Tennis:Der kleine Riesenunterschied

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Ismaning, Sonnenschein, die Vorhand sitzt: Sebastian Prechtel, 20, vom TSV 1880 Starnberg. (Foto: Claus Schunk)

Nummer eins im Freistaat, Nummer 1122 in der Weltrangliste: Der Feldafinger Sebastian Prechtel, seit Sonntag bayerischer Meister, arbeitet an der Umstellung vom Junioren- auf Männer-Tennis

Von Matthias Schmid, München

Wenn Sebastian Prechtel gerade nicht selber Tennis spielt, dann sitzt er vor dem Fernseher und schaut, natürlich: Tennis. Am liebsten Stan Wawrinka, den Schweizer French-Open-Sieger. "Sein Grundlinienspiel ist ziemlich beeindruckend", findet Prechtel. In diesen Tagen bekommt der 20-Jährige während des zweiten Grand-Slam-Turniers des Jahres in Paris reichlich Gelegenheit dazu, sich bei Wawrinka etwas abzuschauen, der den Ball auf der Vor- und Rückhandseite wie kaum ein anderer zu beschleunigen vermag. Doch zu einem Idol will Prechtel den Weltranglistenvierten nicht stilisieren, im Gegenteil. Der gebürtige Feldafinger ist selbst ein ziemlich guter Tennisspieler und träumt davon, irgendwann Wawrinka auf dem Platz gegenüberzustehen. Dass das kein utopisches Ziel ist, hat das vergangene Wochenende in Ismaning bewiesen, wo sich Prechtel erstmals den bayerischen Meistertitel bei den Männern erspielte. Im Finale schlug der Spieler vom Bayernligisten TSV 1880 Starnberg den ehemaligen Nürnberger Bundesliga-Akteur Daniel Uhlig 6:3, 6:2. Der Titel bei den Frauen ging an Laura-Ioana Andrei vom TC Aschheim, die Marie Vordeck (Luitpoldpark München) 6:2, 6:2 besiegte.

Der Titel komme für ihn "nicht überraschend", sagt Prechtel selbstbewusst: "Ich habe in den vergangenen Wochen schon gut gespielt, weil ich es immer häufiger schaffe, mein Leistungsniveau abzurufen." Nach dem Ende seiner Juniorenzeit hatte Prechtel schnell erfahren müssen, dass sich das Tennis bei den Erwachsenen ganz schön abhebt von dem, was er bisher gewohnt war. Die meisten Heranwachsenden brauchen einige Jahre, um sich darauf einzustellen, dass es nicht mehr genügt, den Ball mit viel Wucht und Raffinesse von der Grundlinie übers Netz zu bugsieren. "Der Aufschlag und die Athletik sind ein Riesenunterschied", hat Prechtel festgestellt. Viele begabte Jugendspieler scheitern deshalb auch an dieser Transformation und beenden ihre Karriere frustriert, ehe sie eigentlich richtig begonnen hat.

Prechtel ist durchaus bewusst, dass viel Zeit vergehen kann, bis er sich auf der ATP-Tour etabliert. Helfen, dass er den Übergang zum Männertennis schneller vollziehen kann als andere, soll ihm das Leistungszentrum in Oberhaching, wo er seit sechs Jahren trainiert. An der Tennisbase sind viele Gleichgesinnte unter der Leitung von Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann versammelt, die danach streben, eines Tages zu den besten 100 der Weltrangliste zu gehören. Fünf bis sechs Stunden trainiert Prechtel täglich, vor allem feilt der Rechtshänder mit der beidhändigen Rückhand an seinem Aufschlag und seinem Netzspiel. Dort kann er sich auch mit Profis wie Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer messen, die schon gegen Stan Wawrinka gespielt haben. Auch das für die Profitour erforderliche Arbeitsethos mit Konditionstraining und einem gesunden Lebenswandel habe er längst verinnerlicht, versichert Prechtel. "Sonst könnte ich es ja gleich sein lassen."

Um sich die Reiserei um den Globus an entlegenste Orten zu den kleinen Turnieren der untersten Future-Ebene überhaupt leisten zu können, spielt er zusätzlich in der österreichischen Bundesliga. Ziemlich erfolgreich sogar. Mit dem 1. Salzburger TC steht er in der Endrunde um die Meisterschaft. "Das Geld, das ich da verdiene, ist schnell aufgebraucht", seufzt Prechtel. Deshalb freue er sich darauf, dass er im Juli und August einige Wettbewerbe mit dem Auto erreichen kann. Dann beginnt auch in Deutschland und Österreich die Future-Saison. "Ich möchte mich für so viele Hauptfelder wie möglich qualifizieren, um in der Weltrangliste nach oben zu kommen", sagt Prechtel. Im Moment führt ihn der Computer der Spielerorganisation ATP auf Rang 1122. Im kroatischen Rovinj stand er im März dieses Jahres im Viertelfinale und schlug einen Gegner aus den Top 500. "Der Unterschied zwischen mir und einem solchen Spieler ist nicht groß, aber sie spielen auf dem Niveau einfach noch konstanter als ich", sagt Sebastian Prechtel. Fürs Erste wird er sich Stan Wawrinka im Fernsehen anschauen müssen.

© SZ vom 01.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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