Sport:Von Helden und Deppen

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Achtung, Pointe! Der letzte Spieltag kann für die Fußballklubs der Region noch manche Überraschung bringen. Andere haben, nun ja: eher Außenseiterchancen auf ein Happy End.

Von Stefan Galler und Andreas Liebmann

Dem Wortsinn nach, man kann es nicht oft genug betonen, bedeutet Relegation nichts Gutes. "Entfernen", "verbannen" lauten die gängigen Übersetzungen des lateinischen Verbs relegare. Also rausschmeißen. Hochkant. Wer in eine Relegation geht, soll also entfernt werden - oder andere entfernen. Was immer noch erträglicher ist, als gleich direkt abzusteigen (Für Liebhaber: "descendere"). An diesem Samstag entscheidet sich in den höheren Amateurfußballligen, wer endgültig rausfliegt und wer vielleicht das machen muss, was auch im Lateinunterricht eine gängige Methode war: nachsitzen.

Nun zum Eigentlichen

Schmerzhaftes Aufeinandertreffen: Das vorerst letzten Duell der Drittliga-Rivalen im Stadion an der Grünwalder Straße, Max Dombrowka (li.) foult den Sascha Mölders. (Foto: Bernd Feil/imago)

Ligaverbleib. Gott, ja ... - süß! Auch nicht ganz unwichtig. Aber jetzt geht es um das tatsächliche Saisonziel. Am Samstag wird sich in der dritten Liga entscheiden, wer die Nummer zwei in und um München ist: der TSV 1860, aktuell Elfter mit 47 Punkten, oder die SpVgg Unterhaching, zwei Ränge und zwei Zähler dahinter. Zwar hat keiner der beiden Klubs dieses Ziel je offiziell formuliert, aber man wird ihnen ja wohl mal etwas Plausibles in den Mund legen dürfen. Etwa: "Hauptsache, wir landen vor..." Klar ist, wenn Richtung Aufstieg nichts geht, will man am Saisonende doch wenigstens ein Trostpflästerchen haben, und was sollte das sein außer dem Status der Nummer zwei, gewissermaßen des Rekordmeisterstellvertreters in town. Dieser Rang wird nicht mehr oft zu erlangen sein, weil ja irgendwo links hinter den beiden der SV Türkgücü zum Überholmanöver ansetzt und bald mit quietschenden Reifen und einem Kondensstreifen vorbeiziehen will. Also lieber schnell Gas geben. Haching, das am Rande, war im Herbst so weit voraus, dass die Löwen ein Fernglas brauchten. Nun tritt die Spielvereinigung ausgerechnet bei Meister Osnabrück an. Sechzig ist beim 16. Jena zu Gast. Bei Carl Zeiss. Wenn sie gewinnen, könnten sie den Hachingern Ferngläser mitbringen.

Jeder hängt vom anderen ab

Zumindest haben sie in der dritten Liga nach dem Spieltag am Samstag Klarheit, wohin die fußballerische Reise führt. So wie es aussieht, sogar bei Fritz Walters notorisch klammen Erben. Der 1. FC Kaiserslautern muss zwar noch immer um die Lizenz fürs nächste Jahr bangen, hat aber jetzt einem reichen Onkel aus Luxemburg das Vertrauen geschenkt, der 25 Millionen in den Klub vom Betzenberg pumpen will. In der Regionalliga Bayern dagegen könnte nach der finalen Runde die große Ratlosigkeit noch ein paar Wochen andauern. Das wiederum liegt daran, dass noch niemand weiß, ob der FC Ingolstadt in der zweiten Liga bleibt. Sollten die Schanzer absteigen, was womöglich erst nach dem Relegationsrückspiel gegen den Dritten der dritten Liga am 28. Mai feststeht, müsste sich auch die Reserve aus der Regionalliga verabschieden, weil zwischen erster und zweiter Mannschaft laut Verbandsregularien eine Liga Abstand sein muss. Und das wiederum könnte einen oder zwei der drei Abstiegskandidaten aus der Region erheblich entlasten. Aber wer will es auf derlei Unwägbarkeiten schon ankommen lassen? Also idealerweise selbst den Karren aus dem Dreck ziehen! Dem VfR Garching würde in Buchbach schon ein Unentschieden zum direkten Klassenerhalt genügen - und das wäre doch ein wahrlich versöhnliches Ende, würden die scheidenden Trainer Anton Bobenstetter (Buchbach) und Daniel Weber (Garching) die Punkte teilen. Es sollte nur bitte so aussehen, als ob das vorher nicht abgesprochen gewesen wäre. Für die beiden anderen Regionsteams im Keller, FC Pipinsried und SV Heimstetten, geht es nur noch darum, den direkten Abstieg zu vermeiden und sich in die Relegation zu retten. Aus eigener Kraft geht das nicht - gleichzeitig müssen 1860 Rosenheim und/oder die SpVgg Greuther Fürth II verlieren. Letztere spielt - Achtung Pointe! - gegen den FC Ingolstadt II.

