Tennis:Ein altes Versprechen

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Als Juniorenspieler stand der Däne Kristian Pless in einem Jahr in gleich drei Grand-Slam-Endspielen, eines gewann er.Während der gleichalte Roger Federer gerade in Wimbledon spielt, arbeitet Pless als Jurist - und tritt für Iphitos an.

Von Matthias Schmid, München

Kristian Pless lag fast auf dem Barhocker. Seine Beine, lässig übereinander geschlagen, ruhten auf dem Geländer, und hätte in diesem Moment jemand Rum und Zigarre gebracht - es hätte wunderbar ins Bild gepasst, Pless war ziemlich entspannt, mit sich und der Welt im Reinen. "Mir gefällt die Atmosphäre hier, alle sind sehr nett zu mir", erzählte der Herren-30-Bundesligaspieler des MTTC Iphitos am Samstagvormittag. Er hatte ja auch ein schickes Plätzchen unter den mächtigen Bäumen im Schatten zwischen Klubhaus und der ersten Platzreihe auf der pittoresken Tennisanlage am Aumeisterweg ausgewählt.

Von seinem Barhocker aus konnte der Däne seinen Blick über alle drei Plätze schweifen lassen, auf denen das Spitzenspiel gegen den TC Dachau ausgespielt wurde. Die Gäste waren als überraschender Tabellenführer angereist, alle vier Saisonspiele hatten sie gewonnen. Die Münchner waren ebenfalls unbesiegt, hatten aber bisher ein Spiel weniger ausgetragen. Um die Teilnahme an der Endrunde um die deutsche Mannschaftsmeisterschaft wahrscheinlicher zu machen, war also ein Sieg des MTTC erforderlich. Deshalb war auch Pless in Tennisklamotten erschienen, der auf eine ziemlich bewegte Karriere als professioneller Tennisspieler zurückblickt.

Das Gipfeltreffen der Herren 30 gegen das Überraschungsteam aus Dachau gewinnt der MTTC 5:4

Um es vorwegzunehmen: Pless, 37, gewann sein Einzel an Position eins gegen Michal Schmid 11:9 im Match-Tiebreak des finalen Satzes und hatte so großen Anteil daran, dass die Münchner nach den Einzeln mit 4:2 führten. Sie entschieden die Partie anschließend auch mit 5:4 für sich, obwohl kein Doppel zu Ende gespielt worden war. Pless und sein Partner Richard Malobicky hörten gegen Schmid/Jan Hejtmanek auf, als die Kontrahenten mit 2:1 in Führung lagen, ernsthaft verletzt hatte sich niemand. "Mein Bein hat mir ein wenig weh getan", berichtete Pless.

„Ich hatte das Gefühl, dass ich jeden schlagen kann“: An seine Juniorenerfolge kommt Kristian Pless, hier bei den US Open 2006, später nicht mehr heran. (Foto: imago)

Aber das war natürlich nicht vergleichbar mit der Pein, die er mit 22 Jahren ertragen musste. Er war damals ein aufstrebender Jungprofi, einer der Jüngsten in den Top 100, als seine Schulter zu schmerzen begann und jeder Schlag fast zur Qual wurde. Dreimal musste er sich auf den Operationstisch legen, bevor er nach einem Jahr wieder die ersten Bälle schlagen konnte. "Es war eine deprimierende Zeit damals", erinnert sich Pless. Er hatte sich nach der Juniorenzeit erstaunlich schnell bei den Männern zurechtgefunden und sich nach oben, bis auf Rang 65 der Weltrangliste gespielt. "Ich hatte damals das Gefühl, dass ich jeden schlagen kann", erinnert sich Pless. Er war der erste und bisher einzige Däne, der in der Junioren-Weltrangliste auf den ersten Platz geklettert war, nachdem er 1999 die Endspiele bei den Grand-Slam-Turnieren in Melbourne, Wimbledon und New York erreicht hatte. Den einzigen Titel holte er sich in Australien mit einem Sieg über den Russen Michail Juschni.

Dass Pless mal das "Big Thing" im Welttennis war, das große Versprechen, kann man heute noch erkennen, wenn man ihn spielen sieht. Gegen Schmid, den Tschechen, spielte er schlau, "es war irgendwie ein verrücktes Match", wie er einräumte, "weil mein Gegner nur auf den Winner ging und unglaublich schnell und flach auf die Bälle prügelte." Pless ist noch immer viel zu ehrgeizig, um sich abschießen zu lassen, wie es im Tennisjargon heißt. Also begann er zu probieren, zu experimentieren, er spielte mal langsamer mit einem Slice, mal mit Köpfchen und Winkelbällen und haute selber mal schnell und flach mit der Vorhand drauf. "Am Ende habe ich dann einen Weg gefunden, um zu gewinnen", stellte er erleichtert fest.

„Mir gefällt die Atmosphäre hier, alle sind sehr nett zu mir“: Kristian Pless mit 37 Jahren am Aumeisterweg. (Foto: oh)

Als Profi hatte er sich schon viel schwerer damit getan, wieder dorthin zurückzukommen, wo er zuvor mal war: unter die besten 100. Nach seiner Absenz war er in der Weltrangliste auf Rang 846 abgerutscht. Als er nach einem Jahr bei den ersten Turnieren antrat und die Schmerzen ihn weiter plagten, dachte er darüber nach, die Tour für immer zu verlassen. Doch irgendwie verschwanden die Beschwerden, die Selbstverständlichkeit in den Schlägen kehrte zurück. "Aber so wie vorher war es nicht mehr", schildert Pless. Mit 26 Jahren arbeitete er sich noch mal auf Rang 79 vor, aber: "Ich habe vor allem mental nicht mehr daran geglaubt, ganz nach oben zu kommen." Auch wenn ihm ein Endspiel auf der großen ATP-Tour verwehrt bleiben sollte, deutete er immer mal wieder sein großes Potenzial an. Er besiegte unter anderem den Wimbledonfinalisten David Nalbandian und nahm Roger Federer 2007 sogar mal einen Satz ab, nachdem dieser zuvor die Australian Open gewonnen hatte - ohne einen Satz zu verlieren.

Federer bewundert Pless ohnehin, sie sind beide 1981 geboren. "Dass er noch immer auf so einem Niveau spielt, ist einzigartig." Während Federer sich in diesen Tagen anschickt, zum neunten Mal in Wimbledon zu triumphieren, verdient Kristian Pless mittlerweile als Jurist in Kopenhagen sein Geld. Bei einem Unternehmen in staatlichem Besitz, "sodass ich nach wie vor viel Tennis spielen kann", wie er lächelnd anmerkt. Mit 28 Jahren hatte er schließlich wegen anhaltender Knieprobleme seine Tenniskarriere beendet und Jura studiert.

© SZ vom 09.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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