Tennis:Über Wimbledon nach Oberweier

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"Ein unglaubliches Erlebnis": Dennis Novak scheitert in Wimbledon erst in der dritten Runde am früheren Top-Ten-Spieler Milos Raonic. (Foto: Alan Grieves/imago)

Der österreichische Profi Dennis Novak vom TC Großhesselohe übt den Spagat zwischen großer Tenniswelt und Auftritten in der Provinz - was dem Wiener immer besser gelingt.

Von Matthias Schmid, Pullach

Die Orte, an denen Dennis Novak in den vergangenen Tagen Tennis gespielt hat, sind auch für einen Spieler ungewöhnlich, der sein Hobby zur Profession gemacht hat. Der Alltag führt diese Profis häufig an die entlegensten Gegenden des Erdballs. Der Österreicher erlebte das zuletzt in einer extremen Form, er trat vor wenigen Tagen noch in der dritten Runde des berühmtesten Tennisturniers der Welt in Wimbledon gegen den früheren Finalisten und Top-Ten-Spieler Milos Raonic aus Kanada an, bevor er am vergangenen Sonntag als Spieler des Zweitligisten TC Großhesselohe in Oberweier (7:2) Halt machte.

Von der Metropole London in die südbadische Provinz ist es ein gewaltiger Sprung, den man im Kopf erst einmal bewältigen muss. Novak aber geht ganz gelassen damit um. Der 24-Jährige hat "mit der kleinen Bühne", wie er nach seinen Siegen im Einzel und Doppel hervorhebt, überhaupt keine Schwierigkeiten. Die kleine Bühne ist sein Leben. Noch, muss man seit ein paar Tagen hinzufügen, nachdem er sich in Wimbledon selber aus der Anonymität ins Rampenlicht geschoben hat. Davon, einmal auf einem der Hauptplätze an der Church Road vorzuspielen, träumt jeder Jungprofi wie Novak, der lange Zeit auf der drittklassigen Future-Ebene der Profitour unterwegs war und dort 23 Titel sammelte. Für die allerwenigsten aber wird der Traum Wirklichkeit. Auch Novak, der in Wien lebt, blieb der eigentlich vorgesehene Auftritt auf dem zweitgrößten Court eins letztlich verwehrt, weil sich zuvor zwei Frauen dort länger austobten als gedacht. "Das ist schade, aber meine Leistungen in Wimbledon geben mir ungemein viel."

Vor allem hat er nun die Gewissheit aus London mitgenommen, dass er mit den Weltklassespielern nicht nur mithalten, sie ärgern, sondern sie auch besiegen kann. Den Franzosen Lucas Pouille, immerhin die Nummer 19 der Welt, hat er in fünf Sätzen geschlagen. "Das war ein unglaubliches Erlebnis", sagt Novak im Rückblick. Er war so plötzlich und unerwartet auf dem Radar des großen Tennissports aufgetaucht, dass die Spielerorganisation ATP in London noch schnell ein Video über ihn drehte und auf die Webseite stellte, mit der Überschrift: "Fünf Dinge, die Sie über Dennis Novak wissen sollten."

Der Interessierte erfährt zum Beispiel, dass Novak und Dominic Thiem, Österreichs bester Tennisspieler, eine intensive Freundschaft verbindet, sie teilen sich in Günter Bresnik nicht nur den Trainer, sondern unternehmen auch abseits des Tennisplatzes sehr viel miteinander. Natürlich waren auch seine auffälligen Tattoos ein Thema, sein rechter Arm ist voll davon. "Meine Eltern mögen sie nicht besonders", erzählt Novak. Aber ihre Abneigung hielt ihn nicht davon ab, in Wien ein Studio aufzusuchen und sich ein paar Bilder in die Haut stechen zu lassen: "Ich habe dem Typen einfach vertraut."

Dominic Thiem stieg rasant in die Elite auf - und ließ seinen Kumpel Novak erst einmal zurück

Seit dem vergangenen Winter-Trainingslager auf Teneriffa hat Novak auch mehr Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten, er ist nach einer verletzungsfreien Vorbereitung selbstbewusster auf dem Platz geworden, reifer, vielseitiger. Seine Grundschläge waren schon immer ganz okay, er galt zu Juniorenzeiten neben Thiem als der Begabteste in Österreich. Aber er konnte anfangs nur zusehen, wie sein Kumpel mit rasanter Geschwindigkeit in die Weltelite aufstieg und ihn zurückließ. Sonderlich zu beeindrucken schien ihn das nicht. "Dass es so schnell geht wie bei Domi, ist auch eine Ausnahme", sagt Novak, der sich langsam aber stetig in der Weltrangliste verbesserte und nach Wimbledon mittlerweile auf Rang 130 zu finden ist. "Mir fehlte lange vor allem die Konstanz", fügt er an. Erschwerend hinzu kamen Verletzungen. Probleme mit der Patellasehne führten im vergangenen Jahr gar dazu, dass er fünf Monate lang überhaupt keinen Schläger in die Hand nehmen konnte. Aber dass das Jahr 2018 anders werden würde, sehr viel erfolgreicher, ahnte Novak bereits in Melbourne, beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres, als er sich genauso wie in Wimbledon über die Qualifikation ins Hauptfeld spielen konnte, wo er dann gegen Grigor Dimitrov das Nachsehen hatte.

Mit jedem Sieg wächst sein Selbstvertrauen, er will jetzt natürlich so schnell wie möglich unter die besten 100 kommen. Aus diesem Grund wird er nun verstärkt die Turniere der großen Tour spielen, üblicherweise in der Qualifikation. In Kitzbühel steht er aber direkt im Hauptfeld, weil er eine Wildcard erhält. "Es ist jetzt wichtig, dass ich häufiger mein bestes Tennis zeige und nicht nur bei zwei, drei Turnieren im Jahr", sagt Novak. Sein Turnierplan führt ihn an diesem Freitag nach Großhesselohe, wo das erste Heimspiel gegen den TVH Rüsselsheim ansteht. "Das sind alles supernette Jungs" hat er bei seiner Premiere in Oberweier feststellen können. Das Saisonziel des TCG hat Dennis Novak schon verinnerlicht. "Es wäre cool, wenn wir in die erste Liga aufsteigen würden."

© SZ vom 17.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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