Abenteuerliches Saisonfinale

Abschiednehmen heißt es beim SV Pullach: Das Erfolgsduo Frank Schmöller/Theo Liedl zieht sich nach dem Endspiel um Platz drei gegen Jahn Regensburg II (zumindest vorerst) ins Private zurück. Ihr Saisonziel - Nichtaufstieg - haben sie vorbildlich erreicht. Anderswo steht mehr auf dem Spiel, etwa beim FC Ismaning, dessen Kicker die Metamorphose vom Deppen zum Helden und wieder zurück in gerade Mal drei Wochen hinbekommen haben. Am 27. April sah es so aus, als würde das Team von Mijo Stijepic nach drei Siegen in Serie definitiv in der Bayernliga Süd bleiben. Jetzt muss gegen Schwabmünchen unbedingt ein Sieg her plus Schützenhilfe von Sonthofens Gegner Vilzing, sonst heißt es für den vor der Saison hochgewetteten FCI: Nachsitzen! Dieses Schicksal ist dem FC Unterföhring bereits gewiss. Womit das droht, was sonst gerne mit Speisen zwischen Küche und Esszimmer geschieht: Sie werden durchgereicht. Als "Abenteuer Regionalliga" hatte der damalige Präsident Franz Faber den Aufstieg 2017 bezeichnet - zwei Jahre später muss sich der Klub neu sortieren. Nicht nur der Chef Faber ist weg, sondern auch der Trainer Faber, Franz' Bruder Peter. Durch den Abwärtstrend der vergangenen Jahre sind die Föhringer in der Relegation wohl Außenseiter. Zumal gegen ein Team, das mit Rückenwind von unten kommt.

Ein Wikinger im Fernduell

In der Landesliga Südost gäbe es da zwei Kandidaten, auf die genau das zutrifft: Der FC Deisenhofen und der VfB Hallbergmoos liefern sich ein Herzschlagfinale um Platz zwei. Vor dem letzten Spieltag liegt der FCD drei Punkte vorn, doch den direkten Vergleich hat das Team des isländischen Trainers Hannes Sigurdsson gegen den Klub aus dem Landkreis Freising verloren (4:3/0:2), weshalb Hannes und die starken Männer noch ein Pünktchen brauchen im finalen Gastspiel beim ASV Dachau. Das 0:2 in Hallbergmoos war übrigens die einzige Niederlage für Deisenhofen in den vergangenen 14 Spielen. Doch da kann der VfB mithalten: Von den letzten zwölf Partien seit Amtsantritt des neuen Trainers Gediminas Sugzda ging nur jene gegen Töging verloren, der Rest waren Siege. Die Aufgabe am letzten Spieltag scheint von der Papierform her die leichtere zu sein: Hallbergmoos muss zum FC Moosinning, der bereits als Teilnehmer der Abstiegsrelegation feststeht. Und zwar, weil das Team von Trainer Helmut Lucksch alle direkten Vergleiche gegen die Kellerkonkurrenten Pfarrkirchen, Traunstein und SB Rosenheim verloren hat. Auch nicht schön ist das Schicksal des Tabellenletzten TSV Neuried: Gerade mal fünf Punkte haben die Würmtaler in den ersten 33 Saisonspielen gesammelt. Gewertet wurden sogar nur vier, weil sie wegen eines zu Unrecht eingesetzten Spielers ein Zählerchen wieder verloren. So ist es eben manchmal im Leben: Wer nichts hat, dem wird das wenige auch noch abgeluchst. Zum Klassenerhalt fehlen den Neuriedern 31 Zähler.

Zug der Models

Wegweisendes Duell: In der Regionalliga geht es am Samstag für den FC Pipinsried (oben, gelb) und den SV Heimstetten (rot) gegen den Abstieg. (Foto: Toni Heigl)

Nanu? Der SC Oberweikertshofen darf ausscheren? Das Schlusslicht der Landesliga Südwest hat tatsächlich schon am Freitagabend gespielt - während alle anderen Duelle, um Wettbewerbsverzerrung zu verhindern, gleichzeitig starten. Liegt wohl daran, dass der SCO in der Landesliga Südwest noch 18 Punkte benötigt hätte, um sich sicher in die Relegation zu retten; 27, um in der Klasse zu bleiben. Recht viel für einen Spieltag. Nicht mal der Verband hat ihnen diese Aufholjagd wohl zugetraut, zumal das Team in den bisherigen 33 Partien erst 14 Punkte gesammelt hat. Irgendetwas muss schief gelaufen sein in diesem Jahr. Eine gute Figur hat eigentlich nur Ex-Löwe Daniel Jais gemacht, allerdings vorwiegend als Influencer und Model - sein Verein nennt diese Karriere nun als Grund dafür, dass Jais (wie Interimsspielertrainer Ömer Kanca) den SCO verlassen wird. Was nun zum BCF Wolfratshausen führt, denn der verlor sein stürmendes Influencer-Model Marian Knecht vor einem Jahr nach dem Abstieg aus der Bayernliga - nicht an die Modewelt, sondern an den FC Pipinsried. Lustigerweise der zweite Verein, den Oberweikertshofens Uli Bergmann managt - womöglich ebenfalls in den Abstieg. Ohne Knecht jedenfalls bangt der Klub nun sogar um den Landesliga-Verbleib. Bei einem Punkt Vorsprung auf die Relegationsränge sollte ein Sieg beim SV Egg an der Günz her, um sicherzugehen. Dann könnte sich Trainer Philipp Bönig stolz nach Garching verabschieden. Einen Sommer ohne Relegation, das hatte der BCF seit Jahren nicht.

© SZ vom 18.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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