit Mats Hummels und Thomas Müller, ein Auftritt im Einkaufscenter: Tischtennisstar Timo Boll wirbt fürs ausgelagerte Erstliga-Spitzenspiel seines Klubs Borussia Düsseldorf am Samstag in München.

Von Andreas Liebmann, München

Der Rekord-Europameister musste sich strecken. Ihm stand ein Weltmeister gegenüber, doch dieses Händchen hatte er ihm nicht zugetraut. Vielleicht war es auch nur Zufall, dass sein Kontrahent ihn mit einer diagonalen Rückhand so weit in der offenen Vorhandseite erwischt hatte, wer weiß. Timo Boll aber wäre nicht Timo Boll, wenn er sich nicht mit zwei Topspins lässig aus der misslichen Lage befreit hätte. Nun lächelte er, sein Gegenüber fluchte, und dessen Weltmeisterkollege, der zugesehen hatte, kam rumpelstilzchenhaft angesprungen und spottete: "Jetzt hast du gedacht, du hast ihn geknackt!"

Man kann sich dieses Video im Netz anschauen, die beiden Fußballprofis Mats Hummels (der mit der Rückhand) und Thomas Müller hatten Spaß an ihrem kleinen Schaukampf mit Timo Boll, der ehemaligen Nummer eins der Tischtennis-Weltrangliste - und sie gaben kein schlechtes Bild dabei ab. Allein auf Youtube wurde das Filmchen fast 300 000 Mal geklickt. Andreas Preuß, der Manager von Bolls Klub Borussia Düsseldorf, findet: "Marketingmäßig hatte das mehr Wert als vier Sportschau-Übertragungen zusammen." Was freilich hypothetisch ist, weil Tischtennis in der Sportschau nie gezeigt wird.

Die Aufnahmen stammen vom klubeigenen Fernsehsender des FC Bayern München, sie sind schon Mitte Januar entstanden, aber erst vor einigen Tagen veröffentlicht worden. Pünktlich. Denn der Fußball-Rekordmeister hat zwar ganz sicher nicht im Sinn, das Marketing des Tischtennissports im Allgemeinen anzukurbeln, aber jenes Erstligaspiel, das an diesem Samstag im Audi Dome, der Heimstatt seiner Basketballabteilung, ausgetragen wird, das unterstützen die Münchner tatsächlich.

Am Samstag wird Bolls Rekordmeister Borussia Düsseldorf sein Rückrundenspiel gegen den Vorjahresfinalisten und aktuellen TTBL-Tabellenführer TTF Ochsenhausen in München austragen (Beginn 18 Uhr, Einlass 16 Uhr), vor großer Kulisse und mit Boll als Zuschauermagnet. Das hat zum einen damit zu tun, dass die Düsseldorfer immer mal wieder eins ihrer Heimspiele anderswo austragen, um Werbung für sich und ihre Sportart zu machen. Und zum anderen damit, dass Borussia Düsseldorf und Bayern München mehr gemein haben als die Tatsache, dass Erstere wegen ihrer vielen Titel gerne als "FC Bayern des Tischtennis" bezeichnet werden. Zwei weitere Gemeinsamkeiten sind Hans Wilhelm Gäb und die von ihm gegründete Stiftung Kinderhilfe Organtransplantation (KiO). Gäb, 82, der ehemalige Tischtennis-Nationalspieler und Automobil-Manager, ist nicht nur Ehrenpräsident des Deutschen Tischtennis-Bunds, er gilt auch als Bolls Mentor bei Borussia Düsseldorf, wo er im Hintergrund bis heute eine wichtige Rolle spielt. Außerdem saß Gäb gut ein Jahrzehnt lang beim FC Bayern im Verwaltungsbeirat und ist den Münchnern bis heute eng verbunden. Es ist also kein Zufall, dass beide Vereine maßgeblich Gäbs Stiftung KiO unterstützen, für die Boll ebenso als Botschafter aktiv ist wie etwa der FCB-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge oder eben Thomas Müller. Und so kommt dann für einen Tag all das zusammen: Die Düsseldorfer dürfen als Gastgeber den Münchner Audi Dome nutzen, wo sie für einen guten Zweck antreten: zugunsten der KiO.

Boll gegen Calderano: Es könnte zum Match zwischen der Nummer fünf und sechs der Welt kommen

Mats Hummels und Thomas Müller werden am Samstag, zumindest zum Spielbeginn, entschuldigt fehlen. Sie sind beruflich verhindert, weil sie am Nachmittag einige tausend Meter entfernt die Berliner Hertha empfangen. Boll, 37, wird es mit dem Brasilianer Hugo Calderano zu tun bekommen, dem Südkoreaner Jang Woojin, dem Franzosen Simon Gauzy, dem Österreicher Stefan Fegerl oder dem Polen Jakub Dyjas, je nach Aufstellung der TTF Ochsenhausen. Es sind die Weltranglistenpositionen sechs, elf, 31, 64 und 69. Boll steht zurzeit auf Rang fünf, drei seiner Teamkollegen sind unter den besten 50 der Welt platziert. Diese illustre Runde wird es auch sein, die an diesem Freitag im Olympia-Einkaufszentrum auftauchen soll, nicht mit Plastiktüten in der Hand, sondern mit Schlägern - von 17.30 Uhr an sollen sie dort einen Schaukampf und Autogramme geben. Die ganze Woche über fanden im Lichthof des Shoppingcenters Tischtennisaktionen statt, noch am Samstagmittag soll dort die ehemalige DSDS-Gewinnerin Marie Wegener gemeinsam mit Düsseldorfs Cheftrainer Danny Heister interviewt werden und ein paar Bälle schlagen, ehe die beiden dann zu ihren Auftritten in den Audi Dome entschwinden, wo am Abend auch der Pianist Joja Wendt spielen wird. Die große Halle soll ja möglichst voll werden.

Die passende Vorlage gab vor sechs Wochen der TuS Uentrop, ein Frauen-Zweitligist, der üblicherweise vor etwa 80 Menschen spielt. Er hatte einen neuen Ligarekord angepeilt und mit 1854 Zuschauern auch erreicht. Der Rekord in der TTBL ist deutlich höher, aufgestellt hat ihn, na klar: die Borussia aus Düsseldorf, die die Zuschauertabelle seit Jahren anführt. 2015 kamen zu einem ihrer Auswärts-Heimspiele in Hamburg 5492 Zuschauer, um Boll und Co. zu sehen. In den Audi Dome passen etwa 7000 Menschen. Noch gibt es Karten (ab 13 Euro, im Vorverkauf und an der Abendkasse), bis Mittwoch waren gut 3800 verkauft. "Die vier sollten wir überspringen", sagt Pressesprecher Alexander Schilling. "Alles darüber hinaus wäre schön, aber wir brauchen keinen Rekord."

Wie das eben so ist in München, wo der beste Tischtennisverein bei den Männern (der FC Bayern) in der vierten Liga um den Aufstieg spielt: Ein paar Sportfans werden wohl doch zu Hummels und Müller in die Allianz Arena gehen.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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