SZ-Serie:Händchen für alles

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Der Chirurg, Familienvater und Tischtennisspieler Michael Plattner erlebt gerade eine überaus zehrende Zeit.

Von Christian Bernhard, München

Das Monaco-Franze-Motto, für das sich Michael Plattner entschieden hat, könnte zutreffender nicht sein. "Ein bisserl was geht immer", ist im Profil des FC-Bayern-Tischtennisspielers zu lesen - und man kann ohne Zweifel sagen: Bei Plattner geht einiges. Als Facharzt für Bauch/Viszeral-Chirurgie und Vater von drei Kindern ist der Drittliga-Spieler abseits des Sports ordentlich eingespannt. Das hat ihn aber nicht davon abgehalten, auch noch ein berufsbegleitendes Management-Studium zu beginnen. "Damit es nicht langweilig wird", sagt der 33-Jährige.

Der Beruf als Chirurg, die Familie mit drei Kindern, ein berufsbegleitendes Studium und dann noch Tischtennis in der dritten Liga: Für seinen langjährigen Teamkollegen Julian Diemer ist Plattner "das Phänomen schlechthin". Auch Rudi Kahler kennt Plattner sehr gut, der ehemalige FCB-Abteilungsleiter hat sieben Jahre lang mit ihm zusammen gearbeitet. Im Verein wurde immer wieder mal thematisiert, wie Plattner all das hinbekomme, erzählt Kahler. Und sie waren sich einig: "Es ist schon erstaunlich, wie der Michael es immer noch schafft, dieses Niveau zu halten."

Plattner führt dafür seine Jugendzeit an. Er "zehre noch ein bisschen von der Vergangenheit", sagt er, in jungen Jahren habe er eine gute Grundlage geschaffen. Zu Schülerzeiten war der Linkshänder die Nummer drei Deutschlands, im Jugendbereich immer noch unter den Top Ten. Da er nie den Schritt in den deutschen C-Kader machte, blieben ihm Nationalmannschaftseinsätze verwehrt. Die schulische Ausbildung hatte Priorität. Bis zum Abitur trainierte er intensiv, auch während des Studiums fand er noch Zeit dafür. Seit 2012, als er seine berufliche Karriere startete, ist es deutlich weniger geworden. "Da begann die lange Zeit des Zehrens", erklärt er.

Trotz seines Fokus' auf Beruf und Familie war der Tischtennissport für Plattner immer mehr als nur ein Hobby. Seine Fähigkeiten mit dem weißen Bällchen haben ihm sein Studium finanziert, zehn Jahre lang spielte er in der 2. Bundesliga. "So ist es mir erspart geblieben, zu kellnern", erklärt er. Der Arzt hat den Sport immer als Ausgleich gesehen, Schule, Studium und Beruf wollte er dafür nicht schleifen lassen. Der sportliche Ehrgeiz ist aber nach wie vor sehr groß. "Ohne Ehrgeiz geht es nicht", sagt er. "Ich bin auch hart zu mir selbst und mein größter Kritiker."

Heute trainiert er maximal zweimal pro Woche. Zum Vergleich: Rund die Hälfte der Drittliga-Spieler absolviert bis zu acht Trainingseinheiten, meist sind es junge Spieler aus Südamerika und Osteuropa, die unter professionellen Bedingungen versuchen, den Sprung in die 1. und 2. Bundesliga zu schaffen. Familie sowie Schicht- und Nachtdienste verhindern, dass Plattner diese Trainingsintensität leisten kann. Sein "von Unregelmäßigkeiten geprägter Arbeitsrhythmus" führte auch schon dazu, dass er von Teamkollegen direkt vom Nachtdienst in der Klinik zum Auswärtsspiel abgeholt wurde. Dafür kann er auf Fähigkeiten bauen, die im Operationssaal gefragt sind und ihm auch an der Platte zu Gute kommen. "Tischtennis lebt davon, dass man in engen Situationen einen kühlen Kopf bewahrt und auf Sachen zurückgreifen kann, die man bei Nervosität oder Übereifer schwer abrufen kann", erklärt er. Den Trainingsnachteil macht Plattner aber nicht nur mit Erfahrung wett. Er habe das Glück, dass man im Tischtennis "noch viel mit Übersicht, Gefühl in der Hand und Antizipation ausgleichen" könne. Kahler sagt: "Michael hat ein super Händchen."

Dieses Händchen war zuletzt deutlich mehr im medizinischen Bereich gefordert. Da während der Hochphase der Corona-Pandemie ein Großteil der geplanten Operationen ausgesetzt wurde, kam auch Plattner beruflich dem Virus näher. Er fuhr mehr Notarzt-Schichten als sonst und schob Extradienste in der Corona-Notaufnahme. "Da habe ich die Thematik in vorderster Front mitbekommen." Die Rolle des FCB-Tischtennis-Hygienebeauftragten, die ihm zugedacht war, übernahm am Ende der neue Abteilungsleiter Matthias Stein. Mediziner Plattner leistete seinen Beitrag, indem er die Konzepte prüfte.

Seit Anfang Juli dürfen Plattner und seine Teamkollegen zumindest wieder am FC-Bayern-Campus in die Trainingshalle, in reduziertem Umfang. Die vorgezogene und ungewöhnlich lange Sommerpause dürfte aber bald ein Ende haben, denn der Deutsche Tischtennis-Bund arbeitet daran, dass die neue Saison im September beginnen kann. Dann wird Plattner wieder das ein oder andere süffisante "Herr Doktor" zu hören bekommen. Er schmunzelt dann - und glaubt, dass seine Geschichte Gegner zusätzlich anspornt. Die wollten ihn an der Platte "nieder halten" um ihm zu zeigen, dass man nicht alles haben könne. Alles vielleicht nicht. Aber sehr viel ist durchaus möglich. Das beweist Michael Plattner.

Bisher erschienen: Michaela Henry, Beachvolleyballerin und Klinikärztin (22. Juni); Patrick Englhart, Footballer und Lebensmittel-Transporteur (2. Juli).

© SZ vom 13.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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