Sportpolitik:Massen-Betrieb

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Der Sport in München kämpft mit vielfältigen Problemen. Wo in anderen Städten Hallen Tage leer stehen, wird in München um jede Übungsstunde gezankt. Die Stadt tut mittlerweile mehr für die Infrastruktur.

Von Sebastian Winter, München

Ach München, Stadt der Enge. Aber auch Stadt des Breiten- und Spitzensports? Die Metropole platzt aus allen Nähten. Man sieht das zum Schulstart, wenn sich Erstklässler samt Familienanhang durch überfüllte Aulen pflügen; an den endlosen Wartelisten beim Kinderturnen oder in der Fußball-F-Jugend; beim Kampf um viel zu wenige Flächen, auf denen Bezirkssportanlagen mit neuen Kitas, dringend benötigten Altenheimen oder Mehrfamilienhäusern konkurrieren. Beim Jahrespressefrühstück des Bayerischen Landes-Sportverbandes (BLSV), Kreis München-Stadt, in einem Café am Marienplatz wurde am Mittwoch wieder einmal deutlich, wie aktuell das Thema Sportinfrastruktur in dieser Stadt ist und bleibt.

München rühmt sich ja gerne, eine Stadt vor allem für Breiten- und Freizeitsportler zu sein. Jenen Menschen also, die sich abseits der Fußballprofis des FC Bayern oder der Berufseishockeyspieler des EHC München auf Plätzen, Feldern oder in Hallen bewegen. Rund 600 000 Mitglieder haben Münchens Sportvereine, von denen es inzwischen mehr als 600 gibt - Tendenz steigend, nicht zuletzt wegen des rasanten Zuzugs. Ein Viertel der Mitglieder sind weiblich, ein Drittel Kinder und Jugendliche. "Jeden Monat wird in München ein neuer Verein gegründet", sagt der BLSV-Kreisvorsitzende Hermann Brem. Er sagt auch: "Aber wir laufen dem Wachstum immer hinterher." Wo in anderen Städten Hallen Tage leer stehen, wird in München um jede Übungsstunde gezankt.

Die Stadt tut viel für die Infrastruktur, mehr als noch vor einigen Jahren. Es gibt millionenschwere Förderprogramme, Baukostenzuschüsse für Vereine, jede Menge Bezirkssportanlagen werden saniert oder neu gebaut. Und in neuen Stadtteilen wie Freiham entstehen ganze, barrierefreie Sportkomplexe. "Der Sport hat seine Stimme in der Stadt", sagt Brem. Andererseits gibt es genügend Probleme, auch abseits viel zu weniger Sportstätten für viel zu viele Interessierte. Beispiele sind das Anfang Januar geschlossene Schwimmbad der Hypo-Vereinsbank, das Breiten- und Spitzensportler als Trainingsstätte nutzten. Das Geldinstitut scheute die teure Sanierung. Ausgerechnet in München, das ohnehin wenige Wasserflächen hat, fällt damit eine weitere Trainingsstätte weg. Und während sich die Amateure auf zu wenigen Bahnen drängen, zieht es Olympiateilnehmer wie Schwimmerin Alexandra Wenk auch wegen der besseren Bedingungen an andere Stützpunkte, wie im Falle Wenks Berlin. "Man muss das neidlos anerkennen, wenn andere Städte eine bessere Infrastruktur haben, und die Sportler ziehen lassen", sagt der neue Vorsitzende des Sportbeirats der Landeshauptstadt, Christian Hanf.

Mit der Sanierungs-Argumentation hat auch die Allianz ihrem Betriebssportklub SV Weißblau im vergangenen Dezember den Pachtvertrag für das Trainingsgelände am Rande des Englischen Gartens gekündigt. Bis 31. Dezember ist der Weiterbetrieb gesichert, womöglich wird dann die Stadt als Pächter einspringen. Schon im Sommer 2017 hat sie dem Siemens-Konzern den 14 Hektar großen Sportpark abgekauft - über die Nachnutzung wird seither rege debattiert. Post- und Eisenbahnersportvereine haben ähnliche Probleme. Abseits der Frage, wie (einstige) Betriebssportstätten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können, gilt eine der größten Herausforderungen dem Ehrenamt: "Ein Vereinsvorsitzender muss heute Steuerberater, Controller, Anwalt, Bauingenieur und Datenschutzbeauftragter in einem sein", sagt BLSV-Mann Brem. Die Posten müssten wieder attraktiver werden, auch für Jugendliche, denen offenbar nicht viele Klubs finanzielle Anreize setzen können, und Frauen - nur 400 der 2500 Vereinsfunktionäre in der Stadt seien weiblich, berichtet Brem. Am 17. November soll auch deshalb ein Frauencafé als Austauschmöglichkeit stattfinden, samt Rede der Olympiaparkchefin Marion Schöne. Einer Frau also, die den Breiten- wie Spitzensport liebt.

© SZ vom 13.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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