Tennis:Spaß im Kleinen, Lust auf Großes

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"Wir Spieler wollen natürlich das Maximum erreichen": Marco Chuidinelli, 34, weiß aber auch, dass die Mittel beim TCG begrenzt sind. (Foto: Peter Schneider/dpa)

Mit seinem Jugendfreund Roger Federer hat Marco Chiudinelli den Davis Cup gewonnen. Mit dem TC Großhesselohe winkt dem Schweizer nun der Titel in der zweiten deutschen Liga

Von Matthias Schmid, Oberhaching

Vor seinem letzten Aufschlagspiel im Doppel wickelte Marco Chiudinelli schon wieder ein neues Band um den Griff seines Schlägers. Seine Akkuratesse hatte etwas Meditatives. Aber es war kein Ritual oder einer höheren Macht geschuldet, wie manch einer der aufmerksamen Zuschauer in der Oberhachinger Tennishalle vermutete. Es hatte rein pragmatische Gründe, wie der Schweizer versicherte: "Ich hatte kein Schweißband dabei, und deshalb war alles ein wenig rutschig."

Marco Chiudinelli, 34, lief am Freitag zum ersten Mal in dieser Spielzeit für den Tennis-Zweitligisten TC Großhesselohe auf. Der Basler gewann gegen den TV Reutlingen sowohl sein Einzel als auch das Doppel an der Seite von Kevin Krawietz. Mit 10:2 Punkten haben die Großhesseloher vor den letzten beiden Spielen die Chance, die Meisterschaft zu gewinnen.

Dass Chiudinelli in der Mannschaft des TC Großhesselohe nicht irgendein Spieler ist, wurde schnell klar. "Er ist ein Schweizer Davis-Cup-Spieler", raunte ein Besucher seinem Nebenmann zu, um sich dann selber zu korrigieren: "Er ist ein Davis-Cup-Gewinner." Vor zwei Jahren gewann Chiudinelli mit seinem Heimatland den wichtigsten Mannschaftswettbewerb der Tenniswelt. Er stand freilich im Hintergrund, als Roger Federer und Stan Wawrinka gegen Frankreich die entscheidenden drei Punkte holten. Wie immer in seiner Karriere. Chiudinelli kennt die großen Bühnen, die riesigen Stadien der Welt nur aus der Ferne oder aus Erzählungen. Er hat deshalb überhaupt kein Problem damit, in der zweiten Bundesliga aufzuschlagen. "Mir hat es schon im vergangenen Jahr Spaß gemacht, hier bei Großhesselohe zu spielen", sagt Chiudinelli, "weil ich die Hälfte der Mannschaft von der Tour kenne."

Der Weltranglisten-129. ist wie sein Doppelpartner Krawietz meist auf der zweitklassigen Challenger-Ebene unterwegs. Dabei hat wohl kaum ein Spieler einen näheren Zugang zum vielleicht besten Tennisspieler, den dieses Spiel hervorgebracht hat. Chiudinelli und Roger Federer kennen sich schon, seit sie beim TC Old Boys Basel gemeinsam als Buben die ersten Bälle übers Netz schlugen. Nur ein einziges Mal hat Chiudinelli ein Match gegen seinen Jugendfreund gewinnen können. Gleich beim ersten Mal. Acht oder neun Jahre waren sie damals alt. "Und wir haben nicht mal zwei Sätze gespielt, sondern nur bis neun Spiele", erinnert sich Chiudinelli. Federer war schon in frühen Jahren ein Hochbegabter, einer, der unbedingt Tennisprofi werden wollte. Bei Chiudinelli dauerte es viel länger, bis die Entscheidung reifte, es doch auch als Berufsspieler versuchen zu wollen.

Dass es durchaus eine lohnenswerte Entscheidung war, zeigt sich in seiner besten Weltranglistenplatzierung. Vor vier Jahren spielte sich der Rechtshänder mit seinem mutigen und wuchtigen Grundlinien-Tennis bis auf Rang 52 vor. Mittlerweile ist er zurückgefallen. Sollte er sich bis zum Jahresende nicht wieder unter die Top 100 schieben, will er aufhören, sagt Chiudinelli. "Ich habe keine Lust, nur ein bisschen mitzuspielen, ich möchte noch mal Fünfsatzmatches erleben." Dazu ist ein Start bei den Grand-Slam-Turnieren oder im Davis Cup nötig.

Vorher aber würde er am liebsten mit dem TC Großhesselohe die Meisterschaft feiern. "Wir Spieler wollen natürlich das Maximum erreichen", sagt er. Ob der Klub das auch will, wird sich in den nächsten Tagen entscheiden. "Es wäre wahnsinnig toll, wenn diese Spieler die Gruppe gewinnen würden", sagt Großhesselohes Präsident Bernard Eßmann zwar, "aber wir wollen die Mannschaft nicht mit aller Macht in den letzten beiden Spielen aufrüsten." Es geht ums Geld. Marco Chiudinelli kennt das begrenzte Budget, der Schweizer hat deshalb einen gut gemeinten Ratschlag parat: "Man kann ja auch den Titel gewinnen, ohne hinterher in die erste Liga aufzusteigen." Ob er Klubchef Eßmann damit überzeugen kann?

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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