Sportklettern:Peak in Japan

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2020 wird der neu geschaffene Dreikampf aus Bouldern, Lead und Speed in Tokio erstmals olympisch. Ein Werbetermin in München zeigt: Auf die deutschen Sportler und Funktionäre wartet noch viel Arbeit.

Von Nico Horn

Immer auf der Suche nach Lösungen: Chris Hanke, Münchner Kletterer und eine der deutschen Zukunftshoffnungen an der Boulderwand. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

München - Einen geeigneteren Werbeträger als Urs Stöcker hätte man wohl nicht finden können. Der Klettertrainer aus der Schweiz ist eloquent, lustig, einfach ein cooler Typ. Neulich hat er sich zusammen mit zwei seiner Kaderathleten in München-Freimann zu einer kleinen Demonstration des neuen olympischen Dreikampf-Formats eingefunden - und reißt einen Witz nach dem anderen. "Heute morgen hat's noch nicht so locker ausgeschaut", sagt er über das Training mit Chris Hanke, 24, der gerade beim Bouldern glänzt. "Vielleicht sind's die Kameras."

Mit Kameras und Mikrofonen kann er selbst ganz vorzüglich umgehen, ja, vielleicht spielt er sogar ein bisschen mit ihnen. Heute ist das auch gefragt - obwohl das Umgarnen von Medien eigentlich gar nicht Stöckers Aufgabe ist. Denn hauptberuflich trainiert Stöcker den deutschen Kletter-Nationalkader, also jene 20 Athleten (zu denen auch der Münchner Hanke zählt), die 2020 bei den Sommerspielen in Tokio dabei sein wollen. Dort sollen im Optimalfall zwei Männer und eine Frau aus Deutschland starten. Wenn es nach den Vorstellungen des Deutschen Alpenvereins (DAV) geht, Stöckers Arbeitgeber, ist es aber mindestens genauso wichtig, das hiesige Klettern zu professionalisieren.

Aus diesem Grund hat der DAV ins Kletterzentrum nach Freimann geladen. Dort stellt der Verband zwei neue Kampagnen vor - die eine soll unter dem Hashtag "Climb to Tokyo" die deutschen Sportler auf dem Weg zu den Spielen in Japan begleiten, die andere, "Flash it!", soll neue Werbepartner aufmerksam machen. Es ist genau dieser Spagat, den der DAV nun zu bewältigen hat: einerseits den kurzfristigen Erfolg 2020 sicherzustellen und andererseits die gestiegene mediale Aufmerksamkeit durch die erstmalige Aufnahme ins olympische Programm zu nutzen. Eine, die diesen Zwiespalt wie kaum jemand anderes verkörpert, ist Romy Fuchs. Für die 17-jährige Schülerin kommen die Olympischen Spiele in gut zwei Jahren wohl noch zu früh, wenngleich die Münchnerin selbst sagt: "Olympia ist noch ein Traum, aber schon auch ein Ziel." Und 2024, wenn die Spiele in Frankreich, einem traditionellen Kletterland, stattfinden, bekommt sie ja eventuell noch eine Chance. Sicher ist das freilich nicht. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat Klettern bisher nur die Zusage für Tokio gegeben.

Für Fuchs ist Olympia quasi ein Zuckerl, eine tolle Chance, aber kein Muss. In den nächsten Jahren möchte sie sich erst einmal weiterentwickeln - nicht nur sportlich, sondern vor allem persönlich. Im Mai steht das Abitur an, danach bliebe genügend Zeit, um sich mehr auf das Training zu konzentrieren. Fuchs möchte aber "trotzdem nebenbei arbeiten, mich orientieren und reisen" - ein straffes Programm neben dem Leistungssport. Doch es ist auch klar, dass sich Klettern als Wettkampfsport noch nicht so etabliert hat; nur die wenigsten professionellen Kletterer können von ihrem Sport auch leben.

Beim Alpenverein heißt es: "Olympia braucht Klettern mehr, als Klettern Olympia braucht."

Von der Olympiateilnahme in zwei Jahren erhofft sich die Szene deshalb eine positive Wirkung - auch mit Blick auf Sponsoren. Der DAV sucht nun beispielsweise feste Kooperationspartner. Im Katalog zur Werbekampagne "Flash it!" beschreibt der Verband die Kletterszene als "attraktiv und jung" - oder zumindest als "jung geblieben". Auch wird Klettern als Breitensport immer beliebter und die Wettkämpfe, wie beispielsweise der jährliche Boulder-Weltcup unter dem Dach des Münchner Olympiastadions, sind stimmungsvolle, gut besuchte Events - medial sind sie aber noch Randerscheinungen. "Wir haben noch nicht den Professionalisierungsgrad wie andere Sportarten", sagt deshalb der im DAV für den Leistungssport verantwortliche Wolfgang Wabel: "Bei den einzelnen Events gibt es noch Potenzial, da können wir auch vom IOC lernen."

Zu viel abschauen will man sich aber nicht von der zuletzt stark kritisierten Ringeorganisation. Schließlich ist der DAV kein gewöhnlicher Leistungssportverband. Der Alpenverein muss sich beispielsweise auch um Naturschutz kümmern. "Wir haben im Deutschen Olympischen Sportbund schon immer eine kritische Meinung vertreten", versichert Wabel. So hätte man auch nicht um jeden Preis einer Olympiateilnahme zugestimmt: "Wäre die Seele des Klettersports verändert worden, hätten wir nicht mitgemacht."

Die Kletterszene lässt sich sowieso nur langsam davon überzeugen, dass der Kern des Sports nicht bereits durch den eigens für Olympia geschaffenen Dreikampf aus Bouldern, Lead und Speed verkauft wurde. Es ist ein ständiges Abwägen des Für und Wider - schließlich kann man die 400 000 Euro, die 2017 erstmals vom Bund an den DAV flossen, gut gebrauchen. Und sportlich kann ein neues Format wie der olympische Dreikampf auch eine Herausforderung sein, meint Romy Fuchs, die Münchner Nachwuchshoffnung: "So ist das schon eine der besten Lösungen." Eine Lösung, die vielleicht eh eine einmalige Sache ist, sollte in Paris die Reise zum Olymp enden. Aber, auch das sagt DAV-Mann Wabel, "Olympia braucht Klettern mehr, als Klettern Olympia braucht".

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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