Tennis:Die neue Lockerheit

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"Bei mir kommt jetzt die Spielfreude vor der Nervosität", sagt die angehende Lehrerin Julia Thiem, 25. (Foto: Claus Schunk)

Julia Thiem feiert ihr Ergebnis mit dem Zweitligisten TC Luitpoldpark

Von Matthias Schmid, München

Auf die Idee, den letzten Spieltag einfach sausen zu lassen, war Julia Thiem nicht gekommen. Natürlich nicht. "Sie ist eine sehr pflichtbewusste Spielerin, die ihre Mannschaft niemals im Stich lassen würde", sagt Hildegard Jonasz. Die Teammanagerin des Tennis-Zweitligisten TC Grün-Weiß Luitpoldpark München konnte Thiem also am Sonntagmorgen im Klubhaus auf der Anlage an der Erich-Kästner-Straße begrüßen, wo das letzte Saisonspiel gegen den TC Olympia Lorsch anstand. Die 25-Jährige war munter und ausgeschlafen wie immer, obwohl sie am Abend vorher noch Hauptdarstellerin einer großen Fete war. Mit dem TC Wörgl feierte sie den Aufstieg in die österreichische Bundesliga.

Dass Thiem auch mal mit Luitpoldpark in die Beletage aufsteigen wird, ist eher unwahrscheinlich. Und das, obwohl ihr Verein nach der 4:5-Niederlage gegen Lorsch den zweiten Tabellenplatz nur knapp verpasst hat. "Ich habe ja nicht viel Ahnung von Finanzen, aber die erste Liga ist unglaublich teuer", sagt Thiem.

"Und in der zweiten Liga fühlen wir uns alle sehr wohl." Das gilt besonders für sie selbst. Wie schon in Österreich gewann sie auch in Deutschland auf Sand alle ihre Matches im Einzel. "Ich habe gerade sehr viel Freude am Tennis und bin sehr locker im Kopf", sagt Thiem. In früheren Jahren hatte die gebürtige Taufkirchnerin (Vils) ihr manchmal übertriebener Ehrgeiz auf dem Platz noch blockiert. Erst seit sie ihr Studium zur Grundschullehrerin im vergangenen Sommer mit einem Einser-Examen abgeschlossen hat, löste sich bei ihr die Verkrampfung. "Der Abschluss gibt mir Sicherheit", sagt Thiem. Aber so richtig kann sie sich auch nicht erklären, warum ihr lange Zeit das emotionale Gleichgewicht gefehlt hatte. Vielleicht liegt ihre neue Lockerheit auch daran, dass sie ihren Spielstil an das Tennis von heute angepasst hat. Sie hat sich mittlerweile zu einer Spielerin entwickelt, die näher an der Grundlinie steht und nicht mehr fast ausschließlich versucht, die Bälle mit ihrer guten Beinarbeit nur zurückzuspielen. Sie trifft die Bälle nun viel früher, im Aufsteigen, und kann sie auf der Vor- und Rückhandseite so beschleunigen, dass ihre Gegnerinnen oftmals nur noch hinterherschauen können. "Bei mir kommt jetzt die Spielfreude vor der Nervosität", findet Thiem selbst.

Doch ihre vielversprechenden Ergebnisse auch bei Preisgeld- und kleineren Weltranglistenturnieren haben ihre Lebensplanung völlig durcheinandergewirbelt. In der Weltrangliste wird sie mittlerweile auf Rang 1030 geführt. Tendenz steigend. Julia Thiem grübelt trotzdem. Sie ist sogar ziemlich hin und hergerissen. Sie weiß nicht, ob sie im Herbst nun mit dem Referendariat beginnen oder "doch ganz auf das Profitennis setzen soll", wie sie sagt. Viel wird davon abhängen, an welche Schule sie zugeteilt wird. Beworben hat sie sich zumindest mal. Sie hofft, dass sie im Großraum München bleiben kann. Im Moment lebt sie in Eschenried. Müsste sie ganz woanders hinziehen, will sie sich das mit dem Referendariat noch mal überlegen. "Ich muss jetzt mal Entscheidungen treffen", sagt Thiem mit einem Lächeln.

Auf dem Platz fallen sie ihr definitiv leichter als abseits davon. Am Sonntag gegen Lorsch musste sie mit ihrer Mannschaft wegen des Dauerregens allerdings in die Halle nach Johanneskirchen ausweichen - Thiem verlor ihre erste Partie in dieser Runde auf dem schnellen Belag in zwei Sätzen. An der erfreulichen Gesamtbilanz von ihr und Luitpoldpark ändert das nichts mehr. "Wir können mit der Saison sehr zufrieden sein, weil wir mit dem Abstieg überhaupt nichts zu tun hatten und Platz zwei nur wegen einer verlorenen Partie verfehlt haben", sagt Hildegard Jonasz. Julia Thiem will im nächsten Jahr wieder für den Klub aufschlagen, wie in den vergangenen zehn Jahren auch schon. Daran gibt es keine Zweifel.

© SZ vom 20.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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