Talentiade 2019:Am Anfang war der Urknall

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Die Atmosphäre und ein "toller, komplexer Bewegungsablauf": Für Nadja Brunschlik gibt es nichts Schöneres als Rudern. (Foto: Nila Thiel)

Ihre erste Regatta endete in einem Totalschaden. Seitdem versenkt Nadja Brunschlik die Konkurrenz nur noch sportlich. Nun wechselt die Ruderin aus Gauting an den Olympia-Stützpunkt.

Von Otto Fritscher

Nach dem Rennen ist vor dem Rennen, und das gilt natürlich auch im Rudersport. Doch diese Woche hat Nadja Brunschlik das Training zwei Mal ausfallen lassen. Was eigentlich nie vorkommt, denn die 15-Jährige, aktuell bayerische Meisterin im Einer, Doppel-Zweier und Vierer in ihrer Altersklasse, trainiert normalerweise immer sechs Mal die Woche beim Münchener Ruder- und Segelverein "Bayern" (MRSV) an der Starnberger Seepromenade. Am Wochenende 20./21. Juli stehen auf dem Main bei Schweinfurt die diesjährigen Landesmeisterschaften an. Und Nadja Brunschlik will unbedingt wieder Titel gewinnen.

Doch diesmal geht die Schule einfach vor. Am Otto-von-Taube-Gymnasium in Gauting hat die Neuntklässlerin die letzten Prüfungen in Latein und Mathe absolviert. "Dann bin ich zwei Wochen früher als die anderen von der Schule befreit", erzählt sie. Was aber den Haken hat, dass Montag, der 12. August, bereits wieder ihr erster Schultag sein wird. Dann aber nicht mehr in Gauting, sondern in Ratzeburg, am Olympia-Stützpunkt des Deutschen Ruderverbandes in Schleswig-Holstein. Mit erst mal nur zwei Mitschülern wird sie das Internat, das neu aufgebaut wird, besuchen und täglich auf hohem Niveau trainieren. Kein schlechter Start ins neue Schuljahr.

Obwohl sie gerade mal 15 Jahre jung ist, hat Nadja Brunschlik schon viele Höhen und Tiefen in ihrer Sportkarriere erlebt. Die Gautingerin kam zum MRSV, weil ihr Vater dort segelt. Anfangs stieg sie in ein Segelboot, doch das Rudern faszinierte sie mehr. "Die Atmosphäre beim Rudern fand ich einfach schöner. Und das Rudern ist ein toller, komplexer Bewegungsablauf", sagt Nadja Brunschlik heute. Für den sie offenbar ein besonderes Talent besitzt. Mit zehn Jahren nahm sie dann an der ersten Regatta teil, auf der Donau bei Regensburg.

Und es ging schief, was schief gehen konnte. "Zuerst habe ich den Start verpatzt", erinnert sich die Jugendliche, "und dann haben wir mit unserem Doppel-Zweier auch noch ein anderes Boot so gerammt, dass es gekentert ist." Für die Ruderkameradin in ihrem Boot muss das so ein Schock gewesen, dass sie die Skulls aus der Hand legte und seitdem nicht mehr zum Rudern kam. Die Schülerin aus Gauting kennt aber auch die andere, die schöne Seite des Rudersports: "An einem Tag bin ich gleich drei Mal bayerische Meisterin geworden", sagt Nadja Brunschlik. Wie viele Regatta-Siege sie inzwischen eingeheimst hat, weiß sie nicht. Es müssen viele sein. "Die Medaillen hängen bei mir an der Heizung", sagt sie und lacht.

"Sie bleibt einfach cool, kennt ihre Stärken und kann ein Rennen auch mal von hinten aufzäumen."

Was sind die Stärken der jungen Ruderin? "Sie bleibt bei Regatten einfach cool, kennt ihre Stärken und kann ein Rennen auch mal von hinten aufzäumen", sagt Claudia Haßmann, Rudervorstand im MRSV. Verbesserungspotenzial gebe es noch bei der Schnellkraft, also möglichst effektiv nach dem Startschuss das Boot in Fahrt zu bringen. Nadja nickt.

Oft wird sie wohl nicht mehr in Gauting bei ihren Eltern sein, wenn sie maximal drei Jahre am Olympia-Stützpunkt südlich von Lübeck, nahe der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern, verbringen wird. Die Eltern zeigen aber Verständnis. "Ein solches Talent muss gefördert werden", sagt ihre Mutter Daniela Brunschlik. Ihre Tochter sei von klein auf ehrgeizig und auch leidensfähig gewesen - eine Eigenschaft, ohne die man beim Rudern nicht erfolgreich sein könne. Zum Beispiel beim alljährlichen Ergometer-Rudern in der Starnberger Schlossberg-Halle, das Nadja als Mädchen in ihrer Altersklasse mit Teilnehmerinnen von zehn bis zwölf Jahren gewonnen hat. Es geht darum, sich eine halbe Stunde auf einem Ergometer zu schinden und so weit zu kommen wie möglich.

Wie weit sie es sportlich bringen wird, muss die Zukunft weisen; Ehrgeiz ist auf jeden Fall vorhanden. Nadja zögert keine Sekunde und antwortet auf die entsprechende Frage sofort: "Deutsche Meisterin zu werden, ist schon mein Ziel." Einen zweiten Platz in ihrer Altersgruppe hat sie bereits geholt. Und wer an einem Olympia-Stützpunkt trainiert, will sicherlich auch mal an den Spielen teilnehmen.

Seit bald zehn Jahren sitzt Nadja Brunschlik in Gig-Booten und Renn-Einern, Doppel-Zweiern und hin und wieder auch mal in einem Vierer. Ob sie schon einmal daran gedacht, das Rudern aufzugeben? "Nein", sagt sie, gibt aber zu, dass es auch schwierige Zeiten gab. Stichwort: Zickenkrieg. "Aber ich habe nie den Spaß am Rudern verloren." Unterstützt - und auch mal aufgerichtet - haben sie ihre Trainer Tom Thallmair, Lea Siebler und Eric Wetzl.

Was sie später einmal beruflich machen wird, weiß Nadja Brunschlik noch nicht. Sicher ist sich die 15-Jährige nur in einem: "Irgendwas mit Sport."

Zum zehnten Mal hat die Süddeutsche Zeitung in den vergangenen Wochen herausragende Talente gesucht und Sportvereine, die sich besonders um die Nachwuchsarbeit verdient gemacht haben.

© SZ vom 05.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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