Sportpolitik:Verband ohne Dach

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Die Tischtennis-Leistungsgruppe mit Petros Sampakidis braucht für die Zukunft dringend einen neuen Unterschlupf. (Foto: BTTV)

Ende des Hockey-Leistungszentrums bringt auch Tischtennis-Bundesstützpunkt in Not

Von Andreas Liebmann, München

Das vorläufige Ende ihres lange geplanten Leistungssportzentrums hat die Verantwortlichen der Münchner Hockeyvereine am vergangenen Mittwoch kalt erwischt. Stefan Kermas etwa, Sportchef des Münchner SC, erfuhr von der überraschenden Ablehnung durch den Stadtrat erst, als ihn danach die Presse anrief. Carsten Matthias hatte schon tags zuvor etwas läuten gehört, er sei also "vorgewarnt gewesen", sagt er, und "auf das Schlimmste eingestellt". Die Ablehnung an sich habe ihn aber ebenfalls sehr überrascht, über Jahre schien der Neubau ja keine Frage des Ob, sondern lediglich noch des Wann zu sein. Carsten Matthias, muss man wissen, hat überhaupt nichts mit Hockey zu tun, er ist Geschäftsführer des Bayerischen Tischtennis-Verbandes (BTTV). Doch auch auf seine Sportart hat der Stopp des Bauprojekts nun direkte Auswirkungen.

Zurzeit baut der BTTV in München jenes Nachwuchs-Leistungszentrum wieder auf, das er vor einigen Monaten in Bad Aibling geschlossen hatte und das den Status eines Bundesstützpunkts genießt. Der Verband hat sich dafür der neuen Eliteschule des Sports im Münchner Norden angeschlossen, er versammelt die größten Talente aus allen Ecken des Freistaats in der Landeshauptstadt; zurzeit sucht er auch einen neuen Verbandstrainer, nachdem er den Ende des Jahres auslaufenden Vertrag mit Thomas Feilmayr nicht verlängert hat. In all dem Hin und Her, das mit den gravierenden Umstrukturierungen nun mal verbunden ist, gab es bisher einen Fixpunkt: das neue Hockeyzentrum. Sobald dieses nämlich entstanden wäre, hätte der BTTV mit seiner Leistungsgruppe darin die Hälfte der kleineren Trainingshalle belegt, als Untermieter, vertraglich gesichert bis ins Jahr 2020. Dieses Modell war für beide Verbände als taugliche Übergangslösung vereinbart worden: für den Bayerischen Hockeyverband, um bis zur vollen Auslastung der neuen Sportstätten durch eigene Gruppen Einnahmen zu generieren; und für den BTTV, um die Zeit bis 2020 zu überbrücken - dann nämlich, hofft Matthias, wird der Tischtennis-Landesverband eine eigene Halle beziehen, wo auch immer.

Dieses Vorhaben ist kompliziert genug, denn um weiterhin als Bundesstützpunkt anerkannt zu werden, muss der Verband eine Sportstätte bekommen, die in der Nähe des neuen Sportgymnasiums München-Nord liegt, nicht weiter als 20 Fahrminuten von der Knorrstraße entfernt. Es gibt kaum geeignete Grundstücke, und Geld, um aus eigenen Mitteln eine Halle zu bauen, hat der Verband natürlich auch nicht. Und nun ist auch noch die Überbrückung bis 2020 deutlich schwieriger geworden.

"Alles, was wir angefangen haben, läuft gut", versichert Matthias, "aber jetzt brauchen wir andere Lösungen." Zurzeit gastiert die Leistungsgruppe des Stützpunkts vormittags in der Halle des TSV Milbertshofen, nachmittags tingelt sie von einem Vereinstraining zum nächsten - eine Art Wanderzirkus, der natürlich nicht auf Dauer funktionieren kann.

Ursprünglich hätten die Hockeyhallen spätestens 2018 eröffnet sein sollen, das war ein überschaubarer Zeitraum für ein solches Provisorium. Die feste Trainingsstätte im Hockeyzentrum sei nicht nur ein Teil jenes Konzepts gewesen, das man dem Olympiastützpunkt vorgelegt habe, sondern vor allem "ein wichtiges Argument gegenüber den Eltern", die ihre Kinder nach München in die Hände des Verbandes entlassen sollen, wo sie an neue Schulen gehen, zum Teil im Haus der Athleten wohnen. "Wir werden jetzt aktiv auf die Stadt zugehen", kündigt Matthias an, sie sei in dieser Sache nun "gefordert".

Ohnehin hätte der Verband die Hilfe der Stadt benötigt, anders wäre die erhoffte eigene Halle kaum zu realisieren. "Wichtiger als eine neue Zwischenlösung ist uns die Perspektive nach 2020", sagt Geschäftsführer Matthias. Er werde auch wieder Gespräche mit Hockey-Vertretern aufnehmen, denn das MSC-Gelände, auf dem die Planungen nun bei Null beginnen, liegt nur wenige Minuten von der Eliteschule entfernt. Wer weiß: Jetzt, da die Stadt ankündigt, mit dem MSC neue Lösungen zu suchen, könnte man vielleicht auch an ein Kooperationsmodell mit zwei Verbänden denken. Das sei jedoch sehr vage. Er wisse weder, ob das MSC-Grundstück überhaupt den Platzbedarf beider Sportarten decken könne, sagt Matthias, noch ob grundsätzliche Bereitschaft zu einem solchen Modell vorhanden wäre oder wie es mit dem Zeitfaktor aussieht: "Die Hockeyleute haben acht Jahre lang an ihrem Projekt gebastelt."

Noch ist die Tischtennis-Leistungsgruppe klein, in ihrem Zentrum stehen die Talente Daniel Rinderer (von Ruhmannsfelden zum FC Bayern gewechselt), Petros Sampakidis (Fürstenfeldbruck) und Edgar Walter (Thalkirchen). Doch sie soll kontinuierlich wachsen, im Gleichschritt mit der Eliteschule, die auch erst in diesem Schuljahr startete. Also braucht der BTTV bald ein festes Dach über dem Kopf. Und eine langfristige Perspektive: "Ich möchte 2020 nicht 14 Eliteschüler wegschicken müssen, weil es hier nicht mehr weitergeht", sagt Matthias.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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