Tennis:Comeback des Mathemuffels

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Nach langer verletzungsbedingter Pause ist Sarah-Rebecca Sekulic auf ihrer Heimanlage bei den Ismaning Open ins Halbfinale eingezogen. (Foto: Claus Schunk)

Nach einer mysteriösen Rückenverletzung zeigt Sarah-Rebecca Sekulic bei den Ismaning Open, welches Potenzial sie hat

Von Matthias Schmid, Ismaning

Sarah-Rebecca Sekulic trainiert lieber drei Stunden ihren Rückhand- slice, als die Hoch-, Tief-, Wende- und Extrempunkte berechnen zu müssen. Doch im Moment kann es sich die 23-Jährige nicht aussuchen, sie muss beides irgendwie vereinbaren, obwohl ihr die Infinitesimalrechnung natürlich viel weniger Vergnügen bereitet als auf dem Platz zu stehen. Doch im März stehen ihre Abiturprüfungen an der Fernschule in Darmstadt an, da will sie einen guten Notenschnitt erreichen, "ich brauche ja noch eine Absicherung im Leben", wie die Tennisspielerin es ausdrückt. Mathematik sei dabei ihre "Schwachstelle", gibt sie zu, "das bereitet mir schon Schwierigkeiten".

Aus diesem Grund hatte die vergangene Woche mal wieder so etwas wie Amüsement in ihren tristen Alltag zwischen Infinitesimalrechnung, Stochastik und Analytischer Geometrie gebracht. Endlich durfte sie mal wieder in Vollzeit Tennisspielerin sein, Sekulic spielte bei den mit 10 000 Dollar dotierten Ismaning Open auf ihrer heimischen Anlage mit und scheiterte erst im Halbfinale an der späteren Siegerin Laura-Ioana Andrei in zwei Sätzen. Obwohl die Spitzenspielerin des Bayernligisten TC Ismaning in diesem Jahr bisher nur wenige Turniere auf der Profitour gespielt hatte, um mehr an ihren Mathefertigkeiten als an der Vorhand zu feilen, fand sie den Einzug in die Vorschlussrunde nicht überraschend. "Ich habe mir das schon zugetraut, weil ich ja schon öfters im Halbfinale oder auch im Finale bei solchen Turnieren gestanden bin", sagt Sekulic. Zwei Titel auf der untersten Future-Ebene hat sie bisher schon gewonnen, im Doppel.

Sekulic hat aber früh in ihrem Leben erfahren müssen, dass die Träume von der Wirklichkeit jäh zertrümmert werden können. Mit 16 Jahren hatte sie das Isar-Sportgymnasium mit der Mittleren Reife verlassen, um es als professionelle Tennisspielerin zu versuchen. Alles begann recht verheißungsvoll, als sie 18 war, hatte sie sich in der Weltrangliste auf Rang 450 katapultiert. Aus dem viel beachteten Talent sollte sich sehr schnell eine ernsthafte Spielerin entwickeln, die Linkshänderin spielte aufregendes Tennis, mit wuchtigen Grundschlägen, auch den Weg ans Netz scheute sie nicht.

Sie brachte alles mit, um auch an den großen Grand-Slam-Turnieren in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York teilnehmen zu können. Das glaubten auch die Experten. Doch ihr Körper hatte etwas dagegen, genauer ihr Rücken. "Ich hatte immer Schmerzen", sagt Sekulic. Es war kein Bandscheibenvorfall, aber irgendetwas an den Wirbeln hinderte sie vor eineinhalb Jahren daran, weiter so zu üben, wie es als Berufsspielerin nötig gewesen wäre. Was es genau war, kann sie nicht einmal sagen. "Das ist zu schwierig, um es zu erklären", sagt sie. Die Folgen waren für eine aufstrebende Tennisspielerin aber ziemlich frustrierend. Ein Jahr lang durfte sie überhaupt nicht mehr spielen.

Die Tour zu verlassen und etwas gänzlich Neues auszuprobieren, kam für sie allerdings nicht infrage. Ihre Träume sollten nicht durch eine Verletzung ausgelöscht werden. Die lange Pause hat sie nachdenklicher werden lassen. Sie beschloss deshalb, erst einmal ihr Abitur nachzuholen, ehe sie sich wieder voll und ganz dem Sport widmet. "Das ist auch für meinen Kopf wichtig, um locker auf den Platz gehen zu können", sagt Sekulic.

Dass sie noch immer bemerkenswertes Tennis spielt, zeigte die Weltranglisten-843. in Ismaning. Der schnelle Teppichboden kam ihrem Spiel mit den flachen, schnellen Schlägen entgegen. Am liebsten spielt sie auf Hartplatz, wo sie die Gegnerinnen mit ihrer Vorhand auch mit Aufwärtsdrall in die entlegensten Ecken scheuchen kann. Mit den sechs errungenen Punkten wird sie sich in der Weltrangliste um mehr als 100 Plätze verbessern.

Der Rücken plagt sie mittlerweile nicht mehr, seit sie durch gezieltes Krafttraining mehr Muskeln aufgebaut hat. Die schwere Verletzung hat ihr zwar vielleicht das Urvertrauen in ihren Körper genommen, aber nicht ihren Ehrgeiz. "Ich will eines Tages unter die besten 100 Tennisspielerin kommen", sagt Sekulic.

Sie will ihre Träume endlich auch verwirklichen, auf der großen Bühne spielen. Doch zunächst hat sie vor, im kommenden Sommer die Frauenmannschaft des TC Ismaning zurück in die Regionalliga zu führen, wo sie mit ihrem früheren Klub MTTC Iphitos schon gespielt hat. Das Abiturzeugnis wird sie dann mit großer Sicherheit schon in ihren Händen halten, neben Mathematik gibt es eine ganze Reihe von Fächern, die sie fast so gerne mag wie Tennis. Englisch und Deutsch zum Beispiel.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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