Tennis:Abstecher vor dem Legenden-Spiel

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Auf dem Weg nach Wimbledon absolviert Tommy Haas rasch noch einen Einsatz für die Herren 30 des TC Dachau. Vor 500 Zuschauern wird er stark gefordert, verhilft den Gästen letztlich aber zum knappen Auswärtssieg.

Von Thomas Becker

Müde, abgekämpft und mit nicht zu übersehenden Spuren roter Erde an den Knöcheln verlässt Maximilian Wimmer irgendwann den Center Court, holt sich zahllose Schulterklopfer der Klubkollegen ab und hört immer wieder die selben anerkennenden Worte: "Gut gespielt, Maxi!" Das hatte er in der Tat, doch noch lieber hätte er wohl gehört: "Gratuliere, Maxi!" Das ist die Formulierung für die Sieger. Eine Zuschauerin fasst das Geschehene treffend zusammen: "Du hast dich nicht belohnt, Maxi." Will sagen: Klasse gespielt, toll gekämpft, alles gegeben, aber die Sensation knapp verpasst. Wimmers Gegner war schließlich kein Geringerer als Tommy Haas, die ehemalige Nummer zwei der Tennis-Weltrangliste.

Vor zwei Jahren bestritt Haas sein letztes Match auf der ATP-Tour, 3:6, 6:7 gegen Jan-Lennard Struff in Kitzbühel. Zuvor hatte er in Halle noch mal diesen Roger Federer in drei Sätzen geschlagen, dann aber einsehen müssen, dass es keinen Sinn mehr ergab - die Schulter, sein ewiges Problem. Schweren Herzens trat er nach 22 Jahren auf der Tour den Rückzug an, mutierte zum Turnierdirektor in Indian Wells und spielte Tennis nur noch "just for fun", auf der Seniors Tour der ATP oder zuletzt beim Turnier in Stuttgart, wo er im ProAm-Turnier gegen Jakob Riglewski, einen der Söhne von Ex-Weltklasse-Doppelspieler Udo Riglewski knapp 10:8 gewann.

Aber so richtig ernsthaft um Punkte? Nicht wirklich, abgesehen vom Legenden-Doppel im vergangenen Jahr mit Mark Philippoussis gegen Fernando Gonzales und Sebastien Grosjean, das Haas doch noch zum Wimbledon-Sieger werden ließ. Aber dann überredete ein alter Freund den 41-Jährigen, in der Herren-30-Bundesliga anzutreten: Peter Schuster, Kapitän des TC Dachau. Und so geriet die Parkplatzsuche vor der Anlage des TC Großhesselohe noch schwieriger als sonst. Man fragt sich schon, was sich die Stadt dabei gedacht hat, ausgerechnet beim Gastspiel von Tommy Haas eine Baustelle vor der Pullacher Tennisanlage in die Welt zu setzen...

Für einen alten Freund: Tommy Haas, 41, ehemalige Nummer zwei der Tennis-Weltrangliste, hilft dem TC Dachau. (Foto: Claus Schunk)

Auf welchem Platz Haas spielt, ist dann einfach auszumachen: Da, wo alle sind. Zwei Plätze nebenan, beim Spiel von Dominik Hansen gegen Dachaus Michal Schmid schaut genau einer zu: der Schiedsrichter. Bei Haas gegen Wimmer sind es gut 500, darunter Vater Peter Haas sowie Tommys Frau Sara und die Töchter Valentina, 8, und Josephine, 3. Das war ja immer Tommy Haas' größter Wunsch gewesen: Dass ihn seine Töchter noch auf dem Tennisplatz erleben. Er dachte dabei eher an Paris, London, New York, weniger an Pullach, aber was soll's. So sitzt nun die ältere Tochter bei den Wechselpausen neben ihrem Vater, bietet ihm einen Schluck von ihrer Limo an und ruft ab und zu "Come on, Papa!" So weit ist die jüngere Tochter noch nicht - die Mama muss ein paar Minuten nach Spielbeginn mit ihr außer Quengelweite gehen, damit Papa in Ruhe arbeiten kann. Und er hat so einiges zu tun, denn der neun Jahre jüngere Maximilian Wimmer spielt überragend: mutig, frech, mit viel Herz - und Humor. Als er in der Crunch Time des zweiten Satzes zwei Asse in Haas' Feld donnert, scherzt er: "Endlich Normalform!"

4:6, 6:7 heißt es am Ende aus seiner Sicht, viel vorzuwerfen hat er sich nicht: "Ende des zweiten Satzes, als ich Break vor hatte, habe ich zu schlecht aufgeschlagen", meint Wimmer, "aber sonst war es echt super, ein tolles Erlebnis gegen ihn zu spielen, und das vor so einer Kulisse. Wir haben sonst auch viele Zuschauer, aber heute waren es bestimmt drei Mal so viele wie sonst." Die Fans sind so gebannt, dass manche die Pizza im Pappkarton mit auf die Tribüne nehmen - bloß nichts verpassen.

Nervös sei er nicht gewesen, erzählt Großhesselohes Nummer eins, "aber es spielt dann schon mit, dass du Respekt hast. Er spielt sehr heavy, gibt dir die ganze Zeit Druck, immer lange schnelle Bälle, vor allem beim Return gibt er dir flache Bälle, wo du was machen musst. Wenn du dich da nicht gut bewegst, wird gleich ein Fehler daraus". Klubkollege Florian Mayer und ein paar Jungs aus der ersten Mannschaften hatten ihm Tipps gegeben, "aber am Ende kommt's auf dich selber an. Ich muss selber schauen, dass ich drauf gehe auf die Bälle. Wenn ich Angst oder Ehrfurcht habe, macht er mit dir, was er will, spielt Katz und Maus mit dir. Ich weiß, dass er hohe Topspin-Bälle nicht mag, aber das ist auch nicht unbedingt mein Spiel. Und wenn du ans Netz kommst, spielt er es sehr überlegt, in die Beine rein - das ist schon nicht so ganz einfach. Aber er war auch nett." Man kannte sich von der Tour, wo Wimmer Matthias Bachinger und Peter Gojowczyk trainert, "Tommys alter Trainer war an meiner Uni Assistenzcoach, als ich in Miami College-Tennis gespielt habe", erzählt Wimmer. "Als ich klein war, war Tommy schon ein Idol für mich."

Doch das Idol klaut ihm letztlich einen Punkt, nach den Einzeln liegen die Gastgeben schon 2:4 hinten, und als das zweite Doppel an Dachau geht und der Sieg für die Gäste feststeht, spart sich Haas das finale Doppel. Nach dem 4:5 wird es nun noch mal eng für Großhesselohe: "Wir müssen schauen, dass wir drin bleiben", meint Wimmer. Nächstes Wochenende ist spielfrei, und im letzten Match gegen Iphitos muss wohl ein Sieg her, da Konkurrent Frankfurt noch gegen die bislang sieglosen Wiesbadener antritt und dann womöglich ebenfalls bei vier Punkten steht.

Aufsteiger STK Garching ist nach dem 7:2 in Wiesbaden die Finalteilnahme derweil nicht mehr zu nehmen, auch für Iphitos sieht es nach dem 5:4 in Frankfurt gut aus in Sachen Halbfinale. Und Haas? Der ist schon auf dem Weg nach Wimbledon, den Legenden-Titel verteidigen. Maxi Wimmer hat ihn mehr als ordentlich eingespielt.

© SZ vom 08.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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