Sport:Zu früh abgeschaltet

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Duell mit dem Matchwinner: Jung-Löwe Michael Tiefenbrunner (li.) im Zweikampf mit Holzkirchens späterem Siegtorschützen Josef Sontheim. (Foto: Lukas Barth)

Bayernliga: Der FC Ismaning kassiert drei Tore in der Nachspielzeit, 1860 II verliert, TSV Dachau und BCF Wolfratshausen gewinnen.

Von Christian Bernhardund Stefan Galler

Ein Fußballspiel dauert bekanntlich 90 Minuten, das hat Sepp Herberger schon vor geraumer Zeit so eingerichtet. Manchmal dauert es auch ein-, zwei- oder dreiundneunzig. Und niemand, nicht einmal Herberger, hat je verlangt, dass Tore gleich zu Beginn geschossen werden, man darf sich auch gerne alle für den Schluss aufheben. Das hat der FC Ismaning am Samstag ziemlich eindrucksvoll zu spüren bekommen. Aber das war ja nicht das einzige, was in der Fußball-Bayernliga Süd passiert ist.

Epochal verloren

Keiner kann behaupten, er habe im Fußball schon alles erlebt. Dieses Spiel treibt immer neue, immer absurdere Blüten. Das mussten die Spieler des FC Ismaning beim Auswärtsspiel gegen Schwaben Augsburg erkennen. "Noch krasser" als die epochale Niederlage der Bayern im Champions-League-Finale 1999 gegen Manchester United sei das gewesen, teilte der noch am nächsten Tag völlig konsternierte FCI-Coach Rainer Elfinger mit. Sein Team brachte es nämlich sogar fertig, eine 2:0-Führung in der Nachspielzeit zu verjuxen, am Ende hieß es 3:2 für die Schwaben, die vierte FCI-Pleite in Serie. Elfinger rang um Fassung: "In der Schlussphase haben wir alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Das ist nicht zu verdauen. Der ein oder andere hat einfach abgeschaltet." Lange Zeit hatte sein Team alles im Griff gehabt, die Überlegenheit dann durch einen Doppelschlag von Manuel Ring nach Pass von Maximilian Siebald (72.) und Tobias Killer per Elfmeter (73.) auch in Tore umgemünzt. Elfinger stellte von Dreier- auf Viererkette um, ein vermeidbarer Freistoß, den Lorenzo Gremes wuchtig verwandelte, brachte Augsburg zurück ins Spiel (90.). Nur eine Minute später köpfelte Michael Geldhauser nach einer Ecke das 2:2, dann gelang Maximilian Löw aus einem unübersichtlichen Getümmel sogar das 3:2-Siegtor für Augsburg.

Unglückliche Löwen

Wolfgang Schellenberg wusste, was auf ihn zukommt. "Holzkirchen ist eine gute Mannschaft", hatte der Trainer des TSV 1860 München II vor dem letzten Hinrunden-Spieltag betont, "sie waren zuletzt sehr erfolgreich". Aus dem "waren" konnte er am Samstagnachmittag ein "sind" machen. Der TuS Holzkirchen besiegte die Junglöwen an der Grünwalder Straße mit 2:1 und beendete so die drei Spiele andauernde Siegesserie der Münchner. Die Entscheidung fiel erst in der Nachspielzeit, als Josef Sontheim zum 2:1 für die Gäste traf. Davor hatte Holzkirchens Benedict Gulielmo per Elfmeter (24.) die 1:0-Führung von Randy Montie (21.) ausgeglichen. Das Ergebnis spiegelte allerdings nicht das Spielgeschehen wider. Holzkirchens Trainer Gediminas Sugzda sprach von einem "glücklichen Sieg", da die Löwen das bessere Team waren. "Sie hatten die bessere Spielanlage", erklärte er. Die drei Punkte nahm trotzdem sein Team mit. Immerhin hat der TSV 1860 II, der Tabellenelfter ist, weiter vier Punkte Vorsprung auf den ersten Abstiegs-Relegationsplatz, da auch die direkt hinter ihm platzierten Konkurrenten verloren haben. Bereits am Dienstag können die Junglöwen die Pleite wiedergutmachen, dann ist die DJK Vilzing zu Gast (19 Uhr).

Spät erlöst

Erst sechs Minuten vor dem Ende kam die Erlösung, bis dahin war Marco Stier, Trainer des BCF Wolfratshausen, beim Spiel in Kirchanschöring aufgeregt am Spielfeldrand umhergetigert und hatte nicht nur einmal vor Verzweiflung aufgeschrien. Seine Spieler hatten dicke Chancen am Fließband sausen gelassen, dann aber schob Marian Knecht den Ball von der linken Seite ins entfernte Eck - 0:2, der Sieg war gesichert. "Das war immens wichtig", sagte der Coach später. "Jetzt sind wir nur noch drei Punkte vom rettenden Ufer entfernt." Vom Start weg hatten die Farcheter die Partie im Griff gehabt, Vincenzo Potenza und Knecht vergaben schon in der Anfangsphase die ersten Gelegenheiten. Dann traf Knecht mit Vollspann aus 25 Metern ins rechte untere Eck (17.), die hochverdiente Führung für den BCF. Kurz vor der Pause sah SVK-Abwehrchef Albert Eder wegen einer Notbremse gegen Jona Lehr die rote Karte (42.), die Zeichen standen spätestens jetzt klar auf Sieg für Wolfratshausen. Man ließ Kirchanschöring jetzt kommen, setzte auf Konter, blieb vor dem Tor jedoch weiterhin nicht gelassen genug. Bis dann eben Knecht den Doppelpack schnürte und Coach Stier erlöste. "Der Sieg hätte höher ausfallen können, der Gegner hatte keine wirkliche Torchance", sagte der frühere Profi, der mit Sorge auf die kommenden Spiele blickt: "Das Programm mit den Gegnern Rain, Heimstetten, Ismaning und Neumarkt ist brutal."

Voller Einsatz

Damit hatten die Spieler des TSV Kottern offensichtlich nicht gerechnet: Wie wild hauten sich die Kicker des TSV Dachau 1865 in die Zweikämpfe, gaben keinen Ball verloren und durften sich am Ende über einen verdienten 2:0 (1:0)-Auswärtserfolg freuen. "Wir sind diesmal über den Kampf gekommen und haben gezeigt, dass wir fighten können", resümierte Marcel Richter, der Sportliche Leiter der Dachauer. Im Laufe der Vorrunde hatten er und Spielertrainer Fabian Lamotte mehrfach Kritik an der spielerisch starken Elf geübt, weil es ihr manchmal an der nötigen Einstellung fehlte. Das war diesmal anders, von Beginn an ging es hin und her, nach einer Viertelstunde musste Coach Lamotte für Alexander Weiser (Wade) ins Spiel; zur Pause stand es trotz guter Chancen auf beiden Seiten 0:0. Nun konnte auch Alexander Weiss (Oberschenkel) nicht mehr mittun, Dachau kam trotzdem stark aus der Kabine, Moritz Hannemann vollstreckte volley nach Zuspiel von Sebastian Brey (48.). "Wir hatten das Spiel im Griff, nutzten aber unsere Konter nicht gut", nörgelte Richter. Prompt hätte Kottern fast noch ausgeglichen, glücklich rettete 1865 das 1:0 in die Nachspielzeit, dann machte Dominik Schäffer alles klar (90.+3). Trainer Lamotte war nach dem fünften Spiel in Serie ohne Niederlage zufrieden: "Wir haben sehr viel investiert und das nötige Quäntchen Glück auf unserer Seite gehabt."

© SZ vom 30.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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