Tennis:"Mein Körper war nicht für Profisport gemacht"

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Gerissene Sehnen, gebrochene Wirbel, Herz-OP: Die Schmerzen sind Teil von Marc Meigels Leben geworden. Dennoch spielt der 29-Jährige weiter: "Weil mir der Sport sehr viel gibt." (Foto: Claus Schunk)

In Ismaning hat Marc Meigel nach vielen Verletzungen und einer Herz-OP wieder Spaß.

Von Matthias Schmid, Ismaning

Tennisspieler haben gemeinhin ein gutes Gedächtnis. Roger Federer, der achtmalige Wimbledonsieger, ist in dieser Hinsicht ein ähnliches Genie wie auf dem Platz. Der Schweizer weiß genau, wann er wo gegen wen gespielt hat, sogar einzelne Ballwechsel kann er nach Jahren noch detailgenau beschreiben. Marc Meigel, 29, ist zwar auf dem Platz nicht so gut wie Federer. Mit seinem Erinnerungsvermögen verblüfft aber auch er. Zum Beispiel weiß er, dass Albert Montanes bei den French Open einst gegen Federer gespielt hat. Vor neun Jahren war das, Meigel verfolgte das Match am Fernseher. Natürlich kam ihm die Partie ins Gedächtnis, als er nun selbst gegen Montanes antreten musste. "Das ist natürlich Wahnsinn, so einem Spieler gegenüberstehen zu dürfen", sagt Meigel: "Da kann man die Ehrfurcht nie ganz ablegen und hofft, dass man sich einigermaßen gut aus der Affäre ziehen kann."

Von der Profitour hat sich Montanes verabschiedet, aber der 36-Jährige schlägt noch für den TC Weiß-Blau Würzburg auf, Gegner des TC Ismaning in der zweiten Bundesliga Süd. Im Einzel hatte Meigel am ersten Spieltag gegen den Spanier in zwei Sätzen das Nachsehen, aber im Doppel konnte er die ehemalige Nummer 22 der Welt besiegen. "Ich spiele mittlerweile lieber Doppel als Einzel", sagt Meigel, "weil man da mit dem Partner interagieren kann." Meigel ist Ismanings topgesetzter Akteur, aber seine Karriere als Profi hat der Münchner schon vor langer Zeit beenden müssen. "Mein Körper war einfach nicht für den Profisport gemacht", sagt er. Sein Geld verdient er mittlerweile als Tennislehrer. Seine Krankenakte beinhaltet gerissene Sehnen, Bänder und gebrochene Wirbel. Besonders dramatisch war eine Herzoperation im Alter von 22 Jahren. Meigel litt am WPW-Syndrom, einer angeborenen Herzrhythmusstörung, die nach den amerikanischen Kardiologen Louis Wolff, Paul Dudley White und ihrem britischen Kollegen Sir John Parkinson benannt ist.

Spätestens damals stand fest, dass er seinen großen Traum nie wird verwirklichen können: Meigel sehnte sich danach, eines Tages auf den großen Bühnen von Wimbledon oder New York vorspielen zu dürfen. Bis auf Rang 477 in der Weltrangliste hatte er es nach zwei Turniersiegen auf der untersten Profitour immerhin schon geschafft, damals war er 20. Doch dann begann seine Leidenszeit.

Die Schmerzen sind ein Teil seines Lebens geworden, er spürt seine mehrfach reparierten Körperteile nach jedem Spiel, den Rücken, die Schulter, das Sprunggelenk. Trotzdem steht er gerne auf dem Platz. "Weil mir der Sport sehr viel gibt." Besonders genießt er Spiele wie das gegen Montanes, der sogar einmal Federer besiegen konnte. Meigel ist ein Spieler, der mit einem großen Ballgefühl gesegnet ist, er spielt für sein Leben gerne Stopps, seine einhändige Rückhand könnte in jedem Lehrbuch stehen.

Viele Spiele wird Meigel an Position eins aber nicht gewinnen, damit hat er sich abgefunden. Zu gut, zu fit sind seine Gegner. Der ehemalige Erstligaspieler des TC Blau-Weiß Neuss kommt ja selbst kaum noch zum Üben, weil er den ganzen Tag in Oberschleißheim auf dem Platz steht und begabten Kindern das Tennisspielen beibringt. "Es fällt mir deshalb schwer, mich im Spiel plötzlich umstellen zu müssen", gibt Meigel zu. Bis zu 60 Stunden in der Woche verbringt er auf dem Platz, zumindest an einem Abend aber spielt er im Mannschaftstraining nur für sich. Vermehrt Einzel, "weil wir alle Doppel spielen können", wie er etwas verwundert festgestellt hat.

Die zweite Liga ist für ihn und den TC Ismaning ein großes Abenteuer. Das Team ist nur aufgestiegen, weil andere Mannschaften verzichtet haben. Vor allem im Einzel fehlt es dem Aufsteiger an Qualität, wie die drei Niederlagen in den ersten drei Saisonspielen dokumentieren. Zuletzt in Ludwigshafen lag Ismaning bereits nach den Einzeln uneinholbar 1:5 in Rückstand. "Für uns geht es darum, so viele Punkte wie möglich zu holen und zu hoffen, dass es vielleicht zum Klassenerhalt reicht", sagt Meigel. Am Sonntag empfängt Ismaning Großhesselohe zum Derby. Er hofft auf ein Duell mit Florian Mayer, der auch schon gegen Federer gespielt hat. Meigel weiß das natürlich.

© SZ vom 26.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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